Künstliche Intelligenz in der Bildungs- und Berufsberatung

21.10.2024, Text: Sabine Schnepfleitner, Redaktion/CONEDU
KI hat im Beratungssetting Platz genommen. Bildungsberaterin Christine Bauer-Grechenig erzählt über die Unumgänglichkeit, die Möglichkeiten und den verantwortungsbewussten Umgang mit KI.
Zwei Sessel, darüber verschiedene Symbole und Sprechblasen: Ein Schalt-Netzwerk, Fragezeichen, Rufzeichen, Punkte.
Die Salzburger Bildungsberatung entwickelt ein Konzept, wie sie KI verantwortungsbewusst und sinnvoll einsetzen kann.
Grafik: CC BY, CONEDU/Schnepfleitner, https://epale.ec.europa.eu

Sich mit Künstlicher Intelligenz (KI) zu beschäftigen, ist nicht immer eine bewusste Entscheidung. Sie ist in den Alltag vieler Menschen hineingeschwappt und verankert sich in der Berufswelt. Somit auch im Tun und den Inhalten der Bildungs- und Berufsberatung. „Man kann nicht aus. Ob man KI selbst nutzt oder nicht, sie verändert unsere Berufsfelder und den Arbeitsmarkt“, so Christine Bauer-Grechenig, Geschäftsführerin und Bildungs- und Berufsberaterin der BIBER Bildungsberatung in Salzburg. Die Salzburger Bildungsberatung habe sich entschieden, nicht abzuwarten und zu reagieren, sondern zu agieren. 

Gibt es eine Anleitung für die Nutzung von KI in der Bildungsberatung?

Wer KI und ihre Möglichkeiten kennenlernen möchte, sollte viel Experimentierfreude mitbringen. Das Feld an potenziellen Anwendungsbereichen ist auch in der Bildungsberatung breit: Info-Videos und Texte generieren, die schnelle umfassende Antwort finden, Chat-Bots für die Informationsberatung einsetzen, mehrsprachige Beratung durch Übersetzungstools ermöglichen. Aber was ist tatsächlich nutzbar und was davon ist auch ethisch vertretbar? 

Weiterbildungen besuchen, Tools ausprobieren, Ergebnisse vergleichen, viel „Trial and Error“, so hat sich das Team rund um Bauer-Grechenig an die Möglichkeiten von KI-Tools herangetastet. KI im Berufsalltag einzusetzen – da bleiben sie vorsichtig. „Die Informationen in der Bildungsberatung sind sehr sensibel. Wir müssen sicherstellen, dass wir damit auch entsprechend sorgsam umgehen“, bringt es die Bildungsberaterin auf den Punkt. Gemeinsam im Team entwickeln sie ein Konzept, wie sie KI verantwortungsbewusst und sinnvoll einsetzen können. „Bisher haben wir in einem ersten Schritt die möglichen Verwendungsbereiche von KI in unserer Arbeit sowie deren Vorteile und Risiken identifiziert und festgelegt, wo es welche Regelungen und Vorschriften für die Nutzung geben muss.“ Auch die Professionalisierung und der Weiterbildungsbedarf sowie rechtliche Rahmenbedingungen wie Datenschutz sind ein großes Thema. „Wenn wir eine gute Basis haben und die Berater*innen gut ausgebildet sind, dann wird es Teil von unserem Berufsalltag sein.“

Wie KI den Beratungs-Alltag verändert

Insbesondere in drei Bereichen wirkt KI im beruflichen Alltag von Bildungs- und Berufsberatung: Recherche und Vorbereitung der Beratung, Öffentlichkeitsarbeit und Beratungsthemen. Bei Letzterem dreht es sich meist um die Veränderungen des Arbeitsmarktes durch KI. Zum Beispiel, wenn Kund*innen Unsicherheiten äußern und fragen, womit sie im Bewerbungsverfahren nun rechnen müssen oder wie KI Berufsprofile verändern könnte. 

Die große Stärke von KI-Tools ist die schnelle Informationsverarbeitung. Das nutzen die Bildungsberater*innen, um PR- und Info-Texte zu bearbeiten. Hilfreich ist es aber auch in der Vorbereitung auf ein Beratungsgespräch. „Nach dem Clearing mit unseren Kund*innen wissen wir ganz gut, welche Fragestellungen auf uns zukommen. KI-Tools können wir hier neben internen und externen Datenbanken nutzen, um Informationen zu sammeln.“ 

Internes Wissensmanagement vs. unendliches Wissen

Die Bildungsberatung Salzburg hat im Laufe ihrer Beratungsarbeit intern ein umfangreiches, gut funktionierendes Wissensmanagement aufgebaut. Informationen werden gesammelt und ausgetauscht. Machen ChatGPT und Co, die auf so viel mehr Datenmengen zugreifen können, das ganze obsolet? 

