Zeichen gegen den Trend setzen

17.01.2019, Text: Christine Bärnthaler, Redaktion/CONEDU
DIE-Forum 2018 zeigt das Potenzial der Erwachsenenbildung zur Stärkung strukturschwacher ländlicher Regionen auf.
Weiterbildung als zentraler Faktor zur Stärkung ländlicher Regionen
Foto: Alle Rechte vorbehalten, Marco Rothbrust, Forum DIE Bonn, auf erwachsenenbildung.at
Das DIE-Forum 2018 des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung stand unter dem Motto "Regionale Weiterbildung gestalten. Disparitäten überwinden". Die TeilnehmerInnen diskutierten dabei aktuelle Herausforderungen und Gestaltungsansätze für die Erwachsenenbildung in ländlichen Regionen: Wie kann die Erwachsenen- und Weiterbildung die regionale Entwicklung unterstützen, welche Strukturen und Aktionsmuster müssen verändert werden und was kann die Politik unterstützend dazu beitragen? Die OrganisatorInnen griffen damit ein sehr aktuelles Themenfeld auf, das mit Keynotes, in Arbeitsgruppen sowie einer Podiumsdiskussion fachkompetent be- und verarbeitet wurde.

 

Erwachsenenbildung hat eine zentrale Rolle in einer älter werdenden Gesellschaft

DIE-Mitarbeiterin und Weiterbildungsforscherin Karin Dollhausen, die gemeinsam mit Sarah Widany die Veranstaltung fachlich leitete, fasste die Erkenntnisse aus der Veranstaltung wie folgt zusammen: "Insgesamt war es eine konstruktive, nach vorne blickende Diskussion, zentrale Probleme wurden benannt und an vielen Beispielen aufgezeigt, wie die Erwachsenenbildung mit innovativen sowie kooperativ vernetzten Angebotsentwicklungen dazu beitragen kann, die Regionen vorwärts zu bringen. In den strukturschwächeren und von Abwanderung betroffenen Regionen erfüllt die Erwachsenenbildung eine wichtige Funktion. Denn gerade für ältere Menschen kann das gemeinsame Lernen ein wichtiger Schritt zur weiteren aktiven Teilhabe und zum bürgerschaftlichen Engagement sein. Um dieses Potenzial der Erwachsenenbildung konsequent zu nutzen, braucht es das Zusammenwirken zwischen lokalen und kommunalen AkteurInnen vor Ort mit der Erwachsenenbildung." Im positiven Sinne überraschend ist für Dollhausen die Erkenntnis, dass bereits eine Fülle an Ansätzen und Projekten in den Regionen vorhanden ist.

 

Der Erziehungswissenschaftler Ulrich Klemm ging in seinem Input auf die Besonderheiten der ländlichen Bildungsarbeit ein: "Ländliche Regionen sind eigenständige und alternative Lebens- und Kulturräume gegenüber urbanen Metropolen. Die Weiterbildung muss sich an der Situation vor Ort orientieren. Eine wesentliche Chance liegt in der Kooperation ländlicher Regionen mit Erwachsenenbildungseinrichtungen", betonte Klemm, der eine der drei Arbeitsgruppen leitete.

 

"Weiterbildungsangebot muss stärker auf die Bedarfe der kleinen Unternehmen eingehen"

Zwischen dem regionalen Arbeitsmarkt und der Weiterbildung in den Regionen wurde eine wechselseitige Beziehung erkannt. Viele kleine Unternehmen, insbesondere aus dem produzierenden Handwerk, leiden unter der Abwanderung gut qualifizierter Fachkräfte und suchen daher Unterstützung, um die Kompetenzentwicklung der Mitarbeitenden und damit den Standort zu stärken. So öffnen sich laut DIE-Mitarbeiterin Dollhausen insbesondere kleinere Unternehmen in ländlichen Regionen Deutschlands derzeit stärker für das Angebot der Weiterbildungsträger. Dies bedeutet, dass Kooperationen und Abstimmungsprozesse zwischen EB und Kleinunternehmen erforderlich werden, um bedarfsorientierte Weiterbildungsangebote für die Mitarbeitenden zu entwickeln. Laut Dollhausen ist es eine Stärke der EB, dass sie solche Prozesse anregen kann. Der Wille reicht jedoch nicht immer aus, die politischen Rahmenbedingungen müssen so gesetzt sein, dass die AkteurInnen auch handeln können. Denn zahlreiche innovative Projekte kommen nur durch Anstoßfinanzierungen zustande. Es müsse gestufte Fördermodelle geben, um Projekte aufzubauen, die sich auf Dauer selber finanzieren. Dazu könne man auch auf vorhandenen Fördermassnahmen aufbauen, um diese besser zu nutzen und kooperativ neu zu verhandeln, so die Wissenschaftlerin.

