Kunst als Kommunikationsangebot in der Erwachsenenbildung
Kultur und Politik
Durch die Kulturagenda und Arbeitspläne für Kultur stützt die EU die Schlüsselkompetenz „Kulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit“. Damit ist sie ein Stück weiter der Gefahr entzogen, als verzichtbare Draufgabe missverstanden zu werden. Allerdings wird von den beeindruckenden Beschäftigungszahlen der Kultur- und Kreativwirtschaft ein sogenannter spillover-Effekt auf die Wirtschaft im weiteren Sinn erwartet. Ist das nun Grund zur Freude oder zur Besorgnis? Die Beantwortung der Frage hintanstellend, lohnt sich der Blick auf die erweiterten Spielräume, die nicht zuletzt für die Erwachsenenbildung entstehen.
Kunst in der Bildung: Kunstvermittlung und künstlerische Intervention
Häufig werden zwei Bildungsansätze im Zusammenhang mit Kunst vermischt, deren Unterscheidung für die Erwachsenenbildung und die Bildung allgemein jedoch wesentlich ist: Kunstvermittlung und Künstlerische Intervention. Ein Blick auf Bemühungen und Tendenzen früherer Jahrzehnte hilft beim Verständnis. In den 1970er Jahren schickte die erste wirkliche Krise nach dem Wiederaufbau die Menschen und Regierungen auf Sinnsuche. Damals spannte man zur Überwindung der Krise Bildung und Kultur zusammen. Liest man heute in Papieren des Europäischen Rates von der erwünschten Förderung des Beitrags der Kultur zur sozialen Inklusion, erkennt man die Vergleichbarkeit der Anstrengungen. Umsicht ist nötig, denn: Wo Kunst als eine Art Reparaturprogramm für politische und ökonomische Probleme verwendet wird, wird sie missbräuchlich verwendet. Wo Kunst zur Erreichung rein ökonomischer Ziele eingesetzt wird, wird sie instrumentalisiert.
Das schwer zu fassende Potential der Kunst findet in der allgemeinen Erwachsenenbildung einen Partner mit gemeinsamen Zielen und Vorgangsweisen. Die wichtigsten Elemente dieser Gemeinsamkeiten sind:
- die Achtsamkeit im Umgang mit den Einzelnen
- der wertschätzende und/oder wohlwollend-kritische Umgang mit jedem Gegenüber (Mensch, Ding, Natur)
- der Wille zu verstehen, zu erweitern, zu gestalten
- die Bereitschaft, sich auf Prozesse einzulassen, deren Ausgang ungewiss sein kann.
Dem Defizit, das aus der Trennung von Kunst und Leben entstanden ist, will heute die Politik mit integrierenden Maßnahmen begegnen. Kunst wird zunehmend wieder als Kommunikationsangebot verstanden, das die Menschen miteinander und mit ihrer Gegenwart verbindet.
In der Kunstvermittlung
ist immer die Kunst selbst das Thema. Ziel ist, sie als Element der Erfahrung und als bedeutsam für das eigene Leben zu erschließen. Anschauung, Reflexion, Dialog machen die Prozesse der Kunstvermittlung vor allem aus. Idealerweise wirken dabei KünstlerInnen, VermittlerInnen und TeilnehmerInnen zusammen.
So werden etwa die Eröffnungen der im Bildungshaus St. Arbogast häufig stattfindenden Ausstellungen dialogisch gestaltet. Das heißt: Einer Einführung durch den/die KünstlerIn folgt die Anschauung der Bilder oder Objekte durch die einzelnen Teilnehmenden, die schließlich mit allen Anwesenden zu einem offenen Gespräch zusammenfinden. In St. Arbogast ist es Ziel, mit Kunst zu leben, daher wird auf die Möglichkeiten zu intellektueller Auseinandersetzung ebenso geachtet wie auf die sinnliche Erfahrung.
Bildungshäuser sind Bauwerke, die Menschen in Lernsituationen beherbergen. Die Wirkung des Raums ist das erste Bildungsgeschehen, noch bevor ein Satz gesprochen ist. Ist es zudem ein künstlerisch gestalteter Raum, erhält dieses Geschehen sofort eine weitere Dimension. Das Bildungshaus St. Arbogast in Vorarlberg versteht sich als ein solcher Kunstort/Lernort, ebenso das Bildungs- und Konferenzzentrum St. Virgil in Salzburg, wo das Gebäude in Programm und Konzept einbezogen ist.
Die künstlerische Intervention
andererseits ist auf das direkte Zusammenspiel unterschiedlicher Erfahrungsbereiche angelegt. Sie ist in ihrem Kern ein Arbeiten mit künstlerischen Methoden, die auf andere Bereiche angewendet werden. Die Frage- oder Problemstellungen liegen dabei so gut wie immer außerhalb der Künste.
Bei künstlerischen Interventionen werden die besonderen Potentiale der einzelnen künstlerischen Sprachen in andere Denk- und Handlungszusammenhänge hineingetragen. Nicht jede dieser Sprachen eignet sich für jedes Thema oder jede Zielgruppe. Doch Tanz, Theater, Musik, Fotografie, Literatur, bildende Kunst, Keramik etc. – die Sparten sind so vielfältig wie ihre Methoden und die zu bearbeitenden Themen und Rahmenbedingungen.
Einer der komplexesten Ansätze kommt aus dem dramatischen Bereich. Die Mittel und Methoden des Forum-Theaters lassen sich überall dort besonders gut anwenden, wo Themen sozialer Spannungen bearbeitet werden sollen. In der katholischen Erwachsenenbildung wurde das Forum-Theater in den letzten Jahren mehrfach erfolgreich eingesetzt:
Das Katholische Bildungswerk Kärnten brachte mit dem Projekt „Hidden Arts“ allgemeine Erwachsenenbildung ins Gefängnis. Das „Ausspielen“, also das Ergründen gesellschaftlicher Mechanismen und ihrer Wirkungen mittels spezieller Methoden des Theaters war dabei eine von mehreren angewendeten künstlerischen Methoden.
Auch in der MitarbeiterInnen-Bildung nützen MultiplikatorInnen diese Form des „Theaters von unten“ seit Jahren sowohl für ihre eigene Sensibilisierung als auch zur Vervollständigung ihres Repertoires zur Interaktion mit Gruppen.
Hier sind wir wieder bei Inklusion und Teilhabe, sind nah am Anspruch der Politik und entwickeln zugleich Potentiale, ihr selbstbewusst zu entgegnen.
Serie "Kunst und Kultur in der Erwachsenenbildung"
In einer Serie von Berichten, Interviews, Essays und programmatischen Beiträgen berichten Korrespondentinnen und Korrespondenten aus Verbänden, Netzwerken und Einrichtungen 2015 über die künstlerischen und kulturellen Aspekte von Erwachsenenbildung. In dieser Gemeinschaftsinitiative soll sichtbar werden, wie wichtig kreative Zugänge zur Welt und deren Aneignung sind. Bildung fungiert hier ebenso sehr als Kulturträger wie auch Innovator. Sie eröffnet Freiräume im Denken und Handeln, schafft Verständigung zwischen den Menschen und Kulturen und hilft uns Identität im Wandel zu begreifen und immer neu zu entwickeln.
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