Ö-Cert-Enquete: Qualität fordert heraus

01.02.2018, Text: Birgit Aschemann, Redaktion/CONEDU
Rund 160 BildungswissenschaftlerInnen, -planerInnen und -praktikerInnen widmeten sich am 30.1.2018 in der Salzburger Residenz den anstehenden Zukunftsfragen zur Qualität in der Erwachsenenbildung.
Mitglieder der Akkreditierungsgruppe, die Leiterin der Geschäftsstelle (li) und Josef Schrader vom DIE (2. v. r.)
Foto: CC BY, CONEDU, auf erwachsenenbildung.at

Ö-Cert als Erfolgsgeschichte

Von Dezember 2011 bis Dezember 2017 wurde das Gütesiegel Ö-Cert bislang an 1193 Bildungsanbieter und deren Zweigstellen vergeben. Viele von ihnen sind auf Basis von ISO 9001 oder auf Basis von LQW akkreditiert. Eine Evaluation von Ö-Cert wurde 2017 durchgeführt und wird im März 2018 veröffentlicht. Sie belegt, dass 93% der befragten Bildungsanbieter mit Ö-Cert sehr zufrieden bzw. zufrieden sind. Elke Gruber, Vorsitzende der Ö-Cert-Akkreditierungsgruppe, fasste die zentralen Leistungen der letzten Jahre zusammen. Dass mindestens eine pädagogisch qualifizierte Person in einer akkreditierten Einrichtung beschäftigt sein muss, um das Siegel zu bekommen, gehört dazu. Die Abgrenzung der Erwachsenenbildung gegenüber Angeboten im Bereich von Therapie, Freizeit, Esoterik und Gesundheit ist eine weitere wichtige Errungenschaft. Nun bringen aktuelle Trends wie Ökonomisierung und Digitalisierung neue Herausforderungen mit sich, die sich auch in der Ö-Cert-Akkreditierung zeigen.

Digitalisierung bringt Grundsatzfragen

Was bedeutet etwa die zunehmende Digitalisierung für Ö-Cert? Eine erste (noch unveröffentlichte) Studie am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft der Universität Graz zeigte: es gibt zwar trotz zunehmender digitaler Bildungsangebote keine akuten Widersprüche zum aktuellen Ö-Cert. Einige Themen werden jedoch infolge der Digitalisierung neu zu klären sein. Unter anderen stellt sich bei digitalen Formaten die Frage neu, was denn ein "Bildungsangebot" ist und was ein "Durchführungsort". Auch wie digitale Angebote anzurechnen sind - und wie sie gefördert werden können – ist zu klären. Ob die Digitalisierung zwangsläufig auch den Bildungsbegriff verändert, stand mit einem Fragezeichen im Raum. Klar ist, dass diese Fragen auch im Kontext von Ö-Cert weiter diskutiert werden, wie Elke Gruber betonte.

Qualität als Haltung und Diskurs

Qualität als professionelle Verantwortung hat jedenfalls eine ethische Dimension. Die Anerkennung der Menschenrechte und ein offener Bildungszugang sowie das Engagement für Demokratie und Antirassismus sind daher auch die Basis für eine Akkreditierung nach Ö-Cert. Aber genügt es, diese Werte zu deklarieren? Und wenn nein, wer will die Umsetzung prüfen? Macht Qualitätssicherung also vor den Türen der Kursräume halt?

 

Dieter Gnahs und Erich Ribolits von der Ö-Cert-Akkreditierungsgruppe betonten: Qualität im Lehr-Lenrnprozess hat viel mit der Haltung der Lehrenden zu tun und ist kein Ergebnis von Checklisten. "Ich kann den demokratischsten Inhalt autoritär vermitteln, und die TeilnehmerInnen werden lernen, autoritär zu sein", verdeutlichte Ribolits. Die Entwicklung einer entsprechenden Haltung braucht den persönlichen Dialog und ein reflexives Element, wie es beispielsweise in der wba gegeben ist. Für Ö-Cert als Rahmenmodell ist das schwerer umzusetzen, so Ribolits weiter.

