Ja, das ist MEINE Musik!

21.03.2018, Text: Ingrid Pfeiffer, Redaktion: Karin Schräfl, Forum Katholischer Erwachsenenbildung
Biographiearbeit, IT und Musik verbunden in einem intergenerativen Projekt des Katholischen Bildungswerks Kärnten (Serie: Generationen in der Erwachsenenbildung).
Intergenerationelles Projekt: Ja, das ist MEINE Musik!
Foto: CC BY, KBW Kärnten, auf erwachsenenbildung.at
Folgt man psychologischen und neurobiologischen Erkenntnissen, bekommt man bestätigt, was jeder Mensch schon erfahren hat: Musik wirkt direkt auf unsere Gefühle, sie kann beispielsweise froh, ja geradezu euphorisch machen oder zu spontaner Bewegung anregen. (Geschäfte wissen die starke Wirkung der Musik für die Umsatzsteigerung zu nützen. Denn das erwünschte Ergebnis stellt sich selbst bei Berieselung mit musikalischer Massenware ein.)

 

Musik, die einem Menschen persönlich wichtig ist, die vielleicht im Laufe seines Lebens prägend war, besitzt noch eine weit größere Wirkkraft. Bei dieser Überlegung setzte das von Barbara Mödritscher vom KBW Kärnten entwickelte Projekt an. Die pädagogische Psychologin und Gerontologin ist seit 16 Jahren für die SeniorInnenbildung im KBW Kärnten verantwortlich.

 

Biographiearbeit ist v.a. in Bildungsangeboten für ältere Menschen einer der wesentlichen Ansätze. In „Ja, das ist MEINE Musik!" wurde sie mit IT und Musik zusammengeführt, eine innovative Kombination, wie allseits bestätigt wird.

 

Um all diese Lern- und Erfahrungsebenen gut erschließen zu können, lud man für den IT-Bereich Fabian Smolnik als Mitarbeiter ein. Er ist 21 Jahre, Musiker und war zur Zeit des Projekts Zivildiener im KBW. Durch seine Mitwirkung kam also auch der beabsichtigte intergenerationelle Aspekt hinzu.

 

Weg und Ziel

Aus den genannten Komponenten wurde ein Workshop in drei Teilen, der sich an Interessierte über 60 Jahre richtete.

 

Die Biographiearbeit öffnete den Erinnerungsfluss, wobei der Austausch unter den Teilnehmenden verstärkend wirkte. Wurde nach den Musikstücken gesucht oder nach den Erinnerungen, die sich damit verbinden? Was war das eine, das das andere herauf brachte? Nicht um diese Frage zu beantworten, waren die Teilnehmenden gekommen, sondern um sich dem Fluss zu überlassen und schließlich die Musik als Fundstücke zu heben – und zu behalten. „Biographiearbeit ist Schatzsuche", sagt Barbara Mödritscher. Das Bergen des Schatzes bestand darin, die einzelnen Lieder und Musikstücke im Internet zu finden und zu lernen, sie herunterzuladen und auf CD oder USB-Stick zu fixieren. Dazu verhalf das Wissen Fabian Smolniks, der mittels eines aus eigenem Antrieb verfertigten Handouts dafür sorgte, dass das neu erworbene Wissen nicht wieder verlorenging.

 

Die Ergebnisse wurden von den Teilnehmenden als „musikalische Hausapotheke", „Vermächtnis" oder „musikalisches Testament" bezeichnet. Denn neben der Freude während des Workshops selbst, war damit verloren Geglaubtes nicht nur wiedergefunden, sondern auch festgehalten; für den eigenen Gebrauch, damit die Nachkommen nachhören können, was ihre Mütter bewegt hat. Nicht zuletzt aber könnten diese persönlichen Sammlungen zum Einsatz kommen, wenn man pflegebedürftig wäre und vielleicht durch nichts außer Musik mehr erreicht werden kann. Die Forschung belegt, was alle wissen, die mit pflegebedürftigen Menschen zu tun haben: Von Musik ist man erreichbar bis zuletzt.
Für den Moment aber ging es vor allem darum, die ganz persönliche Hitparade immer griffbereit zu haben und zu wissen, wie sie bei Bedarf zu ergänzen wäre.

 

Ausblicke

Diese erste Workshopreihe war nur ein Anfang. Geplant ist, sie in die SeniorInnengruppen zu integrieren, die unter dem Namen „Mitten im Leben – Gruppen" seit vielen Jahren im KBW Kärnten durchgeführt werden. Wenn auch möglichweise nicht immer das ganze Programm übertragbar sein wird, so sind es jedenfalls Teile. Lilo Triebelnig, Teilnehmerin am Projekt und selbst langjährige Leiterin solcher Gruppen nimmt eine wichtige Erfahrung mit in ihre Arbeit mit den älteren Menschen, gerade weil es eine zutiefst persönliche war. Sie hat inzwischen auch ihre Schwester gebeten, eine solche Musikbiographie zu erstellen, damit sie ihre Erinnerungen vergleichen können.

 

Fabian Smolnik bleibt über seine Zeit als Zivildiener hinaus im KBW und wird berufsbegleitend im Herbst mit dem Studium der Erziehungs- und Bildungswissenschaften beginnen.

 

Für Barbara Mödritscher war es das letzte große Projekt ihrer aktiven Berufstätigkeit, und sie hat das gar nicht so undeutliche Gefühl, dass es genau mit dieser Sache für sie weitergehen wird.

 

Und die TeilnehmerInnen zukünftiger „Ja, das ist MEINE Musik"-Workshops? Freunde und Freundinnen schenken die Workshops inzwischen einander zum Geburtstag.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in: Erwachsenenbildung - Vierteljahresschrift für Theorie und Praxis, Heft 4/ 2017

 

Serie: Generationen in der Erwachsenenbildung

Als Trendbegriff der Weiterbildung wird "Generation" oft verwendet, um verschiedenen Alterskohorten bestimmte Verhaltensmuster und Wesensmerkmale zuzuschreiben. Was steht hinter plakativen Begriffen wie "Generation X/Y/Z", "Millennials" oder "Silver Surfers"? Welche Unterschiede lassen sich zwischen Jüngeren und Älteren festmachen, in dem, wie sie leben, arbeiten und lernen bzw. sich bilden (möchten)? Wie können Angehörige verschiedener Generationen, aber auch Menschen aus unterschiedlichen sozialen Hintergründen sinnvoll voneinander, miteinander und übereinander lernen? Die Serie "Generationen in der Erwachsenenbildung" bündelt Reflexionen zum Konzept der Generationen, aber auch Beispiele guter Praxis und wirft damit einen multiperspektivischen Blick auf den Trendbegriff der Generationen. Alle bisher zur Serie #ebgen erschienenen Beiträge finden Sie hier.

Weitere Informationen:

Verwandte Artikel