ErwachsenenbildnerIn - Beruf oder Berufung?

05.09.2019, Text: Ingrid Pfeiffer, Redaktion: Karin Schräfl, Forum Katholischer Erwachsenenbildung
Erwachsenenbildnerin zu sein ist für Brigitte Lackner beides. Ein Interview über klickende Neuronen und den Weg zur Erwachsenenbildung. (Serie: Arbeit und Erwachsenenbildung)
Brigitte Lackner bei ihrer Beruf(ung)s-Ausübung
Foto: Alle Rechte vorbehalten, auf erwachsenenbildung.at

Ingrid Pfeiffer: Wie wird man das, was Sie sind? Diese Frage ist dir vor kurzem wirklich gestellt worden. Wie kam es dazu?

Brigitte Lackner: Es war eine ganz normale Situation in einem Seminar. Während der Pause war ich am Flipchart beschäftigt, da trat eine Teilnehmerin auf mich zu und fragte mich das.

Das zeigt doch Wertschätzung und Interesse. Ich kann mir vorstellen, dass die Frage in einem weiterarbeitet.

Ja, genau so war es. Erwachsenenbildnerin zu sein und, wie in meinem Fall mit Spezialisierung auf Elternbildung, ist fast nie das Ergebnis eines geradlinigen Ausbildungswegs. Natürlich hätte ich die Frage mit Hinweis auf die eindeutigen Ausbildungen der letzten 10 bis 12 Jahre beantworten können, aber so stimmt das einfach nicht. Ich bin ja nicht wegen meines ABI-Diploms dort gestanden. (ABI steht für Ausbildungsinstitut Erwachsenenbildung Niederösterreich)

Das heißt, will man etwas über ErwachsenenbildnerInnen erfahren, sollte man sich Zeit nehmen, ihre Lebensgeschichte zu hören.

(lacht) Ich war keine gute Schülerin, das heißt, gut war ich nur, wenn die LehrerInnen gut waren.

Was heißt hier "gut" für dich?

Wenn sie in mir Eigenes anregen konnten. Meine erste Erfahrung mit Storytelling als Methode zum Beispiel geht auf meine Geographie-Lehrerin zurück. Und erst viel später habe ich erkannt, dass ich selbst genauso unterrichten mag. Ich will die Neuronen bei den Teilnehmenden klicken hören – und ich höre sie klicken, wenn die Art, wie ich unterrichte zu Anschlusslernen führt.

Also war es doch ein gradliniger Weg.

Nein, gar nicht. Ich hatte nicht die Absicht, diesen Beruf zu ergreifen. Das Interesse hat mich gepackt, weil ich das selbst erlebt hatte. Aber davor gab es noch einige Umwege. Mein erstes Studium habe ich nicht beendet. Dann bin ich in einem Organisationsjob bei der Katholischen Jugend gelandet. Es war die Zeit des umstrittenen Sexkoffers. Und man hat – warum weiß ich nicht – u.a. mich ausgesucht, um damit in Schulen zu gehen. Im Gepäck quasi hatte ich nichts anderes als Material und ein bisschen Erfahrung aus meiner ehrenamtlichen Jugendarbeit in der Pfarre. Das pädagogische Interesse ist mit den eigenen Kindern gewachsen. Anfang der 1990er Jahre, angeregt durch die Montessori-Pädagogik und meinem persönlichen Wunsch, es irgendwie "anders" zu machen. Nicht weil meine Kindheit so furchtbar war, sondern weil ich überzeugt war, es gibt noch etwas Anderes. Hängen geblieben bin ich bei der Montessori-Pädagogik und das nicht, weil ich daraus einen Beruf machen wollte. Es ging mir nicht darum, damit ein berufliches Ziel zu erreichen.

Könnte es sein, dass gerade diese Absichtslosigkeit hilfreich war?

Es kommt mir so vor. Denn meine nächste Station, einen Kindergarten, fand ich nur, weil mir für die Montessori-Ausbildung noch eine Praxiseinheit im Kindergarten fehlte. Dort blieb ich dann. Und schon war ein Beruf daraus geworden.

Aber noch immer waren nicht Erwachsene dein Gegenüber.

