Wie kritische Medienbildung gelingen kann

28.05.2024, Text: Antonia Unterholzer, Redaktion/CONEDU
Kritische Medienbildung braucht gemeinsames Lernen sowie vielfältige Lernräume vor Ort. So das Ergebnis einer Tagung in Wien.
Das verstärkte Aufkommen Fake News und Fehlinformationen bedürfen kritischer Medienbildung.
Foto: Pixabay Lizenz, memyselfaneye, Kritische Medienkompetenz zum Umgang mit Fake News, https://pixabay.com/photos/fake-news-hoax-press-computer-4881488/

Soziale Medien stellen Erwachsene vor neue Herausforderungen. Insbesondere die Covid-19 Pandemie, das verstärkte Aufkommen von Verschwörungsmythen und Fehlinformationen erhöhen den Bedarf an kritischer Medienbildung, so Stefanie Mayer vom Institut für Konfliktforschung (IKF). Sie war eine der Referent*innen bei der Abschlusskonferenz des Forschungsprojektes „3G: gesehen, geprüft, gekontert“ am 18. April 2024 im Kammersaal der Wiener Urania. Ausgehend von diesem Problemaufriss untersuchte das Forscher*innenteam rund um Mayer von 2022 bis April 2024 die Wiener Erwachsenenbildung mit der Frage, wo und wie die Vermittlung von kritischen Medienkompetenzen stattfinden kann. Am Tag der Konferenz bekamen nicht nur die Forschungsergebnisse Raum, sondern auch Stimmen aus der erwachsenenpädagogischen Praxis, die ihre Erfahrungen und Ansichten mit den Anwesenden teilten.

Kritische Medienbildung gelingt durch gemeinsames Lernen vor Ort

Der Forschungsschwerpunkt des Projekts lag insbesondere auf niederschwelligen Erwachsenenbildungsangeboten, welche kritische Medienkompetenz vermitteln. Mayer, die auch Leiterin des Projekts war, schilderte die Ergebnisse aus Befragungen und Workshops mit Akteur*innen der Wiener Erwachsenenbildung: 

Erwachsene erlernen kritische Medienkompetenz, indem sie digitale Medien nutzen und dabei zur kritischen Reflexion angestoßen werden, so Mayer. Nachhaltige Lernerfolge würden vor allem dann entstehen, wenn Erwachsene kollektiv in analogen Lernräumen, also gemeinsam vor Ort, lernen. Sich zu sehr auf digitales und individualisiertes Lernen zu konzentrieren, sei nicht zielführend, um kritische Bildung zu vermitteln. Außerdem sei der (informelle) Austausch ein zentrales Element des Lernprozesses, ergänzt Mayer.

Medienbildung braucht informelle Lernorte und eine gesicherte Infrastruktur

Um die Vermittlung kritischer Medienkompetenz nachhaltig zu sichern, brauche es Planungssicherheit und Kontinuität sowie eine gesicherte Infrastruktur, so Mayer weiter. Das Forschungsteam rät, dass Politiker*innen genug Ressourcen dafür bereitstellen sollten. Akteur*innen der Erwachsenenbildung sowie die Politik müssten nicht nur die Diversität der Lehrenden und Lernenden anerkennen, sondern auch die Vielfalt der Lernorte. Denn Medienbildung finde nicht nur in der formalen Erwachsenenbildung statt, sondern auch an informellen Lernorten, wie beispielsweise über Community Medien, zu denen etwa die Redaktionen von freien Radios zählen. Mayer empfiehlt außerdem, Strategien der Barrierefreiheit – die im Endeffekt allen zu Gute kämen – strukturell zu implementieren.

Projekt Frauen*stimmen: Beispiel für geeignete Lernräume

Marlene Haider schilderte aus ihrer pädagogischen Praxis im Rahmen der Podiumsdiskussion zwischen Erwachsenenbildner*innen. Sie ist Erwachsenenbildnerin im Projekt „Podcast Frauen*stimmen“, in welchem die Teilnehmerinnen einzelne Episoden inhaltlich und technisch selbst gestalten. Frauen mit Migrationshintergrund lernen im Podcast Frauen*stimmen nicht nur, wie sie technische Geräte funktional anwenden können, sondern sprechen beim Beobachten und Anwenden über Themen, die im öffentlichen Diskurs weniger Gehör finden, wie z.B. die Erfahrung als Geflüchtete auf dem österreichischen Arbeitsmarkt (nicht) Fuß fassen zu können. Der Podcast gibt Frauen eine Stimme und schafft gleichzeitig Bewusstsein dafür, wer in Medien hauptsächlich präsent ist. „Da werden auch Räume für kritische Auseinandersetzungen mit sich und der Umwelt eröffnet“, so Haider. 

Räume für Austausch und kritisches Nachdenken schaffen

Gerhild Ganglbauer vom lernraum.wien betont, dass (digitale) Exklusionsmechanismen für Menschen mit Basisbildungsbedarf deutlich spürbar seien. Außerdem verlaufe die Digitalisierung so rasant, dass auch Erwachsenenbildner*innen in Sachen Didaktik und Methodik nicht nachkommen, so Ganglbauer und auch Beraterin Alisa Cela-Goldgruber. Ausschlüsse seien damit vorprogrammiert. 

Genau wegen dieser Ausschlüsse brauche es eine Infrastruktur, die kritische Medienbildung überhaupt erst ermöglicht, so die Referentinnen. Es fehlen Orte für einen Austausch zwischen Erwachsenenbildner*innen und breitflächige sowie erreichbare Räume, um Medienkompetenz zu vermitteln. „Wir müssen Möglichkeiten schaffen, damit die Menschen nicht den Anschluss verlieren“, bringt Ganglbauer ein. Denn es sind die Räume, die das Moment einer kritischen Reflexivität im Umgang mit Medien eröffnen. „Davon haben wir aber leider zu wenig“, sind sich die Basisbildner*innen einig. 

Über die Studie

Im Jahr 2022 startete das Forscher*innenteam die Studie mit einer Bestandsaufnahme. Dafür interviewte das Team Akteur*innen der Wiener Erwachsenenbildung und erhob die Erfahrungen aus Theorie und Praxis. Im zweiten Schritt sammelten die Wissenschaftler*innen nationale und internationale Best-Practice-Beispiele. Schließlich erarbeitete das Team gemeinsam mit Expert*innen der Erwachsenenbildung Empfehlungen an Politik und Bildungseinrichtungen, wie kritische Medienbildung nachhaltig vermittelt werden können.

Mehr über kritische Medienkompetenz auf erwachsenenbildung.at

Wenn Sie sich näher über kritische Medienkompetenz informieren möchten, lesen Sie im Dossier „Kritische Medienkompetenz“ über Konzepte, Rahmenbedingungen, Daten und Fakten oder Vernetzungsplattformen für Erwachsenenbildner*innen zu diesem Thema. In Texten und Videos erfahren Sie etwa, was Erwachsenenbildung tun kann, um Erwachsene im Umgang mit Fake News zu unterstützen. Weiters stellt die Nachrichtenreihe "Kritische Medienkompetenz" aktuelle Nachrichten und Hintergrundinformationen zum Thema zusammen.

Auch in der Rubrik DigiProf finden Sie verschiedenste Inhalte und Formate zu kritischer Medienkompetenz, etwa unter den Neuigkeiten, in der Mediathek oder in der KI-Serie „unboxing AI for AE“, eine Webinarserie zur Anwendung und Reflexion von KI-Tools in der Erwachsenenbildung.

Weitere Informationen:
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