Zwischen Social Media und Fake-News: Woher weht der Wind?
Mitten im medialen Orkan – zwischen Social Media und Fake News – widmet sich das erste Heft der steirischen berichte im Jahr 2021 einem gleichermaßen aktuellen wie kontroversen Thema: der öffentlichen Kommunikation.
Tobias Rehbergers künstlerische Intervention im öffentlichen Raum, eine Zylinderkonstruktion mit Richtungspfeilen, dreht sich mit dem Wind. Gerade hier, an der Grenze zu Slowenien, in Ratsch an der Weinstraße, lädt der Künstler zum Nachdenken über Grenzverschiebungen und damit zur Kommunikation ein. Das Kunstwerk ziert das Titelbild der aktuellen Ausgabe zum Thema "woher der wind weht. Öffentliche Kommunikation".
Früher, so Chefredakteurin Gertraud Schaller-Pressler in ihrem Vorwort, war das Erzählen kein reiner "Zeitvertreib", wie es heute oft scheint, sondern es war vielmehr Überlebenstraining: "Das Gehirn musste imstande sein, den ‚Überblick zu bewahren', Theorien darüber aufzustellen, was ‚die anderen im Schilde führen' mochten, und ‚wer mit wem gut Freund war' oder nicht."
Den Überblick bewahren können ist auch im Kontext von digitalen Medien ein Thema. Trotz dieser Herausforderung und auch wenn wir uns in einer Zeit der Kontaktbeschränkungen wieder nach "echten" Begegnungen sehnen, so wird der Umgang mit digitalen Medien gleichzeitig selbstverständlicher. "Wenn online neben der reinen Wissensvermittlung auch Raum bleibt, auf individuelle Bedürfnisse, Ängste und Sorgen einzugehen, dann ist genau dies die Rolle der Erwachsenenbildung in einer Zeit des Wandels, nämlich jene der Vermittlerin", meint dazu Franz Majcen, der als Präsident des Steirischen Volksbildungswerk auch Herausgeber der steirischen berichte, Zeitschrift für Kulturarbeit und Erwachsenenbildung, ist.
Den Medienwandel im Blick haben
Dass viele der aktuellen Medienphänomene keineswegs so neu sind, wie es scheint, zeigt das Heft anhand von Beiträgen, die den Kommunikationsraum vermessen. Der ehemalige Chefredakteur der Kleinen Zeitung, Kurt Wimmer, etwa skizziert den Weg der Tageszeitungen vom 20. ins 21. Jahrhundert, der von den Setzmaschinen hin zur Diskussion "Rechnet sich Content noch?" führt. Auch Wolfgang Schaller, Chefredakteur im ORF-Landesstudio Steiermark, zeichnet die Rolle des (linear ausgestrahlten) öffentlich-rechtlichen Fernsehens in der Krise nach, als die Zeit im Bild plötzlich wieder zum familiären Fixpunkt wurde.
Wie aber mit Fake News umgehen?
Mit dem aktuellen Medienwandel, in dem zwar alles schneller geworden ist, haben gleichzeitig aber diskursive Erscheinungsformen wie Fake News sowohl die Bildungsarbeit wie auch die journalistische Recherchearbeit intensiviert. Was ist "echt" und was nicht?! Kabarettist Clemens Maria Schreiner zeigt das Dilemma prägnant auf: "Wenn die fantasievollen, von Fake News gestützten Ideenkonstrukte der AlternativrealistInnen im öffentlichen Diskurs nicht vorkommen, dann bestärkt man sie in ihrer Überzeugung, die Medien würden die Wahrheit totschweigen. Gibt man ihnen aber eine Bühne, dann setzt man sie oft gleichberechtigt neben fachkompetente WissenschaftlerInnen und verleiht ihnen so den Anschein von Seriosität. Reden oder schweigen – Pest oder Corona."
Das steirische Projekt NoHate@WebStyria erforscht interdisziplinär Hass im Netz aus medien- und rechtswissenschaftlicher Perspektive und zeigt Wege auf, sich zur Wehr zu setzen – mit der im Beitrag vorgestellten BanHat-App können Hasspostings heute einfach gemeldet werden. Die sogenannte "Cancel-Culture" zwischen "Liken" und "Dissen" steht im Zentrum des Artikels von Hans Putzer. Wernfried Hofmeister wiederum ist historischen Fake News auf der Spur, wenn er den "ominösen Schlachtentod Herzog Friedrichs des Streitbaren" anhand eines "Augenzeugen-Berichts" von Ulrich von Liechtenstein untersucht.
Digital Natives, Lifelong Learning und Non-Verbales
Zwischen Werkstatt und Welt war in der Zwischenkriegszeit jene RadioamateurInnenbewegung in Österreich angesiedelt, die Isolde Seirer-Melinz vorstellt. Getragen wurde diese Bewegung vom "Lifelong Learning"-Gedanken. Die Radiokurse der Erwachsenenbildungseinrichtungen waren nahezu ausgebucht.
Botschafter Johannes Wimmer schildert wiederum seine gegenwärtigen Eindrücke zum Zusammenspiel von Diplomatie und Kommunikation "als uraltes Paar, dem eine große Zukunft bevorstehen könnte".
Wie man die Aufmerksamkeit der Digital Natives, der Generation Z, erreichen kann, legt Elmar Stengg am Beispiel des Kinder- und Jugendtheaters Next Liberty dar: Das junge Publikum sei "gleichberechtigter Dialogpartner", mit dem man mittels Theaterpädagogik im direkten Austausch kommuniziere. Und "ohne Worte" versteht man wiederum die Zeichen und Symbole der Volkskultur, vom "Storch-Aufstellen" nach einer geglückten Geburt bis zum Tragen einer (Gold-)Haube stellt Monika Primas einige steirische Bräuche vor.
Das aktuelle Heft versteht sich als Denkanregung über die öffentliche Kommunikation und als Ideengeber für einen lebendigen Austausch. Es erhebt aber natürlich bei einem so großen und wichtigen Thema keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es kann im Steirischen Volksbildungswerk bestellt werden.
- Die steirischen berichte - Zeitschrift für Kulturarbeit und Erwachsenenbildung
- Das aktuelle Heft "woher der wind weht. öffentliche Kommunikation" hier bestellen
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