CEDEFOP Studie zur Wahrnehmung von Weiterbildung

20.04.2022, Text: Michael Kienreich, Redaktion: Redaktion/CONEDU
Auch wenn Bildung von vielen als wertvolles Gut wahrgenommen wird, bleibt doch die Bildungsteilnahme hinter EU-Zielen zurück – warum das so ist, versucht eine europäische Studie aufzuklären.
Mann sitzt lesend auf einem hohen Bücherstapel
Wer sich bildet, kommt hoch hinaus.
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(Berufliche) Erwachsenenbildung, definiert als sämtliche Bildungsmaßnahmen für Erwachsene – egal ob beruflich oder nicht – die der Erweiterung von Wissen und Fähigkeiten dienen, werden von den Befragten aller Alterskohorten mit überwältigender Mehrheit positiv bewertet. Diese Einschätzung der Erwachsenenbildung reicht allerdings, wie die AutorInnen feststellen, nicht aus, um potenzielle TeilnehmerInnen zu aktivieren. Was braucht es also, um die Teilnahmen zu erhöhen? Dieser und einigen damit in Verbindung stehenden Fragen, allerdings mit Fokus auf berufliche Weiterbildung, folgt die hier beschriebene Studie.

 

Im Februar erschien die Zusammenfassung der 2021 veröffentlichten Studie zu Bedarf und Einschätzung von (beruflicher) Erwachsenenbildung in Europa aus TeilnehmerInnensicht. Durchgeführt wurde diese vom CEDEFOP – dem Europäischen Zentrum für die Förderung der Berufsbildung – zwischen Mai und Juli 2019. 40.466 BewohnerInnen (25+ Jahre) der gesamten Europäischen Union – inklusive England, Island und Norwegen – wurden dafür telefonisch befragt.

Die Motivation hinter der Studie

Bis 2025 hat sich die EU zum Ziel gesetzt, dass zumindest 50 Prozent der Erwachsenen innerhalb der jeweils vergangenen 12 Monate an formalen oder non-formalen Bildungsveranstaltungen teilgenommen haben. Die Studie des CEDEFOP ermittelte diesbezüglich einen aktuellen Wert von 38 Prozent und stellt fest, dieser entspräche dem 2016 durchgeführten Adult education survey (43,7 %). In jedem Fall ist hier zur Zielerreichung noch ein wenig Luft nach oben. Dementsprechend untersucht die Studie einige damit verbundene Parameter.

Lebensbegleitendes Lernen als wichtiger Wert

Quer durch alle Altersschichten, Arbeitsfelder sowie Ausbildungsstufen und unabhängig von Geschlecht oder Herkunft stimmten die Befragten zu deutlich mehr als 90 Prozent der Aussage "Continuing to learn troughout life is an important value for you" (eher) zu. Im EU-Durchschnitt sind 96 Prozent (tendenziell) dieser Meinung und 84 Prozent der Befragten erwarten für die nähere Zukunft, respektive um Karrierechancen zu verbessern, sogar noch eine Steigerung der Bedeutung von Bildungsteilnahmen.

Weiterlernen gehört in jedem Beruf dazu

Fortwährende berufliche Weiterbildung gehört für 88 Prozent der Befragten zu den Job-Voraussetzungen. Wie die AutorInnen hervorheben, ist diese Einschätzung selbst bei den "Low-Education-Levels" mit 78 Prozent noch immer sehr hoch. Gerade diese Gruppe nimmt bei sich selbst auch den höchsten Nachholbedarf bezüglich technischer und allgemeiner Fähigkeiten wahr – jeweils ein Drittel stimmen absolut zu, dass ihnen Fähigkeiten fehlen, um ihren Beruf den Anforderungen gemäß auszuführen.

Bedarfe decken sich nicht mit der tatsächlichen Teilnahme

Die Bildungsteilnahme nimmt zwar mit dem Alter - und dabei besonders im letzten Jahrzehnt der Berufstätigkeit - ab, schwankt aber auch zwischen verschiedenen Berufsgruppen. 72 Prozent der Selbstständigen stehen 27 Prozent der Hilfsarbeitskräfte gegenüber, die aktuell oder in den letzten 12 Monaten an Bildungsangeboten teilgenommen haben. Gleichzeitig gehören Letztere, neben den FacharbeiterInnen in Land- und Forstwirtschaft und im Handwerk zu jenen erhobenen Berufsgruppen, die sich selbst am ehesten einen Mangel an technischen und allgemeinen Fähigkeiten attestieren.

