"Es geht schließlich um pädagogische Verantwortung"
Angebotsqualität im Spannungsfeld der Interessen
Elke Gruber von der Universität Graz eröffnete die Enquete und ging nach der Begrüßung sogleich in medias res: Angebotsqualität. Was zeichnet ein gutes erwachsenenbildnerisches Angebot aus? Wie soll, wie darf es beworben werden, gibt es Grenzen, und wenn ja, wer setzt sie? Ist der finanzielle Erfolg des Unternehmens ebenso wichtig wie die pädagogische Qualität? Wer entscheidet das, und wie beurteile ich die Zufriedenheit der TeilnehmerInnen? Ein dichtes, miteinander verwobenes und direkt aufeinander bezogenes Themenfeld, das zu einem guten Teil den Alltag jeder Programmplanerin und jedes Programmplaners bildet und von der unternehmerischen Leitung über die TrainerInnen bis natürlich hin zu den Teilnehmenden alle beschäftigt und betrifft.
Programmplanung ist das Aushandeln von Möglichkeiten
Bernd Käpplinger von der Universität Gießen näherte sich dem Thema mittels dreier Leitfragen: Sind Ankündigungstexte nur Werbetexte, die sich allein an Bildungsinteressierte wenden? Lesen die Menschen heute Texte anders oder oberflächlicher? Und: Welche Orientierungen und Irritationen bieten verschiedene Modelle der Programmforschung an? Gleich zu Beginn lud er deshalb die Anwesenden ein, an einer Online-Umfrage teilzunehmen.
Woran macht man ein gelungenes Programm vor allem fest?
Verschiedene Optionen standen bei der Umfrage zu dieser Frage zur Auswahl, wie eine gute Auslastung der Kurse oder eine hohe Zufriedenheit der Teilnehmenden, die erwartungsgemäß bei der gegen Ende des Vortrags präsentierten Auswertung an erster Stelle standen. Aber auch Erfolgsmarker aus Sicht der Lernenden wie Zielerreichung und Lernerfolg folgten fast gleichauf. Erst an fünfter Stelle der Umfrageergebnisse wurde der Aspekt des finanziellen Erfolgs der Einrichtung gereiht. Am unteren Ende der Skala rangierten Themen wie die Zufriedenheit der Finanziers, der Kooperationspartner oder auch der Planenden und Lehrenden selbst. An der "Mentimeter"-Umfrage beteiligten sich immerhin etwa 60 Prozent der anwesenden Personen.
Ankündigungstexte für Programme sind mehr als Werbetexte
Im Blickpunkt des Interesses stand auch die Frage, wie ein gelungener Ankündigungstext aussehen solle und könne. Mittels einiger Beispiele wurde dargelegt, dass selbst ein Text, der voll und ganz den Werbekriterien gemäß AIDA-Formel (Attention - Interest - Desire - Action, also: Aufmerksamkeit gewinnen - Interesse wecken - Verlangen hervorrufen - zur Handlung verführen) entspricht, missverstanden werden kann bzw. auch von Personen rezipiert wird, die keine Kundinnen und Kunden sind und andere Interessen verfolgen.
Das Rezeptionsverhalten ist selektiver geworden
Aber auch das Leseverhalten sei Veränderungen unterworfen, und Methoden wie "Eye-Tracking" verdeutlichen, dass längst nicht alle Teile und Bereiche eines geschriebenen Textes gelesen bzw. überhaupt wahrgenommen werden. D.h. Informationen, auch wenn sie da sind, kommen beim Lesenden womöglich gar nicht erst an. Das Rezeptionsverhalten an sich habe sich - nicht zuletzt durch die Digitalisierung - verändert, sei sprunghafter und selektiver geworden und leicht von Ablenkungen bedroht.
Können Programmplanungs-Modelle Orientierungshilfen sein?
Aber es bleibt natürlich nicht beim Verfassen von Texten allein, wenn es um Angebotsplanung geht. Ein Modell (Gieseke, 2000) zeichnet das äußerst komplexe Bild vernetzten Planungshandelns, in dem die verschiedensten Aspekte berücksichtigt werden und ineinander greifen, seien es nun Trends, die Ansprüche des Arbeitsmarktes, die Medien und die Forschung, aber auch das regionale Umfeld, die Parteien und Vereine, neben vielen anderen Aufgaben wie Zielgruppengewinnung, Kostenkalkulation oder Bedarfserhebung.
Ein anderes Modell (Cervero/Wilson 1994) konzentriert sich im Wesentlichen auf vier zentrale Faktoren der Programmplanung, nämlich Macht, Interessen, Verhandlung und Verantwortung und streicht heraus, dass diese Tätigkeit immer auch eine politische sei. Das Modell von Sork (2000) wiederum beruht auf drei Domänen: der technischen, der sozial-politischen und der ethischen.
Welchem Modell man sich auch am ehesten anschließen möchte, in einem waren sich die TeilnehmerInnen einig: Programmplanung ist ein überaus komplexer und verantwortungsvoller Vorgang und birgt auch einige Unwägbarkeiten. Denn: Am Ende entscheiden die AdressatInnen, was und wie angekommen ist.
Was heißt das nun konkret für die ErwachsenenbildnerInnen?
Verschiedene Fragen wurden im Anschluss an den Vortrag von Käpplinger in Kleingruppen diskutiert: Welche Interessenskonflikte werden tagtäglich in der Arbeit erlebt? Welche tauchen auf beim Verfassen von Ankündigungen oder Erstellen von Programmen? Was oder wer entscheidet bei Konflikten: die Hierarchie, die Auftraggeber, die "Märkte"? Oder das professionelle Tun, externe Standards, der "gesunde Menschenverstand"? Über welche Kompetenzen müssen ProgrammplanerInnen verfügen, und welchen Stellenwert nimmt die persönliche Haltung ein? Diese und etliche weitere Aspekte kamen in den Kleingruppen und in der von Johanna Weismann moderierten Großgruppe zur Sprache, und eines war offensichtlich: Diese Fragen beschäftigen jede und jeden.
Auf die (pädagogische) Haltung kommt es an
Am Nachmittag wurden dann jeweils zwei Personen von der Moderatorin Sabine Pelzmann auf die Bühne gebeten, um gemeinsam Antworten auf Fragen wie "Ist der Kunde König?" oder was TeilnehmerInnen in Bildungsveranstaltungen lernen sollen, zu finden. Auch das Thema Steuerung mittels Förderkriterien wurde angesprochen, und das Publikum konnte sich jeweils zu Wort melden. Auch wenn vieles in der Kürze nicht umfassend zu beantworten war, wurden dennoch viele Stimmen und Meinungen gehört. Und eines war klar: Wirtschaftliche und unternehmerische Interessen sind ebenso abzuwägen wie gesellschaftliche, demokratische und pädagogische Ansprüche. Die Kunst besteht darin, im Sinne der TeilnehmerInnen bestmögliche Optionen auszuhandeln. Denn letztlich geht es immer um das Individuum, eine qualitätsvolle Bildung und Unterstützung der Lernprozesse, darin waren sich alle einig.
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