Lernorientierte Regionalentwicklung: Von individuellem zu regionalem Lernen
Vom Umgang mit dem Wissen der BewohnerInnen
Jede Region hat aufgrund ihrer natürlichen und kulturellen Gegebenheiten aber auch des Wissens der BewohnerInnen ihre Stärken, Besonderheiten und Eigenheiten, die ihre besondere Charakteristik ausmachen. In jeder Region ist verschüttetes Wissen vorhanden. Wird es sichtbar, ist es von ungemeinem Nutzen für die Menschen, die dort leben - aber auch für die Region als Ganzes.
Damit eine zukunftsfähige Entwicklung der Lebensqualität möglich ist und ländliche Regionen wettbewerbsfähig bleiben, ist solch spezifisches Wissen erforderlich. Wie in Unternehmen, so bildet auch in Regionen und für AkteurInnen der Regionalentwicklung die Nutzung vorhandenen Erfahrungswissens ein wichtiges, oft unterschätztes Potenzial.
Lernen als Grundlage der Regionalentwicklung
Nicht nur der Anpassungsdruck ländlich-peripherer Regionen im globalen Wettbewerb ist verantwortlich dafür, dass regionales Lernen an Bedeutung gewinnt. Auch der Trend zur Beteiligung der BürgerInnen bei politischen Entscheidungen bedingt neue Formen der Kooperation und des kollektiven Lernens.
Der Regionalforscher Martin Heintel und die Bildungswissenschafterin Helga Fasching verstehen unter Lernorientierung die grundsätzliche Veränderungs- und Innovationsbereitschaft im Rahmen regionaler Entwicklungsmaßnahmen. Die Handlungsfähigkeit der BewohnerInnen wird durch die Entwicklung ihrer kommunikativen Kompetenzen erweitert und sie werden ermächtigt, die Verantwortung für die Entwicklung ihres Lebensumfeldes selbst zu übernehmen.
In kollektiven Lernprozessen eine gemeinsame Zukunft entwickeln
Voraussetzung für die Kompetenzentwicklung von Individuen und Gruppen ist die Herstellung von kollektiven Lernprozessen, so Heintel und Fasching weiter. Dabei geht es um Vertrauensbildung unter den AkteurInnen, die gemeinsam die Zukunft ihrer Region im Sinne einer „Regional Governance“ entwickeln.
Dies passiert beispielsweise in regionalen Leitbildprozessen, finanziert durch regionale Förderprogramme wie z.B. das EU-Förderprogramm für ländliche Regionen (LEADER).
Die BewohnerInnen erarbeiten in einem moderierten Lernprozess ein gemeinsames Verständnis ihrer Region und leiten daraus Themenbereiche und Projekte ab, mit denen sie die Region in den kommenden Jahren weiter entwickeln wollen.
In „Lernenden Regionen“ vernetzen sich Bildungseinrichtungen mit regionalen Institutionen und Unternehmen und fördern Lebenslanges Lernen nach bedarfsgerechten Kriterien. Wird dieser Prozess teilnehmerInnenorientiert umgesetzt, so entsteht echte Beteiligung der Bevölkerung.
Kollektive Handlungsfähigkeit durch Verbindung von Community Education & Citizenship Education
Regionale Partnerschaften, wie sie im Zuge des Programms Lernende Regionen pilothaft erprobt wurden, liefern der Erwachsenenbildung relevante Impulse für die Programmplanung. Thematisch lassen sich aus den regionalen Besonderheiten und dem Wissen der BewohnerInnen Angebote ableiten.
Andererseits kann man wiederum mit Erwachsenenbildung Menschen im Sinne einer sowohl „Community Education“ als auch „Citizenship Education“ ermutigen, ihr Wissen und ihre Talente einzubringen.
Das ist Erwachsenenbildung in einem gelingenden Miteinander. Nicht Kompetenzkataloge und Qualifikationsanforderungen sind hier Maßstab, sondern das, was die Menschen betrifft, fordert und fördert.
Was ist also der Benefit von Lernen in der Region? Menschen, die nicht das Gefühl haben, dass sie „denen da oben“ egal sind, sondern deren Bedürfnisse wahrgenommen werden. BewohnerInnen, die etwas anfangen können mit der Gegend, in der sie leben. Und Bildungsanbieter, die mit dem guten Gefühl für ihr Angebot werben, etwas wirklich Relevantes geschaffen zu haben.
- Bärnthaler, Christine / Marchner, Günther 2013: Handbuch Wissen schafft Region. Wie ländliche Regionen mit Ausbildungs- und Forschungseinrichtungen zusammenarbeiten können: Ein Kooperationsmodell zur Stärkung der Innovationskraft ländlicher Regionen, Lebensministerium (Hrsg.), Wien.
- Erler, Ingolf / Kloyber, Christian (2013): Community Education. Konzepte und Beispiele der Gemeinwesenarbeit.
Magazin erwachsenenbildung.at, Ausgabe 19, 2013 - Heintel, Martin / Fasching, Helga (2011): Lernende Regionen. Theoretische Grundlagen und praktische Beispiele einer lernorientierten Regionalentwicklung. Grazer Schriften der Geographie und Raumforschung, Band 46/2011, S. 177-188.
- Lang, Siglinde / Zobl, Elke (2013): Über kollaborative Wissensproduktion und partizipative Lernprozesse zu zivilgesellschaftlicher Mitbestimmung.
Magazin erwachsenenbildung.at, Ausgabe 19, 2013 - Lernende Regionen in Österreich
- Regionalentwicklungsprogramm LEADER in Österreich
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