Forschungsprojekt ENLIVEN untersucht Professionalisierung der Basisbildung

09.01.2018, Text: Birgit Aschemann und Julia Rodlauer, Redaktion/CONEDU
Die Basisbildung in Österreich kämpft um ihre Professionalisierung. Aktuelle Aufgaben beinhalten eine stärkere Vernetzung zwischen Lehrenden, die Etablierung einer Berufsvertretung und die Herausarbeitung der Kompetenzen, die gute Basisbildung ermöglichen. Das internationale Forschungsprojekt ENLIVEN begleitet diesen Entstehungsprozess.
Das Projekt ENLIVEN erforscht Professionalisierungspfade in der Basisbildung.
Foto: CC0 Public Domain, http://pixabay.com

Ein Berufsfeld „in the making"

Basisbildung in Österreich ist ein organisationales Berufsfeld „in the making", dem sich seit 2012 neue Chancen eröffnet haben. Während mit der „Initiative Erwachsenenbildung" Aus- und Weiterbildungsvorgaben klar definiert wurden, verbessern sich Arbeitsbedingungen in der Basisbildung erst langsam. Eine Expertise über gute Arbeitsbedingungen in der Basisbildung wurde 2016/17 von BasisbildnerInnen verfasst und entsprechende Rahmenbedingungen wurden in den Akkreditierungsgrundlagen für die 3. Programmperiode ausformuliert; sie gelten ab 2018. Der Weg vom Tätigkeitsfeld zum Beruf ist jedoch weit. Die professionelle Selbststeuerung im Feld ist bislang mehr Programm als Realität. Zugleich ist klar: Die aktuelle Generation der BasisbildnerInnen kann nachhaltig (mit-)bestimmen, woran gute Basisbildung zu erkennen ist und was Unterrichtende brauchen, um gute Arbeit leisten zu können.

 

Ein Beruf, kein Job

Einen Beruf zu ergreifen bedeutet, die Verantwortung für die möglichst gute Erfüllung komplexer Aufgaben zu übernehmen. Die Tätigkeit erfordert, mit den Aufgaben mitzuwachsen und schließt ein, selbst zu den kollektiven Wissensbeständen der Berufsgruppe beizutragen. Das erfordert Vorbereitung (Ausbildung), ständiges Weiterlernen und das Weitergeben von Erfahrungswissen an die nachrückende Generation. Berufe setzen einen langen Zeithorizont voraus und erfordern stabile Erwerbsverhältnisse. Der notwendige Einsatz für einen Beruf ist an das Versprechen einer fairen Bezahlung geknüpft, welche die Weitergabe von Erfahrungswissen durch einen Einkommenszuwachs im Erwerbsverlauf entlohnt. Berufe entstehen nicht von selbst, sondern ihre ProtagonistInnen müssen ihre Grundlagen erkämpfen und konkurrierende Interessen durchsetzen. Dafür ist einerseits eine funktionierende Selbstvertretung nötig. Zugleich braucht es eine Definition von Kompetenzen und guter Praxis durch die Mitglieder einer Berufsgruppe. Dies geht auch mit dem Ausschluss Dritter einher, die nicht über die notwendigen Kompetenzen verfügen.

 

Projekt ENLIVEN erforscht Professionalisierungspfade

Wie die Basisbildung als neues Berufsfeld in Österreich etabliert werden kann, ist Gegenstand des internationalen Horizon 2020-Projekts ENLIVEN. ENLIVEN steht für „Encouraging Lifelong Learning for an Inclusive & Vibrant Europe" und erforscht von 2016 bis 2019 die Lifelong Learning-Politik in Europa.

 

Dabei werden in vier Ländern die Lern- und Arbeitsbedingungen von ErwachsenenbildnerInnen in den Blick genommen. Österreich ist eines davon und der österreichische Projektpartner 3s konzentriert sich auf die Basisbildung. Idee im Hintergrund ist es, für die aktuellen Professionalisierungsprozesse in der Basisbildung eine wissenschaftliche Begleitforschung anzubieten.

