Über 900 Ö-Cert Akkreditierungen binnen 2 Jahren

14.02.2014, Text: Wilfried Hackl (seit 2016: Wilfried Frei), Redaktion/CONEDU
Qualitätsrahmen für Erwachsenenbildung "Ö-Cert" will Professionalität stärken und hält anlässlich des zweijährigen Bestehens den Bildungsbegriff hoch.
Ö-Cert Enquete, 02.12.2013, Publikum
Grosse Beteiligung an Diskussion der Akkreditierungskriterien von Ö-Cert
Foto: Petra Steiner
Qualität und Qualitätsentwicklung zählen zu den zentralen Themen der Bildungspolitik. Mit dem Ö-Cert wurde von Bund und Ländern ein Qualitätsrahmen für Erwachsenenbildungsanbieter geschaffen, der zur weiteren Professionalisierung in diesem Feld auf Basis gemeinsamer Standards und österreichweiter Anerkennung beiträgt. Zwei Jahre nach seiner Einführung wurden das neue Qualitätssiegel im Rahmen einer Enquete vergangenen Dezember einer Reflexion unterzogen und die Akkreditierungskriterien einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt.


Dabei wurden drei zentral mit dem Ö-Cert verbundene Problemstellungen diskutiert: Was ist Erwachsenenbildung im Unterschied zu Therapie, Freizeitangeboten und Esoterik? Welche Rolle spielt der Nachweis pädagogischer Kompetenz bei Qualitätsentwicklung und Professionalisierung? Und schließlich: Was macht eine Erwachsenenbildungsorganisation aus? Die Resonanz unter den rund 120 Gästen zeigte ganz klar: Die Entwicklung eines derartigen Qualitätssiegels darf nicht an der Realität jener vorbeigehen, die sich um Ö-Cert bewerben. Sie muss aber auch herausfordernd bleiben, damit Qualität gefördert und nicht nur festgestellt wird.


Flut an Akkreditierungsansuchen
Erst zwei Jahre alt ist das Qualitätssiegel, um dessen Zuerkennung sich EB-Anbieter bei Vorliegen eines von elf anerkannten Qualitätsmanagement-Systemen wie dem ISO 9001, LQW oder einem der österr. Bundesländersiegel bewerben können. "Bis Ende November 2013 wurden schon 923 Ö-Cert Akkreditierungen an EB-Anbieter und deren Zweigstellen vergeben", berichtete Johanna Weismann in ihrer Funktion als Leiterin der Ö-Cert Geschäftsstelle im Rahmen der Enquete. Zählt man die Zweigstellen nicht hinzu, waren es 248 Institutionen, die das Siegel bereits führen dürfen.


Charmantes Angebot, auch für Deutschland
Dieter Gnahs, Privatdozent für Erwachsenenbildung an der Universität Duisburg-Essen begleitet das Ö-Cert seit Anbeginn und ist Mitglied der Akkreditierungsgruppe, die über die Ö-Cert Vergabe entscheidet. In seinem Referat zu Qualitätsmanagement (QM) als Steuerungsinstrument im Weiterbildungsbereich strich er die Vorteile des QM hervor, räumte aber auch mit Mythen auf. Zwar bewirke QM eine Verbesserung von Arbeitsabläufen, größere Zufriedenheit der MitarbeiterInnen und höhere Nachfrage. Aber: es bestehe kein automatischer Zusammenhang zwischen QM und Weiterbildungsqualität. Letztere hänge wohl vielmehr von Persönlichkeitseigenschaften und Kompetenzen der Lehrkräfte ab.


Als "besonderen Charme" bezeichnete Gnahs drei wesentliche Aspekte des Ö-Cert. Zum Ersten stärke es die Professionalität der Erwachsenenbildung, zum Beispiel durch die Einforderung pädagogischer Kompetenzen. Zum Zweiten orientiere sich die Anerkennung als Qualitätsanbieter ganz klar am Bildungsbegriff, was sich auch in der Besetzung der Akkreditierungsgruppe widerspiegelt. Zum Dritten reflektiere das Siegel die Angebotsqualität und schaffe damit eine Marktabgrenzung. Auch Deutschland brauche ein solches Siegel, ist sich Gnahs sicher, und unterstreicht damit die Vorreiterrolle des Ö-Cert auch im internationalen Zusammenhang.


Ringen um Qualitätskriterien
Der Einladung in die Säle des Bildungszentrums der Arbeiterkammer in Wien waren Gäste aus Anbieterorganisationen, öffentlicher Verwaltung, Interessensvertretungen und Forschung gefolgt, die sich in Schwerpunktkolloquien unter Leitung von Mitwirkenden aus der Akkreditierungsgruppe mit den eingangs erwähnten Fragen nach der Abgrenzung von Erwachsenenbildung, pädagogischer Kompetenz und Spezifika einer Erwachsenenbildungsinstitution auseinandersetzen konnten. Dabei wurden wesentliche Aspekte der Diskussion erkennbar:


Elke Gruber forderte dazu auf, dass die Erwachsenenbildung endlich von der Pionierphase in eine Professionsphase aufbrechen möge. Dieses Anliegen erfuhr im Rahmen der Enquete breite Unterstützung. Gruber zu den Rückmeldungen: "Es gibt einen Grundkonsens darüber, dass es pädagogischer Kompetenz bedarf." Zwar werde vielfach eingefordert, Ö-Cert solle doch Erfahrung würdigen statt Zeugnisse einzufordern. Doch müsse man klarstellen, dass Ö-Cert Einrichtungen als Ganzes zertifiziere und die nicht validierte Erfahrung Einzelner kein Nachweis pädagogischer Kompetenz innerhalb der Organisation sei. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass bislang noch kein Nachweis dezidiert erwachsenenpädagogischer Kompetenz eingefordert wird.