Lücken in der Qualitätssicherung

Josef Schrader, Wissenschaftlicher Leiter am Deutschen Institut für Erwachsenenbildung, lieferte einen rasanten Rückblick und Problemaufriss. Steuerungsstrategien zur Weiterbildung in den letzten Jahrzehnten waren rechtliche Reglementierung, Professionalisierung und Qualitätsmanagement. Mit dem gezielten Qualitätsmanagement haben sich organisationale Strukturen und Prozesse verbessert, aber Lehr-Lernprozesse wurden weitgehend ausgeklammert. Auch Lern- oder Transfererfolge werden bisher kaum erfasst. Die Professionalität des Personals sei eine Leerstelle. Nur Anerkennungs­systeme für ErwachsenenbildnerInnen wie AdA in der Schweiz, die Weiterbildungsakademie wba in Österreich und bald auch das deutsche Modell GRETA nehmen sich dieser Leerstelle an.

Professionalisierungsbedarf und -bedingungen

Mehrfach wurde auf der Tagung der Wunsch nach Qualitätssicherung des Personals laut. Dabei zeigt der wb-personalmonitor 2016 deutlich: für Weiterbildungseinrichtungen geht es bei der Rekrutierung von Lehrkräften vorrangig um Sozialkompetenz, Loyalität gegenüber der Einrichtung und Flexibilität. Fachliche Qualifikationen kommen erst hinterher.

 

Für Professionalitäts-Entwicklung sind auch die Bedingungen schwierig. Genaueres schilderte Schrader anhand des wb-personalmonitor: demnach sind (in Deutschland) rund 12% der ErwachsenenbildnerInnen über 65 Jahre alt, nur rund 41% sind in der Erwachsenenbildung haupterwerbstätig, und fast 57% arbeiten auf Honorarbasis. Überwiegend handelt es sich um Frauen – "mit einem Gehalt von dem man einmal am Tag warm essen kann, und wenn man einen Partner in einem vergleichbaren Beruf hat dann auch zweimal", so Schrader. Das erschwert die Weiterbildung.

Offene Fragen der Bildungsanbieter

Im Publikumsdialog wurden auch Bildungsanbieter nach ihrer Problemsicht gefragt. Unmittelbar kam die geringe öffentliche Finanzierung des Weiterbildungssektors zur Sprache. Auch aktuelle sozialversicherungsrechtliche Bestimmungen machen den Anbietern Sorgen. Dass die Erwachsenenbildung nicht oder nur marginal im Regierungsprogramm vorkommt, irritiert zusätzlich: Wenn Erwachsenenbildung nur unter Marktaspekten wahrgenommen wird und nicht Gegenstand von Programmen ist – kann sie dann mehr sein als Zurichtung zur Brauchbarkeit?

Gütesiegel, Umsatz und KundInnen-Zufriedenheit

Am runden Tisch waren unter dem Motto "Ö-Cert 2025" zwei VertreterInnen von Ö-Cert und drei Ö-Cert-akkreditierte Anbieter-Vertreterinnen versammelt. Petra König vom Bildungshaus St. Hippolyt, Angelika Leitich von der BAUAkademie Lehrbauhof Salzburg und Renate Woerle vom WIFI Salzburg betonten, dass in der Praxis auch Umsatzzahlen und KundInnen-Zufriedenheit wichtig sind. Aus Anbietersicht ist es ein Wunsch an Ö-Cert, Qualität anzuerkennen und keine zusätzlichen Hürden zu bauen. Gleichwohl sei Ö-Cert förderpolitisch bedeutsam.

Qualität bleibt zentral

Dass die Erwachsenenbildung nach Teilnehmenden, Organisationen und Beschäftigten den größten Bildungssektor ausmacht, ist in der öffentlichen Debatte kaum präsent. Auch wenn das keine Abbildung in Fördergeldern findet, ist die Erwachsenenbildung also kein beiläufiger Nebenschauplatz, und ihre Qualität hat große praktischer Bedeutung. Dazu Regina Barth, Leiterin der Abteilung Erwachsenenbildung im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung: "Die Erwachsenenbildung als dritte Säule neben Schule und tertiärer Bildung kann nur auf Basis eines gemeinsamen Qualitätsverständnisses gelingen, wie es mit Ö-Cert verwirklicht ist".

 
Weitere Informationen:
 
Quelle: EPALE E-Plattform für Erwachsenenbildung in Europa

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