KEBÖ-Jahrestagung thematisiert Herausforderung Demokratie

01.10.2019, Text: Michaela Schneider, BFI Österreich
Die diesjährige KEBÖ-Jahrestagung befasste sich mit dem Zustand der Demokratie und was die Erwachsenenbildung zu ihrer Stärkung beitragen kann.
Gudrun Hentges untersuchte Ursachen der Demokratiekrise und stellte Zukunftsperspektiven vor
Foto: Alle Rechte vorbehalten, ÖGB Bildarchiv/Thomas Reimer, Input von Professorin Hentges (Universität zu Köln), auf erwachsenenbildung.at

KEBÖ greift bei Jahrestagung brisante Materie auf

Am 26. September 2019 trafen sich rund 120 Fachleute im Wiener Catamaran zur Jahrestagung der Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs (KEBÖ). Das Thema der Veranstaltung unter der Vorsitzführung von Dr. Michael Sturm, Berufsförderungsinstitut Österreich, lautete "Herausforderung Demokratie". In ihrer Begrüßung unterstrich die Vizepräsidentin des ÖGB, Korinna Schumann, die Rolle der Erwachsenenbildung: "Die Möglichkeit, einen kritischen Geist zu entwickeln, kann nur in unser aller Interesse sein." Die wissenschaftliche Sicht auf zentrale Fragestellungen kam von zwei namhaften GastreferentInnen.

Krise der Demokratie

Dr. Gudrun Hentges, Professorin für Politikwissenschaft an der Universität zu Köln, wo sie u. a. zu Rechtspopulismus und Rechtsextremismus forscht und lehrt, stellte in ihrem Input über die Krise der Demokratie verschiedene Demokratietheorien vor, ging auf die neue Rechte ein und zeigte Perspektiven einer transformativen Demokratie auf. Der Demokratiekrise attestiert sie neben einer politischen auch soziale, wirtschaftliche und ökologische Dimensionen. Weil die Krise komplex ist, muss es auch die Lösung sein.

Demokratie im Wandel: Wie sie gelingen kann

Für Hentges ist die Krise der Demokratie nicht episodenhaft, sondern strukturell. Und sie versteht sie als Symptom tieferliegender Konflikte, v. a. eines Antagonismus zwischen Wirtschaft und Gesellschaft und einer sich daraus ergebenden Ungleichheit. Heute ist das gesellschaftliche Eigentum so ungleich verteilt wie zuletzt vor 100 Jahren. Um diesen und andere Missstände zu beseitigen und den Fortbestand der Demokratie zu sichern, sei Folgendes unverzichtbar:

  • Gesellschaftliche Antagonismen müssen sichtbar gemacht werden.
  • Das Recht ist stärker regulierend einzusetzen.
  • Die Care-Ökonomie (d. h. Kinderbetreuung und -erziehung, das Sichkümmern um Kranke und Bedürftige und die Pflege alter Menschen) ist als Teil sinnvoller gesellschaftlicher Arbeit neu zu diskutieren.
  • Es braucht eine Lösung für die humanitäre Katastrophe der Fluchtmigration.
  • Der gesellschaftliche Reichtum ist demokratisch umzuverteilen, z. B. durch eine steuerpolitische Abschöpfung von Gewinnen aus der Digitalisierung.
  • Entwicklungen der Wirtschaft und der transnationalen Konzerne sind in die Neuausrichtung der Demokratie einzubeziehen.

Wichtig dafür sind Aufklärungsarbeit und politische Bildung in unterschiedlichen Formaten.

Demokratiebildung – Beispiele aus der KEBÖ

Den Beitrag der Erwachsenenbildung zur Demokratiebildung präsentierten drei KEBÖ-Verbände anhand einer Auswahl.

 

So bietet der Ring Österreichischer Bildungswerke einen modularen Lehrgang – "Politik transparent" – mit 30 Unterrichtseinheiten an. Interessierte können lernen, wie Politik auf Gemeinde-, Landes-, Bundes- und EU-Ebene funktioniert, Institutionen besuchen und PolitikerInnen treffen.

 

Der Verband Österreichischer Volkshochschulen hat (gemeinsam mit dem Demokratiezentrum Wien) einen kostenfrei zugänglichen Onlinekurs entwickelt. Dieser Demokratie-MOOC (Massive Open Online Course, dt. offener Massen-Online-Kurs) umfasst zehn Themenbereiche, in die man sich in beliebiger Reihenfolge vertiefen kann. Videos erklären, was Demokratie und moderne Gesellschaften ausmacht. Außerdem ermutigen sie zu politischem Engagement und Mitgestaltung.

 

Das Forum Katholischer Erwachsenenbildung führt beispielsweise in Oberösterreich Veranstaltungen zur Demokratiebildung durch – dezentral und nah an den Menschen. Dazu zählen die Seminarreihe "Demokratie konkret erleben", die sich mit den Gelingensbedingungen von Demokratie und gegenwärtigen Aushöhlungstendenzen befasst, sozialpolitische Reisen und Sozialstammtische zu aktuellen sozial- und gesellschaftspolitischen Themen.

Demokratiegefährdung und Gegenstrategien

In seinem Input ging Günther Ogris von SORA der Frage nach, was die Demokratie gefährdet und wie wir sie retten können. Auch Ogris führt Vermögenskonzentrationen und Ungleichheit als Bedrohung für die Demokratie an. Gegensteuern lässt sich mit Bildung: "Erwachsenenbildung hilft", ist Ogris überzeugt. Denn Offensein für Neues geht mit einer höheren Akzeptanz von Demokratie einher. Außerdem plädiert er dafür, sich zu engagieren – gegen Privatisierung, für Datenschutz, ArbeitnehmerInnenschutz, MieterInnenschutz und die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Parteien zu unterstützen, die ein positives Menschenbild vertreten und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sind, und in progressiven NGOs mitzuarbeiten oder als Unternehmen mit ihnen zu kooperieren. Nicht zuletzt sollten wir auch darüber reden, wie wir uns die Zukunft vorstellen.

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