Community Education: Von der Integration im Kleinen zur Inklusion vor Ort

08.07.2016, Text: Charlotte Christina Fink, Pädagogische Mitarbeiterin, Katholisches Bildungswerk Steiermark, Redaktion: Karin Schräfl, Forum Katholischer Erwachsenenbildung
Community Education verknüpft Bildung vor Ort mit Integrationsanliegen und dem Bestreben nach Sensibilisierung und Empowerment. (Serie: Erwachsenenbildung in der Migrationsgesellschaft)
Treffpunkt Eltern: ModeratorInnenschulung
Foto: Katholisches Bildungswerk Steiermark
Community Education meint die Konzeption und Organisation von Bildungsprogrammen und Veranstaltungen mit Gemeinwesen-Orientierung und zielt vor allem darauf ab, gesellschaftliche Teilhabe und Selbstermächtigung (Empowerment) zu ermöglichen und Bildungsbarrieren zu überwinden. In einer von Migration und der Diskussion um sinnvolle Integrationskonzepte geprägten Gesellschaft bietet sich der Blickwinkel Community Education also nicht nur als Ziel, sondern als praxisorientiertes Handlungswerkzeug an: Im Sinne des Community Education-Ansatzes wird angeregt, dass Menschen das Leben in der Gemeinde und Nachbarschaft (Community) aktiv mitgestalten. Die reine Schaffung von Lernorten weicht demnach dem Bestreben als Bildungseinrichtung "auch Strukturen und Know-How zur Verfügung zu stellen, die bzw. das die Menschen in den Communities für sich nutzen können", so Friesenbichler in einer Nachricht von 2013 zum Thema.


Integrationsstrategie trifft Integration vor Ort

"Unverrückbare Tatsache ist […], dass Gesellschaft vielfältig ist. Und nicht diese vorgefundene Vielfalt ist das Problem, sondern der Umgang mit ihr", heißt es unmissverständlich in der Charta des Zusammenlebens in Vielfalt in der Steiermark beispielsweise, dem Grundsatzpapier zur Integrationsstrategie des Landes Steiermark. An der Basis sind "Nicht diskriminieren", "Chancengleichheit erhöhen", "Barrieren abbauen" und "Teilhabe ermöglichen" als wesentliche Maßnahmen genannt, um die Handlungsfelder der Charta zu bedienen. Integration muss also im Kleinen beginnen, um im Großen zu fruchten. In der Übersetzung von politischen Leitlinien in Handlungsspielräume für die Bevölkerung vor Ort stellt Bildung dabei ein wesentliches Vehikel für gelungene Integration dar, da sie Informationen vermittelt und Begegnungsräume schafft.

Bildung als All-in-One Paket: Begegnung, Austausch, Sensibilisierung und Information

Bildungssprachlich ist Integration als (Mit-)Einbeziehung und Eingliederung in ein Ganzes zu verstehen. Die Herausforderung besteht also darin einerseits Formate zu entwickeln, welche die Einbindung von speziellen Personengruppen unterstützen und andererseits "Übersetzungshilfe" zu leisten in Bezug auf das, was auf Leitungsebenen erarbeitet wird. Leitfäden mit konkreten Bildungsmaßnahmen und Good Practice-Beispielen zur Umsetzung von Integration in den verschiedenen Regionen und Communities beispielsweise erweisen sich hierbei als ebenso hilfreich wie Entwicklungsworkshops mit Bildungsverantwortlichen und VertreterInnen lokaler Initiativen. Auch zeigen bestehende Angebote wie das Elternbildungsprojekt "Treffpunkt Eltern", wie sehr Teilnehmende und Mitarbeitende vom gemeinsamen Austausch und Miteinander Tun profitieren.

