Im Gespräch: Bildungs- und Berufsberatung

22.10.2015, Text: Anna Head, bifeb
Lehrgangsleiterinnen Marika Hammerer und Ingeborg Melter über 15 Jahre Bildungs- und Berufsberatung am Bundesinstitut für Erwachsenenbildung (bifeb).
15 Jahre Bildungs- und Berufsberatung am bifeb
Foto: bifeb
Anna Head (AH): Im Jänner 2016 startet der Lehrgang „Bildungs- und Berufsberatung“ zum 12. Mal. Was fällt euch spontan ein, wenn ihr an den 1. Durchgang denkt?


Ingeborg Melter (IM): Der große Gestaltungsraum: Wir konnten den Lehrgang quasi auf die „grüne Wiese“ bauen. Und dann: eine sehr große Nachfrage. Das war wirklich erstaunlich. Es war ein Aufbruch.

 

Marika Hammerer (MH): Lust an der Gestaltung und Lust an der Entwicklung. Etwas Neues. Ich fand es wunderbar, dass eine Qualifizierung für die Bildungsberatung in Angriff genommen wird.


Wo steht die Bildungs- und Berufsberatung heute? Wohin bewegt sich das Feld?


MH: Nach mehreren Jahren der Innovation und der Weiterentwicklung von Strategien und der Ausdifferenzierung ist das Feld jetzt meiner Einschätzung nach in einer Phase der Etablierung angekommen. Wie bei vielen anderen Themen und Tätigkeiten sind das sich abwechselnde Zyklen.


Gibt es Herausforderungen, mit denen sich das Feld beschäftigen sollte?


IM: Mit dem Thema Ausbildung und der Frage, welcher Grad an Ausbildung wofür sinnvoll ist. Es gibt in Österreich viele Meinungen und Standpunkte dazu, aber keine Diskussion. Die Frage ist, wer es initiieren könnte, über Ausbildungsstandards zu reden. Und wer sollte eingebunden sein? Das Thema ist sicher ein heißes Eisen, weil ganz unterschiedliche Interessen tangiert sind. Wir als Ausbildungsanbieter können nur durch unsere Angebote zeigen, wo wir gerne hin möchten ? und stoßen dabei natürlich immer an die Grenzen des Machbaren.

 

MH: In den Bereichen Qualifizierung und Professionalisierung hat sich vieles getan, aber aus unserer Sicht noch nicht genug. Es gibt noch immer Bedarf an Rollenklärung und an der Vertiefung spezieller Kompetenzen. Was bedeutet Qualität in diesem Bereich? Welche Kompetenzen müssen BeraterInnen haben? In Deutschland gab es dazu beispielsweise ein Projekt, das sich mit diesen Fragen befasste und vom Nationalen Forum für Beratung und einer Universität bundesweit durchgeführt wurde. Aus meiner Sicht wäre so ein Vorhaben für Österreich auch zielführend und würde einen weiteren Qualitätssprung darstellen.


Was würdet ihr jemandem empfehlen der in der Bildungs- und Berufsberatung tätig werden möchte?


MH: Ich würde empfehlen, eine gute Beratungsausbildung zu machen, auch wenn es zunächst so scheint, als ob sich das nicht gleich rechnet. Aber meine persönliche Erfahrung ist, und ich glaube, das kann man generell so sagen: je besser die Ausbildung desto mehr berufliche Chancen hat eine Person, desto kompetenter kann er/sie agieren und wird Wege finden, das umzusetzen.

 

IM: Als Beispiel Marika Hammerer: du hast ein Pädagogikstudium und verschiedene BeraterInnenaus- und -weiterbildungen  ? du bist sozusagen nicht monokulturell unterwegs, sondern das eine befruchtet das andere, das eine kann sich vom anderen aber auch abgrenzen und es vertieft und erweitert den Kern. So etwas könnte man grundsätzlich anraten.

 

MH: Definitiv. Für meine Tätigkeit ist es sehr förderlich, mehrere Standbeine zu haben. Ich berate, arbeite konzeptiv und lehre.


Wie seid ihr in die Beratung gekommen?


