Herausforderung Sprachunterricht

01.08.2012, Text: Adrian Zagler, Online-Redaktion
Was macht den Fremdsprachunterricht in der Erwachsenenbildung so besonders? Eine Spurensuche. (Serie: Fremdsprachendidaktik heute, 2)
Fremdsprachen für Erwachsene zu unterrichten, ist in mehrfacher Hinsicht eine Herausforderung, denn der Unterricht unterscheidet sich sowohl vom Schulunterricht, als auch von anderen Angeboten in der Weiterbildung. Moderner Fremdsprachenunterricht in der Erwachsenenbildung ist idealerweise kompetenzorientiert aber methodisch vielfältig, abwechslungsreich und arbeitsintensiv. Motivation, Alter und sprachliches Umfeld der Lernenden sind nur einige Faktoren, die die Unterrichtsgestaltung maßgeblich beeinflussen.  

Herausforderung Fremdsprache
Der Linguist Stephen Krashen beschäftigt sich seit mehreren Jahrzehnte mit Fremdsprachen. Er unterscheidet konkret zwischen dem Lernen und dem Erwerb einer Fremdsprache. Lernen beinhaltet laut Krashen bewusste kognitive Auseinandersetzung mit der zu lernenden Materie, wie zum Beispiel das Auswendiglernen von Vokabeln und Grammatikregeln. Im Gegensatz dazu passiert der Erwerb einer Sprache unbewusst, spielerisch und quasi nebenbei als learning by doing. Kinder erwerben ihre Erst- oder Muttersprache also anstatt sie zu lernen. Eine Fremdsprache hingegen wird sowohl gelernt als auch erworben. Der Grund dafür ist einerseits, dass die Lernenden im Fremdsprachunterricht meist bereits so weit gereift sind, dass sie sich auch auf abstrakter Ebene mit einer Sprache befassen können. Andererseits steht mit der Muttersprache bereits ein voll ausgebildetes Kommunikationssystem zur Verfügung, sodass die Welt nicht mehr über die Fremdsprache neu entdeckt werden muss. Die Besonderheit des Fremdsprachenunterrichts besteht also in einem Mix aus Erwerb und Lernen, während viele andere Bildungsangebote sich rein auf kognitives Lernen spezialisieren. Weiters muss der Fremdsprachenunterricht so geplant sein, dass alle vier Sprachfertigkeiten (Lesen, Schreiben, Hören, Sprechen) in angemessener Weise trainiert werden, auch wenn in der Erwachsenenbildung der Sprechkompetenz häufig der Vorzug gegeben wird. Der Aufbau modernen Sprachunterrichts orientiert sich also an konkreten Kompetenzen, seine Ausgestaltung jedoch kann sehr abwechslungsreich sein. Eine Studie des Verbands der Österreichischen Volkshochschulen aus dem Jahr 2009 zeigte, dass viele FremdsprachenlehrerInnen sich gerade im Bereich "kreative Gestaltung der Lehre" zusätzliche Ausbildungsangebote wünschen.

Erwachsene lernen anders
In ihrem Buch Teaching adult second language learners beschreibt Heather MacKay einige der Besonderheiten, die erwachsene SprachschülerInnen von Kindern unterscheiden, und wie sich diese Besonderheiten auf den Unterricht auswirken. Laut MacKay sind Erwachsene in ihrer Erst- oder Muttersprache normalerweise bereits sehr gefestigt und in der Lage, damit den Alltag zu bestreiten. Folglich hätten sie oft Hemmungen, sich vollständig auf eine Fremdsprache einzulassen, in welcher sie immer wieder auf Kommunikationshindernisse treffen. Erwachsene fürchten sich MacKay zufolge mehr als Kinder davor, sich aufgrund mangelnder fremdsprachlicher Fähigkeiten unwissend zu fühlen, ausgelacht zu werden oder sich zu blamieren. Diese Hemmungen müssten im Sprachunterricht überwunden werden, um Fortschritte erzielen zu können. Ein wichtiger Vorteil für erwachsene LernerInnen sei jedoch, dass ihre Fähigkeiten zur Meta-Kognition besser ausgeprägt sei. Dadurch falle es ihnen leichter, Zusammenhänge zu erkennen, und dies wirke sich wiederum positiv auf die intrinsische Motivation aus. Ulla Fürstenberg, langjährige Sprachentrainerin am Internationalen Sprachzentrum in Graz, berichtet außerdem, dass ihrer Erfahrung nach Erwachsene lieber als Jugendliche und Studierende spielend lernen. Sie seien in ihrer Identität bereits so gefestigt, dass sie nicht befürchten müssten, dadurch kindisch zu wirken.

