Online-Talk zeigt Sehnsucht nach vertrauenswürdigen Organisationen auf

04.04.2022, Text: Karin Schräfl, Forum Katholischer Erwachsenenbildung
In einem Online-Talk des Forums Katholischer Erwachsenenbildung widmeten sich Furche-Chefredakteurin Doris Helmberger-Fleckl und Journalist und Politanalyst Peter Plaikner dem Thema Politik und Medien.
Beim 3. Online-Talk der Gesprächsreihe des Forums diskutierten Doris Helmberger-Fleckl und Peter Plaikner.
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„Ich hatte am Anfang des Krieges in der Ukraine ein Déjà-vu-Erlebnis. Ich fühlte mich zurückversetzt in meine Kindheit und die Bilder von einfahrenden Panzern während des Prager Frühlings 1968 oder Hubschraubern in Vietnam", berichtete der Politanalyst, Medienberater und Journalist Peter Plaikner in einem „Online-Talk" des Forums Katholischer Erwachsenenbildung im Gespräch mit Doris Helmberger-Fleckl, Chefredakteurin der Wochenzeitung „Die Furche".

Das Soziale in der Politik wird wieder mehr an Bedeutung gewinnen

Angesprochen auf die derzeit große Welle der Solidarität in der Bevölkerung gegenüber den geflüchteten Menschen äußerte sich Plaikner skeptisch. „Ich habe die Sorge, dass dieses Mitgefühl sehr rasch sinken wird." Je häufiger die Menschen bemerken werden, dass sie in ihrem eigenen Leben Einschränkungen erfahren und sich Dinge nicht mehr leisten können, umso rascher werde dieses Mitgefühl verdunsten. Plaikner ist der Auffassung, dass das Soziale in der Politik wieder viel mehr an Bedeutung gewinnen wird. „Den Menschen ist das alte Links- und Rechts-Denken ziemlich egal. Die Diskussion geht zunehmend in Richtung Oben und Unten. Das heißt Arm gegen Reich oder Reich gegen Arm" Das wäre für die Politik eigentlich eine große Chance, so Plaikner, nämlich die soziale Frage wieder ernsthaft aufzugreifen.

Katholische Erwachsenenbildung trägt Aufklärung mit Wertegerüst in die Gesellschaft

Es fasziniere ihn, was katholische Erwachsenenbildung letztlich immer wieder an „Aufklärung, basierend auf einem klaren Wertegerüst", in unsere Gesellschaft hineintrage. Plaikner: „Es gibt eine große Sehnsucht nach Werten und nach Organisationen, denen man vertrauen kann". Er wolle nicht von schwindenden christlich-kirchlichen Milieus sprechen, vielmehr von einer schwindenden deklarierten Zugehörigkeit. „Ich glaube, dass in diesen vielen multiplen Krisen, in denen wir uns gesamthaft befinden, eine große Chance für die Kirche besteht. Aber natürlich muss die Kirche, um diese Chance zu ergreifen, die eigenen Themen bearbeiten und hier aufräumen. Die Kirche hat eine enorm große Zielgruppe", so der Politanalyst. In diese Richtung argumentierte auch Doris Helmberger-Fleckl. „Die Kirche hat, mit dem Papst an der Spitze, einen enormen Hebel mit einer Stimme zu sprechen. In der Pandemie hat es die Kirche, so wie viele andere Institutionen, komplett zerrissen. Da gab es die beiden Flügel. Die Gemeinschaft ist um ein Vieles dürftiger geworden, und die Kirche hat hier viel liegen gelassen", so die Chefredakteurin der Wochenzeitung „Die Furche".

In Krisenzeiten braucht es eine kämpferische Hoffnung

„In den ersten Tagen des Krieges in der Ukraine und dann auch mit den Drohungen in Richtung Atomwaffen ging ich oft mit einem Druck auf der Brust aus der Redaktion nach Hause und dachte mir, vielleicht sind wir morgen ja alle nicht mehr da. Der Krieg hat, gerade zu Beginn, alles andere klein und unwichtig erscheinen lassen. Da war Corona plötzlich weg aus den Medien oder die Korruptionsthemen der Innenpolitik. Das war irgendwie ganz rasch alles ziemlich unwichtig. Jetzt kommen diese Themen wieder mehr und mehr zurück. Die sozialen Medien spielen in diesem Krieg eine überragende Rolle, und die Ukraine hat, natürlich auch weil sie nicht der Aggressor ist, die Dramaturgie der medialen Vermittlung wesentlich besser bespielt." Man könne durchaus sagen, die Ukraine habe den medialen Krieg ziemlich rasch gewonnen. Angesprochen auf die weiteren großen Krisen der Gegenwart, die Klimakrise, die Pandemie und die Krisen der Demokratie meinte Helmberger-Fleckl: „Es braucht den Schritt zum Tun. Es braucht diese kämpferische Hoffnung, basierend auf solider Bildung, dass man etwas zur Verbesserung beitragen kann." Von der Politik erwarte sie sich, dass diese ehrlich kommuniziere was Sache ist. Nur so könne man dem enormen Vertrauensverlust durch die Pandemie und die Korruptionsskandale der vergangenen Jahre gezielt entgegenwirken.

Appell an die Medien: Es braucht eine Kultur des Zuhörens

Peter Plaikner forderte in seinem Abschlussstatement einen neuen gesellschaftlichen Respekt ein. „Die sozialen Medien, die riesigen globalen Stammtische, führen zu einer zunehmenden Verlotterung der Sprache." Es brauche wieder ein neues Zugehen aufeinander, eine Kultur des Zuhörens – und sehr viel von diesem in den Schuhen des anderen zu gehen Lernen, betonte Plaikner. In den sozialen Medien aber auch in vielen anderen Medien sei Tempo zwischenzeitlich viel wichtiger als gute Recherche. Dabei müsse es doch gerade in soliden Medien um gute Recherche und die Suche nach der Wahrheit gehen.

Diskussionsreihe im Jubiläumsjahr des Forums Katholischer Erwachsenenbildung

Das Gespräch mit Doris Helmberger-Fleckl und Peter Plaikner, moderiert von Klaus Thien vom Österreichischen Institut für Erwachsenenbildung, ist Teil einer Reihe des Forums Katholischer Erwachsenenbildung, anlässlich des 25-jährigen Bestehens dieses großen Verbandes der gemeinnützigen Erwachsenenbildung in Österreich. Im Forum haben sich 71 Einrichtungen der kirchlichen Erwachsenenbildung zusammengeschlossen. Rund 700 Hauptamtliche und 11.000 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter engagieren sich für eine zeitgemäße kirchliche Erwachsenenbildung in ganz Österreich.

Online Talk „Wirtschaft und Soziales" mit Franz Küberl

Am 19. Mai 2022, 18.00 bis 19.30 Uhr, findet der nächste Online-Talk des Forums zum Thema „Wirtschaft und Soziales" statt. Franz Küberl, viele Jahre als Präsident der Caritas Österreich tätig, und der an der Universität Wien lehrende Sozioökonom, Andreas Novy, werden sich unter der Moderation von Bernd Wachter über Armut und Verteilungsfragen, über die Krisen des herrschenden Wirtschaftssystems und über Wege für ein sozial-gerechteres Tun unterhalten. Die Teilnahme an dieser Online-Talk-Reihe ist kostenlos und für alle Interessierten möglich.

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