„Die Ergebnisse von ChatGPT oder Gemini klingen bei gut gesetzten Prompts schon sehr gut.“ Trotzdem seien die Ergebnisse weder speziell auf die ratsuchende Person zugeschnitten noch anbieterneutral, erklärt Bauer-Grechenig. Informationen aus der eigenen Datenbank sind gut recherchiert und zuverlässig. „Als Bildungsberaterin kann man sich trotzdem einige Anregungen und Ideen holen.“ Um als Ratsuchende selbst gute Ergebnisse zu erzielen, braucht es aber nicht nur ein versiertes Nutzungsverhalten mit Prompting-Erfahrung, sondern auch eine gute Feldkenntnis, um Informationen entsprechend verifizieren zu können. 

Seit Anfang 2024 gibt es für Bildungsinteressierte den „Berufsinfomat“ des Arbeitsmarktservice Österreich (AMS). Das ist ein Bot, gestützt auf ChatGPT. „Das AMS hat den Berufsinfomat mit den internen Datenbanken trainiert. Damit gibt es ein valides Tool für Bildungsinformation.“ Interessierte müssen nicht mehr unterschiedliche AMS-Tools nach relevanten Informationen durchkämmen, sondern bekommen unmittelbar Antwort. Ist keine passgenaue Information verfügbar, wird auf die Bildungsberatung verwiesen. 

Ein Bot, der den persönlichen Berufsweg plant? Die schnelle Information vs. Beratungsprozess

„Im Internet wird recherchiert. Egal ob Google oder ChatGPT genutzt wird. So findet man Information, aber nicht Beratung“, erklärt Bauer-Grechenig. Geht es um niederschwellige Informationsberatung, kann ein Chat-Bot für Ratsuchende ein hilfreiches Gegenüber sein. Auch bei heiklen Themen reicht Menschen im ersten Schritt eine erste Information. Eines ist für die Bildungsberaterin dabei wesentlich: „Es muss transparent sein und ganz klar, dass Informationen künstlich erzeugt werden.“ 

„Informationen sind aber nur ein kleiner Bereich der Bildungs- und Berufsberatung. Wesentlich ist vielmehr das persönliche Element – der Beziehungsaufbau. Der kann nicht durch KI ersetzt werden“, führt die Bildungsberaterin aus. Es gehe darum, ein Gegenüber zu sein, das echte Antworten gibt. Rahmenbedingungen, Werte, Ziele, Möglichkeiten von Ratsuchenden müssten miteinander verknüpft werden. Man müsse verantwortungsvoll mit den Informationen umgehen. Dahinter stehe ein hoher moralischer und ethischer Anspruch. Das könne man einem KI-basierten Avatar nicht beibringen. 

Wie könnte KI den Beratungsalltag leichter machen?

Vor 20 Jahren ist Christine Bauer-Grechenig mit einem dicken Ordner voller Berufsprofile und Ausbildungsmöglichkeiten in eine Beratung gegangen. Der wurde schon längst durch Laptop mit Zugriff auf interne und externe Wissensdatenbanken ersetzt. Dass auch KI ihren Beraterinnen-Alltag beeinflussen und maßgeblich verändern wird, davon ist sie überzeugt. Und ein paar Wünsche für den unmittelbaren internen Einsatz von KI in Zukunft hätte sie schon: „… Beratungszusammenfassungen generieren oder Protokolle automatisch erstellen lassen, und die Möglichkeit mehrsprachiger Übersetzungen.“

 

Im Gespräch mit Mag.a Christine Bauer-Grechenig, Geschäftsführerin der BIBER Bildungsberatung. Sie setzt sich gemeinsam mit ihrem Team intensiv mit Künstlicher Intelligenz in der Bildungs- und Berufsberatung auseinander. Bereits auf der Fachtagung „KI zwischen Innovation und Verantwortung“ mit 130 Gästen im Juni 2024 in Salzburg gestalteten sie in Kooperation mit dem AMS Salzburg einen Workshop zu Mehrwert und Grenzen von KI in ihrem Arbeitsfeld. Am 14. November 2024 ist Bauer-Grechenig Diskutantin am Podium auf der Fachtagung Euroguidance in Wien. Dort zeigen BiBer und das AMS Salzburg in einem aufbauenden Workshop einen vertiefenden Einblick in den Umgang und die aktuelle Praxis mit KI in der Bildungs- und Berufsberatung.

Weitere Informationen:
Quelle: EPALE E-Plattform für Erwachsenenbildung in Europa

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