Kritische Auseinandersetzung mit Verschwörungstheorien im Projekt TEACH

20.05.2022, Text: Jennifer Friedl, Redaktion/CONEDU
Am Beispiel der österreichischen Politpersönlichkeit Jörg Haider († 2008) zeigt TEACH, wie Erwachsenenbildung Verschwörungserzählungen als solche entlarven kann.
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Zu den Projektergebnissen zählt auch ein Handbuch zum Umgang mit Verschwörungstheorien in der Erwachsenenbildung.
Grafik: Alle Rechte vorbehalten, Projekt TEACH,  http://www.demokratiezentrum.org/forschung/projekte/aktuelle-projekte/teach/
Durch den unkomplizierten Zugang zu unterschiedlichsten Informationskanälen gestaltet sich die Verbreitung von Verschwörungserzählungen und Falschinformationen heute einfacher als je zuvor. Dem Demokratiezentrum Wien zufolge zeigen empirische Befunde, dass es unter den Personen, die an Verschwörungstheorien glauben, einen Überhang an älteren Erwachsenen gibt.

 

Das Projekt „Targeting Extremism and Conspiracy Theories", durchgeführt vom Demokratiezentrum Wien und Partnerorganisationen aus Schweden, Bulgarien und Deutschland, soll dazu beitragen, Weiterbildungsangebote zur kritischen Auseinandersetzung mit Verschwörungstheorien zu entwickeln. Zu den Projektergebnissen gehören beispielsweise Materialen und Übungen, die sich mit Verschwörungserzählungen rund um den Tod des österreichischen Landes- u. Bundespolitikers Jörg Haider († 2008) befassen und deren Einfluss auf die Demokratie thematisieren.

 

Haider, ehemals Parteivorsitzender der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) und später des Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) sowie Landeshauptmann von Kärnten, galt schon zu Lebzeiten als schillernde Politpersönlichkeit, um dessen Sein und Wirken sich vielerlei Erzählungen rankten. An seinem Beispiel lassen sich die Grundlagen und Wirkweisen von Verschwörungserzählungen anschaulich studieren. Die Unterlagen sind frei verfügbar.

Audiobeiträge, Videos und Textlektüre zum verschwörungstheoretischen Diskurs – ein Beispiel

Die Übungen des Moduls starten mit einem Warm-up, das ein Brainstorming zum Wissen über die Person Jörg Haiders und ein Scrabble beinhält. Dabei formen sich Teams und der/die Veranstaltungsleitende markiert einen Startpunkt im Raum. Nach einem Zeichen geht jeweils eine Person zu einem Flipchart, auf dem der Name „Jörg Haider" steht und verbindet einen der im Brainstorming gesammelten Begriffe mit einem Buchstaben aus dem Namen.

 

Nach dem Warm-up lesen die Teilnehmenden einen in den Materialien verfügbaren Text, hören sich Audiobeiträge an und sehen Videos, die sich mit dem Personenkult um Haider beschäftigen und lernen bekannte Verschwörungstheorien zu seinem Tod kennen. Die Geisterauto-Theorie z.B. besagt, dass das Auto nach dem Unfall ersetzt wurde, um einen Angriff zu vertuschen. Eine weitere Theorie ist die Helikopter-Theorie. Anhänger/innen gehen davon aus, dass ein Riss im Dach des Autos darauf hindeutet, dass ein Gegenstand auf das Auto geworfen wurde. Ein Stamm aus Trockeneis z.B. hätte sich danach auflösen können.

 

Gemeinsam diskutieren die Teilnehmenden im Anschluss vorgegebene Fragen wie z.B. inwiefern Haiders Ruf als Schützer des österreichischen Volkes Verschwörungstheorien begünstigen konnte. In Kleingruppen beschäftigen sie sich anschließend mit je einer Verschwörungstheorie und der zugrundeliegenden Ideologie. Die Teams präsentieren ihre Erkenntnisse und stellen ein bis zwei Diskussionsfragen an die Gruppe.

Teilnehmende reflektieren über die Gefahren für die Demokratie

Laut den Projektinitiator/innen stellen Verschwörungstheorien eine Bedrohung für die Demokratie dar, da Anhänger/innen dieser Erzählungen der Justiz und Exekutive Misstrauen und den Medien gezielte Manipulation vorwerfen.

 

In einer weiteren Übung stehen die Verschwörungstheorien zum Tod Jörg Haiders und eine Reflexion über deren Einfluss auf die Demokratie im Zentrum. Die Teilnehmenden befassen sich in Gruppen z.B. mit misstrauischen Aussagen in Medien und Behörden zu fehlenden Gutachten oder einer Nähe von Medien zu bestimmten österreichischen Parteien. Sie sammeln Merkmale von Verschwörungstheorien, und diskutieren diese mit anderen Teilnehmenden. Die Arbeitsblätter dazu finden sich in den Materialien. In einem abschließenden „Wrap-up" erstellen die Teilnehmenden ein Tischposter, um Infos und Ergebnisse des Moduls zusammenzutragen.

Umfrageergebnisse: Verschwörungstheoretische Aussagen in Weiterbildungen

Auch heute noch sind die Verschwörungstheorien, insbesondere rund um Haiders Todestag, nach wie vor Gegenstand von Diskussionen in der österreichischen Bevölkerung. Das zeigen die Erkenntnisse einer in Österreich durchgeführten Umfrage. 10,7% der befragten Erwachsenenbildner/innen gaben an, die Aussage „Jörg Haiders Tod war kein Unfall" sehr oft, regelmäßig oder manchmal im Kontext von Weiterbildungen gehört zu haben. 9,5% führten an, dass Teilnehmende von einer Ermordung sprachen. Fast 5% gaben an, dass sie gehört hatten, die Unfallstelle von Haider sei manipuliert worden und ca. 4% war die Aussage, dass ein israelischer Geheimdienst daran beteiligt war, bekannt. Laut den Projektinitiator/innen gewinnen die Ergebnisse in Anbetracht dessen, dass Haiders Tod bereits mehr als 10 Jahre zurückliegt, an zusätzlichem Gewicht.

Über TEACH

Das Demokratiezentrum Wien führt das Projekt gemeinsam mit Partnerorganisationen Ethnotolerance (Bulgarien), der Leibniz Universität Hannover (Deutschland), der Volkshochschule Hannover (Deutschland) und der Folkuniversitetet (Schweden) durch. Die Laufzeit geht von 2019 bis 2022. Neben den Materialien zum vorgestellten Modul zählen auch ein Leitfaden für Einrichtungen der Erwachsenenbildung zum Umgang mit Verschwörungstheorien und ein nationaler Bericht über Verschwörungstheorien in Österreich zu den Projektergebnissen.

Weitere Informationen:
Quelle: EPALE E-Plattform für Erwachsenenbildung in Europa

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