Think-Tank Kritische Medienkompetenz in der Erwachsenenbildung

06.08.2024, Text: Tania Napravnik, COMMIT
Der Think-Tank vernetzt rund 50 Expert*innen und fördert den interdisziplinären Austausch. COMMIT gibt Einblick in seine Entstehungsgeschichte, die bisherigen Ergebnisse und seine offene Zukunft.
Think-Tank-Teilnehmende sitzen am Tisch und diskutieren
Teilnehmende des Think-Tanks beschäftigen sich damit, wie Erwachsenenbildung das Vertrauen in Wissenschaft und Demokratie mithilfe von Kritischer Medienkompetenz fördern kann.
Foto: Alle Rechte vorbehalten, Tania Napravnik, auf erwachsenenbildung.at

Der Think-Tank Kritische Medienkompetenz in der Erwachsenenbildung ist ein interdisziplinäres Netzwerk für Kritische Medienkompetenz in Österreich. COMMIT hat diesen 2020 in Kooperation mit dem Bundesinstitut für Erwachsenenbildung (bifeb) ins Leben gerufen.

Der Artikel gibt Auskunft über die Anliegen des Think-Tanks und was es zur Förderung Kritischer Medienkompetenz noch braucht.

Der Think-Tank vernetzt rund 50 Expert*innen zu Kritischer Medienkompetenz

Der Think-Tank ermöglicht es, unterschiedliche Akteur*innen aus Erwachsenenbildung, Medien und Wissenschaft sichtbar zu machen und zu vernetzen. So ist es bisher gelungen, knapp 50 Expert*innen aus Österreich und Deutschland für einen interdisziplinären Austausch über Kritische Medienkompetenz zusammen zu bringen. Beim Think-Tank erarbeiteten die Akteur*innen verschiedene Ziele, die sie in einem Mission Statement festhalten. Eine gemeinsame Mailingliste sorgt zwischen den Treffen für den Austausch von relevanten Informationen. Einmal im Monat versendet COMMIT auch den „Media and Information Literacy (MIL) Newsletter“.

Die Expert*innen und Teilnehmenden des Think-Tanks beschäftigen sich mit Überlegungen, wie das Vertrauen in Wissenschaft und Demokratie mithilfe von Kritischer Medienkompetenz in der Erwachsenenbildung gefördert werden kann. Auf diese Weise identifizieren sie sowohl Herausforderungen aktueller Entwicklungen als auch Strategien bzw. Auswege aus den gegenwärtigen Vertrauenskrisen. Im Kontext von Digitalisierung und Medienwandel fördert der Think-Tank Demokratiebewusstsein, Wissenschaftsvertrauen, politische Teilhabe, Empowerment, Inklusion und soziale Gerechtigkeit, indem er es ermöglicht, neue Entwicklungen und Know-How zwischen relevanten Stakeholdern zu erarbeiten, zu teilen und zu verbreiten.  

Die am Think-Tank beteiligten Expert*innen bekräftigen dessen Wert als Dialogplattform über die Grenzen der eigenen disziplinären und institutionellen Perspektive hinaus: „Der interdisziplinäre Austausch ist sehr wichtig. Die COMMIT-Veranstaltungen bieten dafür Zeit, Raum und Expert*innenwissen“, erklärt Walter Strobl, Jurist im Presseclub Concordia, Trainer für Medien- bzw. Urheberrecht und Think-Tank-Teilnehmer.

Der Think-Tank reiht sich ein in internationale Modelle von „Media and Information Literacy (MIL)“

Die Tätigkeiten des Think-Tanks sind mit MIL-Modellen in anderen Ländern vergleichbar (wie z.B. die MIL networks in Irland - PDF). Als Musterland für Wissenschaftsvermittlung gilt wiederum Portugal. Das Konzept der „lebendigen Wissenschaft“ (Ciência Viva) ermöglicht interdisziplinäre, niederschwellige Wissenschaftsvermittlung an Gemeinschaftsorten, wie etwa Community Medien. Es handelt sich um jene Orte, die tief in lokale Strukturen verwurzelt sind, an denen sich diverse Menschen zum Dialog und Wissensaustausch treffen.