 

Erwachsenenbildung soll mündig machen
Im äußerst frequentierten Kolloquium zur Frage nach der Abgrenzung von Erwachsenenbildung kam es zu einer lebhaften Diskussion. In deren Rahmen wurden wichtige Kriterien für die Zuerkennung des Ö-Cert - wie Bildungsbezug, Rationalität und Förderung von Mündigkeit - ebenso gewürdigt wie hinterfragt. Erich Ribolits (Uni Wien), ebenfalls Mitentscheider in der Akkreditierungsgruppe: "Klar ist, dass beim kleinen Hexeneinmaleins die Grenze längst erreicht ist".

 

Aus den Kommentaren der Teilnehmenden leitete er den Auftrag ab darüber nachzudenken, wie Ö-Cert den Anteil zulässiger Bildungsangebote zwischen großen und kleinen Anbietern künftig unterschiedlich gewichten solle. Ein gewisser Anteil nicht anerkannter Angebote aus den Bereichen Therapie, Esoterik und Freizeitgestaltung stehe der Zertifizierung eines Anbieters nicht entgegen. Diesen nicht zu überschreiten falle aber großen Anbietern eindeutig leichter als spezialisierten Institutionen mit wesentlich geringerer Angebotsvielfalt.


Steuerung der Förderpolitik und bessere Orientierung bei Kursbuchungen
Robert Kramreither von der Abteilung Erwachsenenbildung des BMUKK strich in seinem Statement hervor, dass Ö-Cert die Erwartungen einer gegenseitigen Anerkennung von QM-Systemen längst erfülle und künftig auch andere Aufgaben unterstützen werde. Zum einen gehe es hier um eine bessere Orientierung für Bildungsinteressierte, zum anderen kann Ö-Cert in Zukunft bei der Fördervergabe eine stärkere Rolle spielen. Franz Jenewein, er vertritt die Interessen der Tiroler Landesregierung in der Lenkungsgruppe von Ö-Cert, strich den Nutzen für die fördervergebenden Institutionen hervor. Man wisse nun endlich, wann es sich um einen Erwachsenenbildungsanbieter handle, der sich um eine Förderung bewirbt. "Wer Förderungen vergibt, kann sich jetzt auf einen Rahmen berufen, der sich nicht beispielsweise nur auf berufliche Höherqualifizierung beschränkt, und dennoch Abgrenzungen erlaubt". 


Elke Gruber und Erich Ribolits stellten abschließend klar, dass die Kriterien der Akkreditierung weiterhin geschärft werden müssen, "ohne zur Checkliste zu werden", so Gruber. Der Qualitätsdiskurs müsse ein dialogischer bleiben, damit die Kriterien auch von der Szene angenommen würden. Ribolits: "Wir wollen eine verstärkte Diskussion darüber auslösen, was Erwachsenenbildung ist, und werden auch weiterhin als Reibebaum dafür dienen."


Ö-Cert verbindet
Ö-Cert ist eine Kooperation des BMUKK mit den Ländern auf Basis einer Art. 15a Vereinbarung nach dem Bundes-Verfassungsgesetz. Erstmals in Österreich verschafft mit dem Ö-Cert ein Qualitätsrahmen einen Überblick über qualitätssichernde Maßnahmen der Erwachsenenbildungsorganisationen und sichert die gegenseitige überregionale Anerkennung zwischen den einzelnen Ländern sowie mit dem Bund.


Von 510 Bewerbungen um das Ö-Cert wurden bisher rund die Hälfte zertifiziert, 39 erhielten eine Akkreditierungsauflage und 24 einreichende Organisationen wurden bei der Erstakkreditierung abgelehnt. Die meisten Akkreditierungen wurden an Einrichtungen in OÖ (249), Salzburg (179) und Wien (138 - jeweils incl. Zweigstellen) vergeben. Bei den Qualitätszertifikaten der Ö-Cert Inhaber dominiert laut Weismann ganz klar das ISO 9001, gefolgt vom oberösterreichischen EB-Qualitätssiegel (OÖ-EBQS), dem LQW (Lernerorientierte Qualitätstestierung/ArtSet) und dem Cert Niederösterreich (Cert NÖ).


Die gesammelten Unterlagen zur Enquete sind auf der Website des Ö-Cert unter dem angegebenen Link herunterzuladen. Dazu zählt auch eine im Rahmen der Enquete erstmals vorgestellte Studie über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Erwachsenenbildungsanbietern. Sie informiert und deckt Verbesserungsbedarfe auf.

Weitere Informationen:

 

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