Geschichte (er)leben

17.04.2019, Text: Doris Rottermanner, Redaktion: Renate Ömer, BhW Niederösterreich/Ring ÖBW
Das Kärntner Bildungswerk gab auf seiner Landestagung Raum für Kooperationen zwischen historischer Wissenschaft und erlebter Geschichte.
Vulgo Goderholzer. Aus der Sammlung von Willi Modritsch
Foto: Alle Rechte vorbehalten, Willi Modritsch, Vulgo Goderholzer. Aus der Sammlung von Willi Modritsch, auf erwachsenenbildung.at

Ortsgeschichte als Aufgabenfeld für die Bildungs- und Kulturarbeit

Wo sich Jung und Alt an einen Tisch setzen und über die "gute alte Zeit" reden, steckt Ortsgeschichte drin. Die unterschiedlichen Wahrnehmungen, Facetten und historischen Entwicklungen des eigenen Ortes bieten viel generationsübergreifenden Gesprächsstoff und beschäftigen nicht nur die Forschung, sondern stoßen vor allem in der Bevölkerung auf großes Interesse. Warum haben sich Dinge im eigenen Ort so entwickelt , wie sie in der Gegenwart wahrgenommen werden? Welche Umstände haben dazu geführt und welche örtlichen Persönlichkeiten könnten einflussreich gewirkt haben? Wie haben sich Menschen, Gesellschaft und Kultur im Laufe der Zeit verändert - und was hat das alles überhaupt mit einem selbst zu tun? Das sind Fragen, die nicht nur spannend zu bearbeiten, sondern vor allem identitätsstiftend sind.


Auch wenn Geschichte im ersten Moment der Wissenschaft vorbehalten scheint, liegt doch ein entscheidendes Potential in der Bevölkerung selbst, welches nicht unterschätzt werden sollte. Schließlich sind Menschen vor Ort DIE Experten*innen für ihr eigenes Lebensumfeld, ihre Geschichten und ihre alltäglichen Erlebnisse. Darüber hinaus haben diese oftmals Zugang zu informellen Akteuren oder Orten, die für ortsfremde Historiker*innen eventuell erst durch Mehraufwand erkenn- und erreichbar sind.
Ortsgeschichte ist daher lebensnah aber immer auch ein Stück weit subjektiv. Denn hinter jeder Erzählung, hinter jedem Bild, hinter jedem Gebäude, hinter jeglicher Art von Geschichte stecken Menschen mit ihren ganz eigenen Emotionen und Wahrnehmungen. Die Herausforderung: diese subjektiven Wahrnehmungen mit all ihren Facetten für außenstehende oder nicht direkt involvierte Personen anknüpfungsfähig aber vor allem wissenschaftlich fundiert, nachvollziehbar und reflektiert aufzubereiten.

Räume für Kooperationen: Die Tagung "ERINNERN und GESTALTEN"

Was es dafür braucht, diese subjektiven Wahrnehmungen aufzuarbeiten, sind anregende Räume für den intergenerationalen Austausch. Es braucht auch eine Möglichkeit der Kooperation und Ergänzung zwischen Wissenschaft und Laientum, welche sich auf ein gemeinsames Ziel verständigt und die jeweiligen Kompetenzen für dieses ergänzend nutzt.

 

Wie eine solche Kooperation in der Praxis aussehen kann und wie man Vorhaben im Bereich der Ortsgeschichte umsetzen, aufbereiten und präsentieren kann, wurde bei einer Fachtagung des Kärntner Bildungswerks am 30. März 2019 zum Thema "ERINNERN und GESTALTEN – Ortsgeschichte als Aufgabenfeld der Bildungs- und Kulturarbeit" bearbeitet.

Als Einstieg in die Thematik erfolgte eine kritische Auseinandersetzung zum Thema Wissenschaft vs. Laientum durch den Geschichts- und Archivwissenschaftler und mehrjährigen Direktor des Kärntner Landesarchivs Wilhelm Wadl mit seinem Vortrag über den "Nutzen der Ortsgeschichte für das Leben". Johann Hagenhofer, ehemaliger Lehrer für Geschichte, Geographie und politische Bildung sowie Initiator der Errichtung des Zeitgeschichtemuseums in Hochwolkersdorf, beleuchtete daraufhin praktische Methoden von "Oral History" und hob die Wichtigkeit der subjektiv erzählten Geschichte hervor.

Methoden-Workshops der Tagung

Workshops und Projektpräsentationen boten anschließend die Möglichkeit, sich in unterschiedlichen Bereichen zu vertiefen und für die eigene Bildungsarbeit in der Gemeinde oder im Verein Inspiration und wichtige Hinweise zu Herangehensweisen, Herausforderungen, Methoden, Präsentationstechniken, Stolpersteinen aber auch Potentialen einzuholen. Themen waren:


1) Zeitzeugen befragen: wie mach ich das und worauf muss ich achten?
2) Mehr als ein Kartenwerk! Der Franziszeische Kataster für Kärnten als kulturgeschichtliche Quelle des ländlichen Raumes.
3) Internetportale als Sammel- und Gesprächsorte für alte Fotos, Ansichten und Filme.
4) Was unsere Vulgarnamen und Flurnamen über unsere Vergangenheit erzählen.
5) Ortsgeschichte als Inspirationsquelle für Chor- und Musikkonzerte.
6) Gebaute Geschichte am Beispiel von Gebäuden und Kleindenkmälern.

Materialien der Veranstaltung zum Download

Wer sich näher über die Inhalte und gesammelten Erkenntnisse der einzelnen Workshops informieren möchte, dem stehen unten angefügt alle vorhandenen Abstracts, Protokolle und Fotos für einen bildlichen Eindruck der Veranstaltung zur Verfügung.

 

Und wer sich selbst dem Thema der Ortgeschichte annehmen möchte, dem können wir noch ein Statement von Wilhelm Wadl als Motivation mitgeben:
"Jeder hat eine Fülle interessanter Geschichtsquellen bei sich zu Hause liegen; er muss ihren Wert nur erkennen."

Weitere Informationen:
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