Erinnerungskultur des Zweiten Weltkriegs mit Fokus auf Zirkusgeschichte

27.08.2021, Text: Johanna Prantz (Memory - Wiener Zirkus im Nationalsozialismus), Judith Mantler (Basis.Kultur.Wien), Redaktion: Jennifer Friedl, Redaktion/CONEDU
Das Projekt Memory beschäftigt sich mit den Schicksalen von ZirkusartistInnen im nationalsozialistischen Wien. Die Angebote sind – wie damals der Zirkus – für alle zugänglich.
Die Biografien werden in kleinen Performances umgesetzt, welche das Publikum in Kleingruppen zu historischen Orten des Zirkus führen.
Foto: Alle Rechte vorbehalten, Memory, https://www.circusmemory.wien
In einem von SHIFT geförderten Projekt befassen sich zeitgenössische Wiener KünstlerInnen mit der Zirkusgeschichte Wiens während des Zweiten Weltkrieges.

Memory vereint Wissenschaft und Zirkuskunst

Die KünstlerInnen machen sich mit den historisch recherchierten Biografien und Einzelschicksalen von in der NS Zeit verfolgten KünstlerInnen vertraut und beschäftigen sich mit den damals bedeutendsten festen Zirkusgebäuden in Wien, die ein wichtiger Bestandteil des Wiener Stadtbildes waren.

 

Die Biografien werden in kleinen Performances umgesetzt, welche das Publikum in Kleingruppen zu historischen Orten des Zirkus führen. Die Orte haben einen direkten Bezug zum Leben der verfolgten KünstlerInnen, da es sich dabei um direkte Auftrittsorte und damals wichtige Treffpunkte der ArtistInnenszene handelt, die in historischen Quellen genannt bzw. in Forschungsmaterial gefunden wurden.

 

Zeitgleich wird im Gebäude von „TRAP - Verein zur Förderung des zeitgenössischen Zirkus, der Artistik und der darstellenden Künste" eine Ausstellung gezeigt, welche die Recherche und Geschichte über Zirkus im Nationalsozialismus wiedergibt. Diese besteht zu Teilen aus einer bereits bestehenden Wanderausstellung der Projektgruppe CiNS. Diese Ausstellung berichtet über Zirkus im Nationalsozialismus in Deutschland. Memory erweitert die Ausstellung mit einem Teil zu der Geschichte in Österreich.

Grundlagenforschung zur Aufarbeitung der Zirkusgeschichte

Was Memory besonders macht, ist die Verbindung von Wissenschaft und Kunst. Aus akademisch wissenschaftlicher Perspektive wurden Informationen zur Ausstellung und die historischen Hintergründe der Einzelschicksale von Verfolgten recherchiert und Informationen gesammelt, verglichen und zusammengefasst.

 

Zirkusgeschichte ist ein nicht etabliertes Forschungsgebiet. Es gibt wenige Orientierungspunkte und Quellen sind in ganz Europa verstreut. Die Recherche zeigte sich für die wissenschaftliche Leitung des Projekts als eine Herausforderung. Zusätzlich waren durch die Corona-Maßnahmen Archive und auch viele Bibliotheken für lange Zeit geschlossen.

 

Dank hilfsbereiter MitarbeiterInnen von Bibliotheken, der Unterstützung von spezialisierten Archiven und ExpertInnen war es Memory dennoch möglich, erfolgreich Grundlagenforschung zu betreiben.

Künstlerische Intervention unterstützt die Erinnerungskultur

Der Zirkus geht über unsere Kindheitserinnerungen von Zelt, Akrobatik und Clownerie hinaus. Er kann als ein eigener Mikrokosmos bezeichnet werden, der außerhalb der Gesellschaft existiert. Es wurde eine kosmopolitische Lebensweise gewählt, in der Kunst und Fähigkeiten im Vordergrund standen und nicht Herkunft oder Religion einer Person.

 

Der Zirkus war das Massenentertainment des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts und wurde deshalb von den Nationalsozialisten als große Propagandamöglichkeit gesehen, da in kürzester Zeit Einfluss auf alle Gesellschaftsklassen genommen werden konnte. Da die Zirkuswelt aber häufig aus jüdischen Familien und Minderheiten bestand, wurde dieser erst durch die Nationalsozialisten arisiert. Zirkusfamilien, die seit Jahrzehnten existierten, waren von Verfolgung, Verhaftung und letztendlich auch Vernichtung bedroht.

 

Forschende analysierten den Zirkus hauptsächlich auf seine künstlerische und theatrale Entwicklung, der historischen und kulturellen Einfluss erhielt jedoch nur wenig Aufmerksamkeit. Dies ist einer der Gründe, warum der Zirkus noch nicht in die Erinnerungskultur integriert wurde.

Bewegungs- und Textimprovisation als Erarbeitungsstil

Der Erarbeitungsstil der Performances kann als Bewegungs- und Textimprovisation bezeichnet werden. Die PerformerInnen machten sich mit dem Inhalt der Lebensläufe vertraut. Teilweise wurden durch Improvisation Bewegungen und Abläufe anhand dieser Inhalte von den KünstlerInnen selbst erarbeitet. Die kreativen Prozesse wurden durch den Input, der durch wissenschaftliche Beratungen und Feedback-Sessions mit der künstlerischen Leitung und den KünstlerInnen untereinander entstand, weiterentwickelt.

 

Durch die künstlerische Intervention auf der Straße soll die Erinnerungskultur auch direkt zum Publikum gelangen und Neugierde erwecken, sich mehr mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Das Bild von „Zirkus" wird im Projekt aufgebrochen und neu besetzt. Mit der Ausstellung erhalten Interessierte zudem die Möglichkeit, sich mit dem historischen Kontext auseinanderzusetzen und sich vertiefend mit dem diesem Abschnitt der Geschichte vertraut zu machen.

 

Ausstellungsdauer: bis 18. September, täglich bis 22 Uhr

Ort: Trainingszentrum Rappachgasse (TRAP), Rappachgasse 26, 1110 Wien

Eintritt frei

 

Streifzüge mit Performances

  • Samstag, 28. August, 11 Uhr
  • Sonntag, 5. September, 17 Uhr
  • Sonntag, 12. September, 17 Uhr
  • Freitag, 17. September, 9.30 Uhr & 12.00 Uhr (Angebot für Schulen)
 

Treffpunkt: Prater (1020), beim Planetarium, Oswald-Thomas-Platz 1
Anmeldung: www.circusmemory.wien

Weitere Informationen:
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