 

Konflikt zwischen Steuerungslogiken

Das Projektteam von 3s geht in seiner Forschungsarbeit von der Professionstheorie Eliot Friedson aus, die von der österreichischen Soziologin Susanne Pernicka für die Untersuchung der Interessenvertretung in hochqualifizierten Berufen weiterentwickelt wurde. Drei idealtypische Steuerungsformen der Arbeit lassen sich unter den Schlagworten „Markt" – „Profession" – „Bürokratie" zusammenfassen. Eine erste Analyse zeigt: BasisbildnerInnen profitieren zwar von den zunehmend häufigen Anstellungsverhältnissen bei IEB-akkreditierten Trägern, sie können sich aber mit ihren Forderungen nach aufgabenadäquaten Arbeitsbedingungen gegen die bürokratische Logik der Projektträger nur eingeschränkt durchsetzen. Das Zusammenprallen von professionellen Normen und bürokratischen Zwängen ist dabei keine Ausnahme, sondern die Regel in vielen Berufen. Weitere Erkenntnisse werden im Projekt vom Vergleich der Basisbildung mit anderen Berufsfeldern erwartet: Verglichen werden dafür Berufsgruppen wie Sekundarschullehrende, SozialarbeiterInnen, AMS-TrainerInnen, Hochschullehrende, BehindertenfachbetreuerInnen, WirtschaftstrainerInnen, PsychotherapeutInnen oder ÜbersetzerInnen, aber auch ehrenamtlich Tätige in der Flüchtlingsarbeit oder Lehre.

 

Bild: Heuristische Kontrastierung von Berufsgruppen (3s / ENLIVEN) – basierend auf einer Typologie von Pernicka und Lücking 2010

 

Risikofaktor: Öffentliche Finanzierung

Neuen Berufsgruppen fällt es schwer, gute, professionelle Standards ermöglichende Arbeitsbedingungen durchsetzen – gerade dann, wenn ihre Arbeit ausschließlich durch öffentliche Aufträge finanziert wird. Projektleiter Günter Hefler von 3s weiß: „In Feldern mit öffentlichen Auftraggebern wird das Umgehen von Kollektivverträgen allzu schnell mit dem Argument der knappen Kassen gerechtfertigt – gerade auch von Non-profit Organisationen gegenüber ihren MitarbeiterInnen – und manchmal selbst durch GewerkschafterInnen".

 

Kernidentität aufbauen und Interessensvertretung gründen

„Die Identität eines Berufes lässt sich über die differenzierte Darstellung der Kernkompetenzen stärken: Welche Probleme können BasisbildnerInnen – und nur Basisbildnerinnen lösen?", so Hefler weiter. Die Klärung, wofür BasisbildnerInnen stehen, müssen Angehörige der Berufsgruppe selbst leisten, zum Beispiel im Rahmen von kooperativen Forschungsprojekten. Dafür ist es typischerweise notwendig, eine Berufsvertretung zu gründen, die sich auch innerhalb des Feldes der österreichischen Sozialpartnerschaft zu bewegen weiß. Eine Zusammenarbeit mit verwandten Berufsgruppen ist dafür zu empfehlen. Letztlich ausschlaggebend sei dann „eine Reform des BABE-Kollektivvertrages und eine Diversifizierung der abgebildeten Rollen und Berufsbilder im BABE", erläutert Hefler mit Blick in die Zukunft.

 

Laufende Vernetzungsinitiativen in Österreich

Im Rahmen des Netzwerks MIKA Migration – Kompetenz – Alphabetisierung finden seit 2016 Vernetzungsworkshops für BasisbildnerInnen am Bundesinstitut für Erwachsenenbildung (bifeb) in Strobl statt. Das Thema der Workshops ist „Basisbildung als Beruf" und die TeilnehmerInnen diskutieren Forschungsergebnisse, Änderungspotenziale und aktive Schritte. Der nächste dieser Workshops ist für November 2018 geplant.
Weitere Vernetzungen bestehen bereits im Arbeitsfeld Deutsch als Zweitsprache, das sich inhaltlich mit der Basisbildung überschneidet. Beispiele dafür bilden die Gruppe Arbeitsbedingungen im Österreichischen Fachverband für Deutsch als Fremdsprache/Zweitsprache (ÖDAF) und die Interessensgemeinschaft Deutsch als Zweitsprache/Deutsch als Fremdsprache/Deutsch als Basisbildung IG DaZ_DaF_Basisbildung. Die aktuell zahlenstärkste Vernetzung ist der Verein DIE Deutschlehrende in der Erwachsenenbildung, der als zentrale Kommunikationsplattform eine Facebook-Gruppe mit über 350 Mitgliedern betreibt.

 

Die AkteurInnen dieser Initiativen stehen in Austausch und kooperieren miteinander.

Weiterführende Informationen:
Quelle: EPALE E-Plattform für Erwachsenenbildung in Europa

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