Motivation anders gelagert
Lange Zeit war die Erwachsenenbildung nur die logische und praktische Fortführung des schulischen Unterrichts. Es dauerte bis in die 1970er, bis mit Malcolm Knowles' Buch The Adult Learner zum ersten Mal eine umfassende Beschreibung der erwachsenen Lernenden für den englischsprachigen Raum gegeben wurde. Knowles - der im deutschsprachigen Raum erst spät rezipiert wurde - war davon überzeugt, dass Erwachsene anders lernen als Kinder, und griff den platonischen Begriff der "Andragogik" (das Gegenstück zur Pädagogik) wieder auf. Laut Knowles unterscheiden erwachsene Lernende sich von Kindern, aber auch untereinander, in fünf zentralen Bereichen: Motivation, Ziel, Selbstbild, Erfahrung/Lernhintergrund und Lernbereitschaft. Diese Unterschiede müssen von den Lehrenden wahrgenommen und in ihre didaktischen Konzepte integriert werden. Der Professor für Psycholinguistik Zoltán Dörnyrei betont vor allem Knowles' ersten Punkt: Auch Erwachsene müssen motiviert werden, um Lernerfolge zu erzielen. Diese Motivation müsse aber anders erfolgen als für Kinder, da die beiden Gruppen sich auch in ihren Bedürfnissen unterscheiden. BesucherInnen "klassischer" Sprachkurse nach Vorbild der Volkshochschulen lernen gerne und freiwillig; TeilnehmerInnen in Business-Sprachkursen hingegen können, müssen aber nicht, intrinsisch motiviert sein. Dass in Erwachsenenbildungskursen generelle weniger Probleme mit der Disziplin auftreten, bedeutet also nicht gleichzeitig, dass die LehrerInnen ihre SchülerInnen nicht auch immer wieder neu motivieren müssen.

Faktor Alter
Der Faktor Alter ist im Zusammenhang mit Fremdsprachenunterricht nicht zu unterschätzen. Eine vom Österreichischen Institut für Erwachsenenbildung verfasste Studie aus dem Jahr 2011 zeigt: Je älter die Lernenden desto länger ist es meist her, seit sie sich zum letzten Mal als SchülerInnen in einer Unterrichtssituation befunden haben. Der große zeitliche Abstand bedeute laut Studie häufig auch kognitive und emotionale Entfernung: Ältere Lernende seien, was das Lernen selbst beträfe, "aus der Übung" und hätten mit neueren Lehr- und Lernmethoden oft noch keine Erfahrung gemacht. Dadurch könnten sie den Unterrichtsmethoden skeptisch gegenüber stehen, was sich negativ auf ihre Motivation und ihren Lernerfolg auswirken könne. Zudem lasse im Alter die kognitive Leistung nach. Positiv sei allerdings, dass ältere Lerner meist entspannter seien, da sie nur noch für sich selbst lernen.

Ausnahmefall Deutsch als Zweitsprache
Die bisherigen Beobachtungen zur Fremdsprachendidaktik in der Erwachsenenbildung wurden unter der Annahme gemacht, dass ÖsterreicherInnen mit deutscher Muttersprache eine Fremdsprache lernen. Eine vollkommen andere Situation liegt vor, wenn die Fremdsprache zugleich auch die Amts- und Alltagssprache des Wohnsitzlandes ist. In diesem Kontext ist von der "Fremdsprache" als Zweitsprache zu sprechen. Ein unbestreitbarer Vorteil des Zweitsprachenunterrichts ist, dass die Lernenden auch außerhalb der Kurse der Sprache ausgesetzt sind und die beiden Aspekete Spracherwerb und Sprachlernen stärker in einander fließen. Einfluss auf die Didaktik hat dies vor allem dadurch, dass der Unterricht in der Regel von Anfang an in der Zielsprache stattfindet und in hohem Maße anwendungsorientiert ist. Gleichzeitig berichten Lehrende jedoch, dass der Unterricht in Deutsch als Zweitsprache (DaZ) starke Züge sozialer Arbeit trage: Die spezifische Situation der lernenden MigrantInnen und AsylwerberInnen sei häufig grprägt von psychischen Belastungen, unsicheren Lebenssituationen, Perspektivenlosigkeit und finanziellem Druck. Dies führe unter anderem zu Aufmerksamkeitsproblemen, Antriebslosigkeit und unregelmäßiger Kursteilnahme. DaZ-Lehrenden sind somit verstärkt mit Motivations- und psychologischer Arbeit beschäftigt.

Dialektkurse wenig sinnvoll
MigrantInnen, die Deutsch lernen, weil sie nach Österreich gezogen sind, haben mitunter ein zusätzliches Problem: den Dialekt. Während im Kurs vor allem die Standardsprache unterrichtet wird, geschieht mündliche Kommunikation im Alltag im Dialekt. Die Diskrepanz zwischen diesen beiden Sprachebenen werde von Nicht-MuttersprachlerInnen oft als zusätzliche Erschwerung erlebt, meint die Schweizer Erwachsenenbildnerin Barbara Feuz. Für fortgeschrittene LernerInnen bieten sich laut Feuz, die sich damit vor allem auf Schweizerdeutsche Dialekte bezieht, eigene Dialektkurse an. In Österreich hingegen gibt es dieses Angebot derzeit nicht. Basisbildnerin Renate Ömer vom BHW Niederösterreich hält eigenständige Dialektkurse auch nicht für sinnvoll. In ihren Kursen zu Deutsch als Zweitsprache würden die Unterschiede zwischen Schrift- und Standardsprache selbstverständlich thematisiert. Unterschiede würden gesammelt und systematisiert, sodass die Lernenden daraus Regeln ableiten, ausprobieren und übertragen könnten. Sie selbst habe auch gute Erfahrung mit Musik im Dialekt gemacht, z.B. mit Hubert von Goisern und Attwenger. Dialektale Formen werden im Kurs "als Querschnittsmaterie und an den TeilnehmerInnen-Bedürfnissen und Anlässen orientiert" eingebaut.
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Serie: Fremdsprachendidaktik heute