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Politische Erwachsenenbildung im Jahr der Jubiläen

14.09.2020, Text: Heidi Buchecker, ÖGPB
Die ÖGPB setzt ihre Vortragsreihe zur politischen Erwachsenenbildung ab Oktober mit vier Terminen fort.
  • Foto: CC BY, ÖGPB, Jubiläen, auf erwachsenenbildung.at
    Besondere Aspekte zeitgeschichtlicher Jubiläen stehen im Mittelpunkt der Vortragsreihe.
  • Foto: CC BY, ÖGPB, auf erwachsenenbildung.at
    Die Vortragsreihe startet am 7. Oktober in der Hauptbücherei Wien.
2020 werden in Österreich gleich mehrere Jubiläen von Ereignissen begangen, die für die Republik Österreich historische Relevanz haben: Vor 100 Jahren trat die Bundesverfassung in Kraft, zum 75. Mal jährt sich die Befreiung vom Nationalsozialismus, vor 65 Jahren wurde der Staatsvertrag unterzeichnet, und vor 25 Jahren trat Österreich der Europäischen Union bei. Mit "Politische Erwachsenenbildung im Jahr der Jubiläen" setzt die Österreichische Gesellschaft für Politische Bildung (ÖGPB) ihre seit 2010 stattfindenden jährlichen Vortragsreihen zur politischen Erwachsenenbildung fort. Ab Oktober finden in Kooperation mit dem Depot und der Hauptbücherei Wien vier Vorträge statt.

Jahr der Jubiläen

Im Rahmen der Vortragsreihe werden jeweils besondere Aspekte der zeitgeschichtlichen Jubiläen herausgegriffen und aus der Perspektive der politischen Erwachsenenbildung näher beleuchtet:

 

Zum 100. "Geburtstag" der – von Hans Kelsen maßgeblich mitgestalteten – Verfassung lohnt sich ein Blick auf das historische wie auf das rezente Verhältnis von Politik und Recht. Ebenso wird der Frage nach der vermeintlichen Kontinuität zwischen der Ersten und der Zweiten Republik nachgegangen.

 

Im Mittelpunkt des Vortrags zur Befreiung vom Nationalsozialismus vor 75 Jahren stehen der Umgang der politischen Parteien mit dem "Opfermythos" in diesem Zeitraum sowie allgemein die Erinnerungs- und Gedenkkultur in der Gegenwart.

 

Der Staatsvertrag mag – auch nach 65 Jahren – bei vielen zunächst den geflügelten Satz "Österreich ist frei!" in Erinnerung rufen; als Gradmesser für die Reife einer Demokratie spielt die Lage der Minderheiten nach wie vor eine zentrale Rolle, hier kommt der Artikel 7 jenes 1955 unterzeichneten Staatsvertrags ins Spiel.

 

25 Jahre nach dem EU-Beitritt Österreichs stehen Analyse und Bestandsaufnahme der Umsetzung von jenen Richtlinien im Fokus, die von der Union Anfang der 2000er Jahre verabschiedet wurden und als Meilensteine in der Antidiskriminierungspolitik gelten.

Vier Vorträge ab Oktober

Von Oktober bis Dezember finden in der Hauptbücherei Wien und dem Depot unter dem Titel "Politische Erwachsenenbildung im Jahr der Jubiläen" bei freiem Eintritt vier Vorträge statt. In allen Vorträgen wird gefragt: Welche politische Rolle spielen die historischen Ereignisse und ihre Nachwirkungen heute? Wie kann und soll politische Bildung die erwähnten Aspekte der Jubiläen adäquat vermitteln und didaktisch begleiten?


