Wie Community Medien kritische Medienkompetenz fördern
Digitale Kompetenz bzw. Medienkompetenz ist in den letzten Jahren zu einem allgegenwärtigen Schlagwort geworden. „Dies ist nicht zuletzt auf die problematischen Effekte der dominanten kommerziellen Social Media Plattformen zurückzuführen", so Peissl. Das Thema erhält derzeit viel Aufmerksamkeit bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Bildungsangebote für Erwachsene sind jedoch rar gesät. Angesichts aktueller Phänomene wie Hate Speech, Filterbubbles oder Fake News ist es allerdings an der Zeit, Medienkompetenz als wichtige Kompetenz für alle Altersgruppen zu fördern und deren Vermittlung vor allem auch als Aufgabe der Erwachsenenbildung zu verstehen.
Das Konzept der Kritischen Medienkompetenz
Das Konzept der Medienkompetenz umfasst nach Dieter Baacke (1997) die Aspekte Medienkritik, Medienkunde, kritische Reflexion der eigenen Mediennutzung und Mediengestaltung. Dieses Konzept dient im deutschen Sprachraum bis heute als wichtige Referenz, wie Helmut Peissl erklärt. „Angesichts des Medienwandels müsste das Konzept aber noch um die Aspekte Datenbewusstsein und Privacy erweitert werden."
Gerade die eigene Medienproduktion hilft dem Experten zufolge bei der Entwicklung einer kritischen Medienkompetenz. Und diese wird durch die Digitalisierung immer wichtiger – im Web 2.0 können alle mitgestalten. Nichtkommerzielle Community-Medien wie etwa Freie Radios und Community TVs verfolgen solche Mitmach-Ansätze schon seit Jahren. Engagierte Menschen gestalten dort – oft auf ehrenamtlicher Basis – eigene Programme und Sendungen.
Community Medien als Lernräume
Viele Menschen finden auf Eigeninitiative zu den Freien Medien, sagt Carla Stenitzer. Sie ist selbst seit 2009 im Feld tätig und leitet den Ausbildungsbetrieb des Freien Radios „Radiofabrik" und des Community TV-Senders „FS1". Auslöser, sich zu engagieren, sind laut Stenitzer beispielsweise private Umbrüche oder politische bzw. mediale Ereignisse – etwa der Umfang mit oder die Darstellung von bestimmten Gruppen oder Ansichten. „Häufig spielt hier eine persönliche Betroffenheit eine Rolle."
In Österreich konnte die Möglichkeit, legal als nichtkommerzielles Radio senden zu dürfen, erst nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gegen das Rundfunkmonopol ab 1993 durchgesetzt werden, wie Helmut Peissl erzählt. Im Jahr 1998 gingen die ersten Freien Radios auf Sendung und begannen sich damit – neben öffentlich-rechtlichem und kommerziellem Rundfunk – als dritter Rundfunksektor zu etablieren. Derzeit sind in Österreich 17 nichtkommerzielle Rundfunkstationen aktiv, davon 14 Radiosender und 3 TV-Sender.
Kritische Medienkompetenz durch aktives Medienhandeln fördern
Stenitzer zufolge verändert sich die Medienwahrnehmung vieler SendungsgestalterInnen durch die eigene Medienproduktion. „Das Wissen darüber wie Medien produziert werden, ermöglicht auch die Auseinandersetzung mit der Gestaltung ‚fremder' Medieninhalte." So käme es immer wieder zu ‚Aha-Momenten', wenn sich Menschen beispielsweise plötzlich bewusst würden, dass es kein Zufall ist, wenn bei bestimmten TV- oder Radio-Formaten alle Befragten eine (Scherz-)frage falsch beantworten – sondern dass es sich um eine ganz bewusste Auswahl im Schnitt handelt, was in der fertigen Sendung zu hören ist.
„Es kommt unseren Beobachtungen nach also nicht nur zu einer technischen, sondern auch zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit Medien", fasst Carla Stenitzer zusammen. „Natürlich muss gesagt werden, dass diese Aspekte von Person zu Person unterschiedlich ausgeprägt sind und auch damit zusammenhängen, wie stark Personen die Möglichkeiten der Freien Medien wahrnehmen."
Wie Erwachsenenbildung Medienkompetenz fördern kann
Beide ExpertInnen betonen, dass es angesichts aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen dringend notwendig sei, kritische Medienkompetenz vor allem im Erwachsenenbildungsbereich vermehrt zu fördern. „Hier niederschwellige Bildungsangebote für alle Generationen zu gestalten ist eine Herausforderung für alle engagierten Menschen im Bildungsbereich", so Helmut Peissl.
Vor allem die Produktion eigener Medien helfe den TeilnehmerInnen, das eigene Medienhandeln kritisch zu hinterfragen und einen anderen Blick auf fremde Medienprodukte zu gewinnen. Potential bieten Carla Stenitzer zufolge Kooperationen zwischen Einrichtungen der Erwachsenenbildung und Freien Medien – etwa in Form von Workshops, bei denen TeilnehmerInnen eigene Radiosendungen oder Podcasts gestalten.
Vorschau: Kritische Medienkompetenz und Erwachsenenbildung zum Nachlesen
Im Herbst 2018 erscheint eine neue Publikation in der Reihe „Dossier erwachsenenbildung.at", die sich mit kritischer Medienkompetenz, Erwachsenenbildung und Community Medien beschäftigt. Das umfangreiche Dossier wird online sowie unter der freien Lizenz CC BY als E-Paper (PDF) sowie als E-Book (EPUB, MOBI) kostenlos zum Download verfügbar sein.
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