Das stimmt und stimmt nicht. Denn ich organisierte Elternabende und dergleichen und merkte bald, dass mir das sehr liegt. Und schon steckte ich in der nächsten Ausbildung, dem ABI-Diplomlehrgang mit Schwerpunkt Elternbildung und dann noch ein Jahr Gruppenprozessbegleitung, was nahtlos in die wba Diplomierung überging, übrigens als eine der Ersten in Österreich. Diese Jahre waren entscheidend. Meinem Gefühl nach habe ich noch einmal die Schule besucht, nur diesmal mit der durchwegs positiven Erfahrung, es mit Menschen zu tun zu haben, die mir mein Anschlusslernen ermöglicht haben und mir damit gleichzeitig einen Weg gezeigt haben. Damit war dann die Entscheidung für die Arbeit mit Erwachsenen gefallen. Ich hörte – ohne Plan B – mit der Arbeit im Kindergarten auf.

Die Frage, wie man das wird, was du bist, ist wirklich nicht einfach zu beantworten! Was braucht es alles dazu, um diese Art der Karriere zu realisieren?

Ich hatte wirklich immer günstige Rahmenbedingungen und war von Menschen umgeben, die diese Entwicklung möglich gemacht haben. Darum bin ich auch nicht lange ohne Plan B geblieben. Weil mich zunehmend die Grenze zwischen Bildung und Beratung zu beschäftigen begann, habe ich die Ausbildung zur Lebens- und Sozialberaterin und zum Coach gemacht. Als ich gerade dabei war, mich als Erwachsenenbildnerin und Beraterin selbständig zu machen, kam das Angebot des Forums Katholischer Erwachsenenbildung. Seit 2008 ist dort mein Arbeitsmittelpunkt in der Koordination und Entwicklung des Bereiches Elternbildung.

Nun hat die Erwachsenenbildung – zumal in einem Dachverband – einen ziemlichen Anteil an Organisatorischem. Kommt da dein Hang zur praktischen Arbeit mit Menschen nicht zu kurz?

Mir sind beide Bereiche wichtig. Die gegenseitige Ergänzung von praktischem Arbeiten und Organisation entspricht mir sehr. Ich habe auch nie aufgehört, selbst mit Eltern und auch in der Ausbildung von ElternbildnerInnen tätig zu sein. Auch an der Entwicklung neuer Formate bin ich, gemeinsam mit KollegInnen ständig dran. Nur zwei Beispiele: eltern.tisch und die Webinarreihe elternweb2go. Überhaupt ist das Lernen im digitalen Bereich zu einem meiner Schwerpunktinteressen geworden, einerseits weil es das Lernen bereichert und andererseits weil es schon ein Stück der Zukunft in sich hat, auf die wir uns zubewegen.

Auch wenn du, wie es aussieht, für die Zukunft gar keinen Plan B brauchst, weißt du schon, wohin deine Interessen dich leiten werden?

Nachdem ich von 2011 bis 2013 den Uni-Lehrgang Erwachsenenbildung/Weiterbildung absolviert habe, könnte ich mir gut ein weiteres Studium vorstellen. Sollte es dazu kommen, werde ich es ebenso absichtslos und nicht auf einen Zweck gerichtet tun wie alles Bisherige. Wichtig ist mir, weiter selber zu unterrichten, das Entworfene in der Praxis zu erproben und zu sehen, wie es bei der Zielgruppe ankommt. Nur so kann ich meine organisatorischen Aufgaben, wie ich mir das vorstelle, erfüllen.

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für deine Zukunft in der Erwachsenenbildung.

 

Das Gespräch führte Ingrid Pfeiffer, Bildungsbeauftragte im Forum Katholischer Erwachsenenbildung.

 

Serie: Arbeit und Erwachsenenbildung

Weiterbildungen in Vorbereitung auf die Erwerbsarbeit und in deren Kontext bilden einen großen Teil der Bildungsteilnahmen in Österreich. Erwachsenenbildung im Kontext von Arbeit betrifft somit viele Menschen unmittelbar – auch ErwachsenenbildnerInnen. Wie sich ihr Beruf gestaltet und entwickelt, sind Fragen, die berühren. Wie verändern sich Arbeitsbedingungen von ErwachsenenbildnerInnen und das Lernen am Arbeitsplatz durch aktuelle Entwicklungen wie Digitalisierung? Welche Inhalte arbeitsmarktorientierter Erwachsenenbildung sind derzeit relevant? Und welche Verbindungslinien kann es zwischen emanzipatorischer und arbeitsmarktorientierter Erwachsenenbildung geben? Rund um die Themenkreise Arbeitsmarktorientierte Bildung, Erwachsenenbildung als Beruf und Lernen am Arbeitsplatz zeigt und reflektiert die Serie Konzepte, beschreibt und diskutiert Wandel und macht Beispiele guter Praxis einem breiten Publikum bekannt. Alle bisher zur Serie #ebarbeit erschienenen Beiträge finden Sie hier.

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