IM: Plan und Zufall. Ich denke, wir beide bilden in unserer Unterschiedlichkeit ab, wie man in das Feld kommen kann: Ich hatte am Beginn meiner Tätigkeit in der Erwachsenenbildung nicht diese Zielrichtung, aber Interesse und Lust, mich auf den Themenbereich Beratung einzulassen, und so hat es sich gefügt. Marika hat es angestrebt, hat bestimmte Ausbildungen gemacht und ein Profil in dem Bereich entwickelt. Oft fragt man „Wie wird man das?“ und da gibt es unterschiedliche Zugänge: die stärker zielgerichteten und die über Umwege, bei denen es sich ergeben hat.


Was ist euch wichtig? Was wollt ihr euren TeilnehmerInnen vermitteln?


MH: Wichtig ist und war uns immer die Vermittlung einer wertschätzenden, unterstützenden Haltung gegenüber Ratsuchenden. Gleichzeitig ist die Verknüpfung von Theorie und Praxis zentral. Das heißt, zu verstehen warum und wie welche Interventionen wirken und sein Handeln immer wieder zu reflektieren. Und insgesamt: lustvolle Neugierde an den Menschen und an der Sache. Es ist spannend und schön Personen in bestimmten Phasen zu unterstützen und sich mit verschiedenen Berufen auseinanderzusetzen. Diese Freude an der Tätigkeit wollen wir mitgeben.

 

IM: Wir bieten unseren TeilnehmerInnen eine auf der aktuellen fachlichen Auseinandersetzung fußende Basis. Damit sie davon ausgehend gut auf ihre jeweiligen Tätigkeitsbereiche oder Zielgruppen eingehen können. Außerdem wollen wir vermitteln, dass man sich immer weiterbilden soll/kann. Das spiegelt auch unsere Einstellung am bifeb wider: es geht um Offenheit und Perspektiven, die Lust am Lernen und an Weiterentwicklung.


Inwiefern spiegelt sich diese Haltung im Angebot?


IM: Unser Angebot umfasst den Lehrgang, Einzelseminare, eine Fachtagung alle zwei Jahre und Publikationen. Das ist eine Gesamtkomposition mit unterschiedlichen Gewichtungen, Ausrichtungen, und Zielsetzungen, die zusammenspielen. Es gibt ja eine breite Themenpalette, die in das Feld hineinspielt, und die es gilt aktuell zu halten. Das reicht von den wissenschaftlichen Grundlagen bis zu Praxisbeispielen. Wir möchten dem Feld signalisieren, was sich tut und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung anbieten.


Was macht eine gute Beraterin, einen guten Berater aus?
IM: Man muss gerne mit Menschen arbeiten, eine Neugierde gegenüber Leuten haben und in der Lage sein, wertschätzend zu sein. Außerdem finde ich Reflexionsbereitschaft zentral ? auch sich selbst gegenüber ? das ist man den Personen, die in die Beratung kommen, schuldig.

 

MH: Ein weiterer Punkt ist Lernbereitschaft. In Bezug auf die eigene Person und auf die Sache. Man muss auf jeden Fall bereit sein, sich immer wieder mit den sich dauernd verändernden Gegebenheiten  – in der Bildungs- und Berufsberatung zum Beispiel im Bereich „Berufe“ – auseinanderzusetzen.


Und abschließend: Zukunftsvisionen!


IM: Die Vision ist vielleicht ein bisschen sehr groß, aber sie hat uns bei jedem Konzept getrieben: dass es in Österreich überall, an verschiedenen Orten und über die Lebensspanne hinweg die Möglichkeit gibt innezuhalten, zu schauen, wohin es für einen weitergeht, und dabei Unterstützung durch eine professionell ausgebildete Person zu bekommen.

 

MH: Meine Vision ist, dass die Bildungs- und Berufsberatung ein gut entwickeltes und professionelles Tätigkeitsfeld wird, das von den Beraterinnen und Beratern durch ihre Kompetenz und Professionalität erfolgreich gestaltet wird. Sozusagen eine selbstbewusste Berufsgruppe, die sich und ihre Tätigkeit vertritt.

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