Ein "Staat, den keiner wollte": Die Erste Republik in der Zweiten Republik
Mi., 7. Oktober 2020, 19:00 Uhr, Hauptbücherei Wien
 
Das Bundes-Verfassungsgesetz 1920 (i. d. F. von 1929) stellt eine von vielen Kontinuitäten zwischen der Ersten und der Zweiten Republik Österreichs dar. In den Jahrzehnten nach 1945 wurden aber vor allem die Differenzen zwischen den beiden Republiken betont. Weltanschauliche Polarisierung, ökonomische Krisen, Gewalt und politischer Konflikt standen gegen Wohlstand, Stabilität und sozialpartnerschaftlichen Konsens.
Die Erste Republik erscheint zum Teil auch heute noch als Negativfolie der vermeintlichen Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik, die ihre Stärke ja gerade daraus bezog, aus den Fehlern und dem Scheitern ihrer Vorgängerin gelernt zu haben. Damit waren weitreichende vergangenheitspolitische Konsequenzen verbunden, die von der Idealisierung der Monarchie über die Ausblendung der demokratischen und sozialen Aufbauleistungen nach 1918 bis hin zur Hochstilisierung der Zweiten Republik zur "Insel der Seligen" reichen. Eine kritische Differenzierung scheint geboten.
 
Vortragender: Dr. Günther Sandner, Research Fellow am Institut Wiener Kreis, Lehrbeauftragter an der Universität Wien und an der Sozialakademie der Arbeiterkammer Wien.



Meilensteine in der Gleichbehandlung
Mi., 11. November 2020, 19:00 Uhr, Depot, Wien

 

Seit dem EU-Beitritt Österreichs gelten die einschlägigen Gleichbehandlungsrichtlinien. Im Jahr 2000 erweiterte sich das Spektrum über das Geschlecht hinaus. Heute gilt in den Mitgliedsstaaten ein umfassendes Diskriminierungsverbot auch hinsichtlich ethnischer Zugehörigkeit, Religion und Weltanschauung, Alter, sexueller Orientierung und Behinderung. Im Jahr 2000 wurde auch die Notwendigkeit von Gleichbehandlungsstellen erwähnt. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft stellt heute eine wesentliche Institution im Kampf gegen Diskriminierung und für die Förderung von Gleichstellung dar.

 

Vortragende: Mag.a Sandra Konstatzky, Juristin, Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft.


Staatsvertrag zwischen Angebot und Nachfrage
Do., 26. November 2020, 19:00 Uhr, Depot, Wien

 

Beim Österreichischen Staatsvertrag von 1955 denken wohl sehr viele Burgenland-Kroat*innen und Kärntner Slowen*innen an den Artikel 7. Es geht um den Teil des Vertrages, der sich den Mindestbedürfnissen der kroatischen und slowenischen Minderheiten nach Schule sowie Amts- und Gerichtssprache zuwendet. Im Zentrum steht die Forderung nach topographischen Aufschriften. Dieser Punkt war auch der Grund für die Weigerung vieler österreichischer Regierungen, den Forderungen des Staatsvertrages nachzukommen. Es ist der Beharrlichkeit einzelner Minderheitenangehöriger zu verdanken, dass Teile des Artikels 7 umgesetzt wurden.

 

Vortragender: Dr. Vladimir Wakounig, Bildungswissenschaftler, Universität Klagenfurt/Celovec.


Deutungskämpfe. Parteien und (NS-)Vergangenheit
Mi., 9. Dezember 2020, 19:00 Uhr, Depot, Wien

 

1945 wollten die ehemaligen politischen Gegner den demokratischen Wiederaufbau in Angriff nehmen. Die Opferthese wurde zum Gründungsmythos und "master narrative" der Zweiten Republik. Doch bald setzte ein Wettlauf um die Wählerstimmen der ehemaligen Nationalsozialist*innen (und ihrer Angehörigen) ein. Nicht wenige von ihnen fanden in ÖVP und SPÖ ihre politische Heimat; ihr eigentliches Sammelbecken war aber der Verband der Unabhängigen (VdU) und die Nachfolgepartei FPÖ. Mit der Haltung der Nachkriegsparteien zum Nationalsozialismus, Austrofaschismus und zu "Ehemaligen" gingen und gehen (Beispiel: FPÖ-"Historikerbericht") Deutungskämpfe einher.

 

Vortragende: Dr.in Margit Reiter, Professorin für Zeitgeschichte an der Universität Salzburg.

 
 
 
 
Weitere Informationen:
 
 
 
 
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