Für Kritische Medienkompetenz braucht es niederschwellige Lernorte

Insgesamt kann man Kritische Medienkompetenz nicht nur als Eckpfeiler einer „aufgeklärten Medienpädagogik“, sondern auch als Grundpfeiler einer funktionierenden Demokratie verstehen. Dies haben Wissenschaftler*innen in einem Bericht des Forschungsprojekts „3G gegen Verschwörungstheorien: gesehen, geprüft, gekontert. Critical (Social-)Media Literacy in der Erwachsenenbildung in Wien“ betont, vorgestellt von Stefanie Mayer, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Konfliktforschung (IKF), beim Think-Tank-Treffen im März 2024. Notwendig sind niedrigschwellige Angebote in kleinen Lerngruppensettings, die sich an bildungsbenachteiligte Personen richten und neben der Nutzungskompetenz auch die Kritik- bzw. Reflexionskompetenz thematisieren. Kritisches Wissen entsteht im Dialog und Austausch, Widersprüche in Argumentationen können durch Diskussionen sichtbar gemacht werden (siehe auch „Kritische Medienkompetenz in der Erwachsenenbildung als aufgeklärte Medienpädagogik?“).

In Österreich könnten spezielle Anlaufstellen, die sich mit Themen der Kritischen Medienkompetenz auseinandersetzen und partizipative Lernräume gestalten, Bildungslücken schließen und kleinere Einrichtungen (wie Migrant*innen- oder Frauencafés) mit ihrer Expertise und ihren Ressourcen entlasten. Dazu bräuchte es kontinuierliche Strukturen, die den Bedarf an spannenden, niedrigschwelligen Lernorten abdecken. Die aktuellen Förderlogiken werden der Notwendigkeit an innovativen Formaten Kritischer Medienkompetenz, wie etwa ergebnisoffenen Bildungskonzepten, jedoch nicht gerecht.

Zukunft des Think-Tanks „Kritische Medienkompetenz in der Erwachsenenbildung“

Derzeit bemüht sich der Geschäftsführer von COMMIT, Helmut Peissl, um eine längerfristige Finanzierung. Die bisherigen Think-Tank-Teilnehmenden wollen aber in jedem Fall den Austausch in dieser Form weiter pflegen. Im Sinne einer breiten Verankerung von Kritischer Medienkompetenz widmet sich der Think-Tank derzeit der Erarbeitung von Empfehlungen für politische Entscheidungsträger*innen auf kommunaler, nationaler und internationaler Ebene. Die Empfehlungen sollen bis Herbst 2024 fertig gestellt werden. Das nächste Treffen des Think-Tanks findet am 11.9.2024 vormittags bei Social City Wien statt.

Über den Think-Tank

Der Think-Tank versteht sich als interdisziplinäres Netzwerk für Kritische Medienkompetenz in Österreich. Für die Akteur*innen des Think-Tanks bedeutet Kritische Medienkompetenz mehr als die bloße Vermittlung von Wissen zu technischen Werkzeugen und Fähigkeiten. Vielmehr wird die Produktion von Informationen und Medien in einem breiteren gesellschaftlichen Zusammenhang reflektiert und hinterfragt.

Kritische Medienkompetenz wird dabei als Bewertungs-, Reflexions- und Handlungskompetenz verstanden. Mittel für die Verankerung Kritischer Medienkompetenz ist die Entwicklung erwachsenenbildnerischer Konzepte für den Kompetenzerwerb sowie die Begleitung und deren Umsetzung.

Die jährlich von COMMIT veranstaltete Fachtagung Kritische Medienkompetenz dient der inhaltlichen Vorbereitung und Vertiefung der Diskussionen des Think-Tanks. Der Titel der letzten Fachtagung im September 2023 lautete „Demokratie- und Wissenschaftsvertrauen in Krisenzeiten – Herausforderungen und neue Möglichkeiten für die Erwachsenenbildung“. Auf ihr diskutierten die Expert*innen, wie das Vertrauen in Wissenschaft mithilfe von Kritischer Medienkompetenz und Erwachsenenbildung gefördert werden kann (siehe auch „Rückschau auf die Fachtagung Kritische Medienkompetenz 2023“).

Die Fachtagungen Kritische Medienkompetenz zum Nachhören im Podcast COMMITed und Widerhall:

Weitere Informationen:
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