Gedanken zu Vergleichzeitigungen von Leben, Arbeiten und Lernen
Orthey, Frank Michael (2020): „Ach, du liebe Zeit“. Gedanken zu Vergleichzeitigungen von Leben, Arbeiten und Lernen. In: Magazin erwachsenenbildung.at. Das Fachmedium für Forschung, Praxis und Diskurs. Ausgabe 41, 2020. Wien. Online im Internet: https://erwachsenenbildung.at/magazin/20-41/meb20-41.pdf. Druck-Version: Books on Demand GmbH: Norderstedt. Erschienen unter der Creative Commons Lizenz CC BY 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de Zitierblock in Literaturverwaltungssystem übernehmen
Artikel als PDF herunterladendownloadZeit „entsteht“ aus der subjektiven Beobachtung von Wirklichkeit. Sie liefert Menschen einen Sinnhorizont: Als Geschichte lädt sie dazu ein, Geschehenes einzuordnen. Als Gegenwart ermöglicht sie ein sinnliches Erleben. Und als Zukunft fordert sie dazu auf, zu gestalten. Lernen – so die pädagogische Hoffnung – produziert Sinn. Von diesem Startpunkt aus mäandern die Ausführungen des Autors gesellschafts- und gegenwartsdiagnostisch durch das sich stetig verschärfende Phänomen der „Vergleichzeitigung“. Unter diesem Begriff beobachtet er eine Überforderung des individuellen (Zeit-)Erlebens durch die Erwartungen, die an das Leben gestellt werden: alles, sofort und das gleichzeitig. Treiber dieser sich auch in der „digitalen Ungeduld“ ausdrückenden gesellschaftlichen Entwicklung seien Technologien der Vergleichzeitigung – wie das Smartphone. Wenn Lernen die reflexive Aneignung von Zeit durch das Zugänglich-Machen von Sinn ist, dann wird Lernen durch die zunehmende Erosion ehemals zentraler Sinnproduzenten wie etwa Religion oder Lebensberuf zum zentralen Referenzpunkt der Identitätsbildung in der Gegenwart. Lernzeit kann also eine Möglichkeit sein, Sinn und damit auch Zeit zu „gewinnen“, weil Lernen zunächst verlangsamt und eine Möglichkeit des Innehaltens und der Reflexion bietet – bevor es die Welt wieder schneller macht.
English Abstract
„What a Time.“ Thoughts on the increasing simultaneity of life, work and learning
Time „develops“ out of the subjective observation of reality. It provides human beings with a horizon of meaning: As the past, it invites them to categorize what has happened. As the present, it allows them a sensory experience. And as the future, it calls upon them to shape it. Learning – such is the hope of teaching – produces meaning. From this point of departure, the author‘s observations meander through the constantly increasing phenomenon of „simultaneity“ in society and contemporary life. This term refers to what he observes to be an excessive demand on an individual‘s experience (of time) by the expectations placed on life: everything, right now and at the same time. Drivers of this societal development, also expressed as „digital impatience,“ are technologies of simultaneity – like the smartphone. If learning is the reflective acquisition of time by making meaning accessible, then learning becomes the main point of reference for identity formation in the present through the increasing erosion of what used to be the main provider of meaning such as religion or one‘s career. Time for learning can be an opportunity to „gain“ meaning and thus time as well since learning first slows the world down and offers an opportunity to pause and reflect – before it speeds up the world again.chevron_leftZurück zum Inhaltsverzeichnis