Weiterbildungsteilnahme nicht vordringlich um Aufstiegschancen zu erhöhen

Bei organisierten, also formalen und non-formalen Weiterbildungen sind zwar für gut ein Drittel der Befragten damit verbundene Beförderungen, Gehaltserhöhungen oder überhaupt neue Jobs bzw. die Gründung eines eigenen Unternehmens Zielsetzungen, jedoch geben jeweils zwei Drittel der Befragten persönliche Entwicklung sowie bessere Arbeitskompetenzen (Job Skills) als Gründe an. Informelle Weiterbildungen dienen zu 81 Prozent der persönlichen Entwicklung.

 

Die AutorInnen weisen diesbezüglich allerdings auch darauf hin, dass die Anerkennung und Honorierung der Weiterbildungen vor allem im Einflussbereich der ArbeitgeberInnen liegt und ein Mehrwert durch Bildungsteilnahme vielfach nicht zu beruflichen Vorteilen führt. Gerade die Wertschätzung von neu angeeigneten Kompetenzen durch die ArbeitgeberInnen wird als wichtiger Motivationsfaktor hervorgehoben.

Weiterbildung sollte mit der Lebenswelt vereinbar sein

Meistgenannter Grund für eine Nicht-Teilnahme ist zwar fehlender Bedarf (36 %), allerdings wird dieser knapp gefolgt von Unvereinbarkeit mit anderen Verpflichtungen (32 %). Auch zu hohe Kosten (15 %) und Aspekte wie das Gefühl zu alt zu sein (28 %), keine passenden Angebote zu finden (13 %) und fehlende Unterstützung (11 %) werden genannt. Zuletzt wird von 7 Prozent der Befragten die Nichterfüllung von Teilnahme-Voraussetzungen angesprochen. In Verbindung mit der bereits thematisierten Selbsterfahrung mangelnder Kompetenzen bei geringer Ausgebildeten, birgt dies eventuell die Gefahr eines (weiteren) Zurücklassens dieser Menschen.

Zugänge erleichtern

Durchgängig jeweils über 85 Prozent der Befragten glauben, dass flexiblere Arbeitszeiten, finanzielle Anerkennung bzw. Kostenübernahme, bessere Unterstützung im Hinblick auf soziale und familiäre Rahmenbedingungen, einfachere Anerkennung der Zertifikate, bessere Information und Begleitung, passgenauere Angebote für individuelle Lernbedarfe und eine höhere Qualität von Weiterbildungen zu einer verstärkten Bildungsteilnahme führen würden. Einige der hier genannten Aspekte können und sollten wohl als Einladungen an das Feld der europäischen und nationalen Erwachsenenbildung verstanden werden – auch wenn in Österreich 90 Prozent der Befragten (eher) zustimmen, dass es bei uns viele Weiterbildungsangebote gibt, was Österreich im EU-Vergleich gemeinsam mit Malta auf den zweiten Platz hinter Schweden führt.

Individuelle Lern-Konten und andere lernendenzentrierte Lösungsansätze

Neben der bereits erwähnten (finanziellen) Anerkennung von Weiterbildungsteilnahmen, schlägt die Studie "individual learning accounts" (ILAs) – also virtuelle Bildungs-Sparbüchsen, die von Unternehmen und Staat befüllt werden – vor. Generell orten die AutorInnen aber auch über das Finanzielle hinaus Lösungsansätze: Begleitung bei der Erstellung individuell-bedürfnisorientierter Bildungspläne, die Akkreditierung von Zertifikaten, um Lernen sichtbarer zu machen, Unterstützung beim familiären "Freispielen" und eine bessere Verknüpfung zwischen initialer und lebensbegleitender Berufsausbildung. Es gehe also nicht nur darum, blitzartig auf Bildungsbedarfe zu reagieren, sondern stabile Rahmenbedingungen zu erzeugen, welche Lust auf Bildung und Innovation machen.

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