 

In ländlichen Regionen sind soziale Innovationen gefragt

Die Eingangs-Keynote von Sozialwissenschaftlerin Gabriele Christmann hat dazu beigetragen, die Bedeutung von sozialen Innovationen im ländlichen Raum zu verdeutlichen: "Ländliche Räume, vor allem Landgemeinden sind in Westeuropa im Vergleich zu Städten immer noch unterbeforscht. Es gibt Bedarf an Forschung zu sozialen Innovationen - vor allem in strukturschwachen ländlichen Regionen, die häufig als traditionsorientiert und innovationsfern angesehen werden. Wichtig ist es, geeignete "Schlüsselfiguren" als Triebkräfte zu gewinnen, die längerfristig die Koordination von sozialen Innovationsprojekten übernehmen und als "Kümmerer" neue Impulse und Ideen in die Region bringen. Besonders geeignet seien dafür oft Neu-Zugezogene oder RückkehrerInnen, die einen distanzierten Blick mitbringen. Ohne lokal und möglichst institutionell verankerte AkteurInnen gehe jedoch nichts", so Christmann. Sie empfiehlt die Etablierung von regionalen sozialen Netzwerken durch gezielte Maßnahmen wie Wissensaustausch u.a. mittels Online-Plattformen, durch spezielle Förderprogramme oder Antrags-Coaching. "Wissen ist in jeder Phase des Innovationsprozesses zentral für den Erfolg von innovativen Projekten". Die EB kann vor Ort den kommunikativen Austausch fördern durch Bereitstellung von Räumlichkeiten für Treffen oder Zusammenarbeit sowie durch die Organisation moderierter Formate des kommunikativen Austauschs wie z.B. Erzählsalons, Zukunftswerkstätten, Co-Working Spaces etc.

 

Projekte aus Deutschland und Österreich mit DIE-Innovationspreis ausgezeichnet

Im Rahmen der Veranstaltung wurde auch der DIE-Innovationspreis der Erwachsenenbildung - der "Oscar" der EB in Deutschland - der alle zwei Jahre innovative und praxiserprobte Initiativen auszeichnet, die der Erwachsenenbildung neue Impulse geben, feierlich verliehen. Dabei zeichnete die Jury das westfälische Projekt "Digitale Kompetenz für Bürgerinnen und Bürger im ländlichen Raum" sowie das LEADER-Projekt "Lern@Fest - Lebenslanges Lernen in der Region Villach-Umland" aus Kärnten gleichrangig aus. Laut Jury gelang es beiden Projekten in herausragender Weise, jeweils spezifische Hürden vor Ort zu meistern, ihre Chancen für die Schaffung gesellschaftlich relevanter Weiterbildung zu ergreifen, gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stiften und die soziale Teilhabe der BürgerInnen zu stärken. "Sicher kann die Weiterbildung politisches, wirtschaftliches und zivilgesellschaftliches Handeln nicht ersetzen, aber sie kann es flankieren, sie kann Potenziale wecken und dazu motivieren, sich zu beteiligen. Die PreisträgerInnen haben gezeigt, dass es begeisterte, mutige und engagierte Personen braucht, die etwas Neues vorantreiben...", so die VeranstalterInnen.

 

Das von Bund und Ländern geförderte Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE) mit Sitz in Bonn forscht zu Fragen des Lernens und Lehrens Erwachsener, der Weiterbildungs- programme, der Weiterbildungseinrichtungen sowie des politischen und institutionellen Kontextes des Lebenslangen Lernens. Das seit 1997 jährlich stattfindende DIE-Forum greift aktuelle Themen im Bereich der Erwachsenenbildung auf, um diese im Berufsfeld mit VertreterInnen aus Wissenschaft, Politik und Praxis kritisch zu diskutieren und gemeinsam Perspektiven zu entwickeln.

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