Hoffnungsfunke Elternbildung: "Treffpunkt Eltern"

Viele Eltern, vor allem in ländlichen Regionen, werden mit herkömmlichen Bildungsangeboten nicht erreicht und es bedarf eines neuen Ansatzes, um integrative Bildungsarbeit leisten zu können. Bei "Treffpunkt Eltern", einem Elternbildungsprojekt des Katholischen Bildungswerks Steiermark, haben Eltern die Möglichkeit im Rahmen einer Austausch- und Gesprächsrunde in ihrer Erstsprache (von Arabisch über Rumänisch bis Türkisch) gemeinsam mit anderen Eltern über ein bestimmtes Erziehungsthema intensiv ins Gespräch zu kommen. Dafür eigens geschulte ModeratorInnen begleiten und moderieren das Gespräch bzw. organisieren die Veranstaltungen in den Communities vor Ort und sorgen bei den Veranstaltungen für Rahmen und Inhalt. Zielsetzung ist die Schaffung eines durchwegs niederschwelligen Angebots für Eltern mit Migrationshintergrund, bei denen die Förderung elterlicher Kompetenz um die aktive Auseinandersetzung mit Unterschiedlichkeiten ergänzt wird und die aktive Einbindung bislang unerreichter Zielgruppen im Vordergrund steht.


Eltern aus den Communities als Teilnehmende werden dabei genauso in die Konzeption und Organisation miteinbezogen wie die ModeratorInnen als MultiplikatorInnen: Ausgehend von den Rückmeldungen der Eltern, d.h. bedarfs- und bedürfnisorientiert, werden neue Materialien erstellt; sie werden als ModeratorInnen geschult, um selbst in den Communities Veranstaltungen anzubieten (Peer-to-Peer-Konzept). Auf der ModeratorInnenebene geht es vor allem um das Sichtbarmachen von bürgerschaftlichem Engagement und der Stärkung und Unterstützung von engagierten Menschen - sie können ihre Ressourcen und Erfahrungen in wertvoller und anerkannter Weise in die Gesellschaft einbringen.

Von der Integration zur Inklusion: Yes, we can!

Tatsächlich wäre die Inklusion aller Bevölkerungsgruppen wünschenswert, d.h. immer alle Menschen selbstverständlich miteinzubeziehen und eine gleichberechtigte Teilhabe (an Bildung, politischer Mitgestaltung usw.) nicht nur zu positiv zu bewerten, sondern aktiv zu ermöglichen. Während Integration bedeutet punktuell Räume zu schaffen, die gezielt Personengruppen ansprechen, zielt Inklusion also auf das vollständige und selbstverständliche Miteinbeziehen von Menschen ab.


Ein verstärkter Community Education-Ansatz gepaart mit der Grundannahme von Bildung als wesentlichem Vehikel für gelungene Inklusion erweist sich hierbei als besonders sinnvoll. Durch die Kontaktaufnahme mit und die Einbindung der relevanten Zielgruppen werden diese angeregt, ihr unmittelbares Umfeld und Prozesse selbst mitzugestalten - und dabei werden Prinzipien von Empowerment bzw. Partizipation, Selbstbestimmung und Kooperation erfolgreich und unaufgeregt mit Inklusionsbestrebungen verknüpft.

 

Serie: Erwachsenenbildung in der Migrationsgesellschaft
Integrationskurse und Spracherwerb mögen ein Anfang sein. Doch wenn es um den sozialen Wandel geht, der mit Zuwanderung verbunden ist, sind die Menschen mit Migrationserfahrung nur eine der Zielgruppen von Erwachsenenbildung. Die Anforderungen der Migrationsgesellschaft betreffen uns alle. Fragen nach Teilhabe, Verständigung und Zusammenleben stellen sich immer wieder neu. Wie Erwachsenenbildung diese Anforderungen beschreibt, reflektiert und deutet, und welche Angebote für Lernen und Bildung sie ihnen entgegen bringt, ist Gegenstand einer Serie von Artikeln auf erwachsenenbildung.at. Alle Beiträge in der Serie finden Sie hier.

Quellen:

 

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