Wie ein Umbau das Bildungshaus St. Hippolyt verändert hat
Ob sich ein Gast willkommen fühlt, entscheidet sich schon vor der Begrüßung
Räume sprechen immer zu uns Menschen. Was aber sagen ein dunkler Eingangsbereich, ein abgewohntes Zimmer, ein Seminarraum mit abgenutzten Sesseln über die Gastfreundschaft einer Bildungseinrichtung - und letztlich auch über deren Träger - aus? Was signalisieren wir den Gästen mit unserem Erscheinungsbild? Vor diesen Überlegungen standen wir auch im Bildungshaus St. Hippolyt (St. Pölten) im Jahr 2017. Als die Katholische Kirche als Träger der Neugestaltung des Eingangsbereichs, des Cafés und eines Veranstaltungssaales samt Nebenräumen zustimmte, war ein Aufatmen im Bildungshaus hörbar. Doch wie kam es zur heutigen Gestalt?
Zunächst ist zu klären, was wir brauchen
In den ersten Gesprächen mit den planenden Architekten ging es vor allem darum, was ein Katholisches Bildungshaus heute ist. Das erforderte zuerst eine Analyse und Klärung im Haus selbst. Zwei Leitfragen waren zu beantworten:
1. Wer sind wir und wie können wir das durch architektonische Sprache vermitteln?
2. Was passiert alles in unserem Haus und wie kann das eine architektonische Neugestaltung am besten unterstützen?
Um die zweite Frage zu beantworten, haben wir verschiedene Veranstaltungen durchleuchtet, Wege von Gästen im Haus auf Plänen nachgezeichnet, Veranstalter, MitarbeiterInnen und Gäste nach ihren Erwartungen befragt. Das ergab eine Summe von Anforderungen, die wir den Architekten für ihre Planungen mitgegeben haben.
Deutlich kniffeliger war es, die erste Frage zu beantworten. Denn wer nach der Identität eines Katholischen Bildungshauses fragt, wird keine allgemein gültigen Antworten erwarten können.
Neue Räume sagen aus, wer wir sind
Die Symbolkraft der neuen Räumlichkeiten sollte intuitiv klarmachen, wofür wir stehen. Hier einige Überlegungen aus den Gesprächen dazu:
Ein modernes Bildungshaus heißt Menschen willkommen. Es muss spürbar sein, dass Eintreten gewünscht ist. Viele kämpfen mit Schwellenangst, wenn es um Bildung geht. Reine Zweckmäßigkeit der Räumlichkeiten wäre daher zu wenig. Für den Eintritt und für den Weitblick braucht es Offenheit, für die Begegnung und Reflexion die Intimität. Beide Dimensionen müssen in Ausgewogenheit erlebt werden können.
Bereichernd und spannend zugleich ist die unterschiedliche Zusammensetzung der Gäste im Bildungshaus St. Hippolyt. Menschen unterschiedlicher Lebensalter, Weltanschauungen, Sprachen, Nationen und Religionen kommen zusammen. Als Katholisches Haus ist diese umfassende Gastfreundschaft schon vom Wortsinn her ein Auftrag, heißt „katholisch" doch nichts anderes als „(all-)umfassend".
Die Konfrontation mit der bereitgestellten Literatur, ausgesuchte Kunstwerke im ganzen Haus, das Kreuz in den Räumen, die kunstvoll gestaltete Kapelle und der Meditationsraum verweisen auf die spirituelle Dimension des Menschen, die in uns angelegt ist. Ganzheitlich verstandene Bildung achtet die Würde der Person. Das heißt für uns im Bildungshaus, dass religiöse Angebote einladenden Charakter haben. Nichts soll als Aufdringlichkeit oder gar „Zwangsmissionierung" erlebt werden.
Jede Erinnerung ist mit konkreten Orten verbunden. Bildungshäuser sind aus den alltäglichen Räumen von Stadt und Land herausgehoben. Als ein solcher „Andersort" ermöglichen sie, Erlebnisse und Inhalte mit einem bestimmten Platz zu verbinden, der für das individuelle Leben eines Menschen dann vom Erlebten her Bedeutung gewinnt – eben das Bildungshaus. Wie sich in zahlreichen Gesprächen gezeigt hat, verbinden Menschen mit ihrer Zeit im Bildungshaus St. Hippolyt oft einen Aufenthalt mit hoher Lebensqualität und hoher Relevanz für ihre Lebensfragen.
Nicht zuletzt wirken Bildungshäuser durch das, was sie tun, immer in die Gesellschaft hinein. Ihr Engagement gilt der Toleranz und Förderung von respektvollem Umgang miteinander, was zu den Voraussetzungen einer funktionierenden Demokratie wesentlich dazu gehört. Nachhaltigkeit und Bewahrung der Schöpfung werden gelebt und gelehrt, um Ansätze zu neuen Lebensweisen aufzuzeigen. Hinter den verschiedenen Angeboten und dem praktischen Tun stehen letztlich das Streben der Menschen nach Frieden und Glück.
Was aus den Überlegungen geworden ist - Eindrücke aus dem Jahr danach
Nach der Realisierung des Umbaus zwischen Juni und September 2018 zeigt sich nun, ein gutes Jahr später, dass sich das Nachdenken und Mitgestalten im Vorfeld wirklich gelohnt hat. Die Weite des Eingangsbereichs wird durch die neu entstandene Helligkeit betont. Wie offene Arme empfangen die weiterführenden Gänge neu ankommende Gäste.
Das Café ist ein neues Herzstück des Bildungshauses geworden. Hier geschieht Begegnung in unterschiedlicher Qualität: Mal in den kurzen Gesprächen während der Pausen, dann sieht man wieder kleine Gruppen an Tischen zu einem Thema arbeiten. Wieder andere sitzen bereits am Morgen in einer Ecke und beginnen den Bildungstag mit der Lektüre einer der aufliegenden Zeitungen.
Nuss, Eiche, Stein, Glas und Metallpaneele wirken als verwendete Materialien beinahe zeitlos. Die Formen greifen den Stil der Erbauungszeit des Hauses (Sechzigerjahre) auf und transformieren ihn in die Gegenwart. Diese Gestaltung respektiert, was da ist und führt durch die hochwertige Anmutung gleichzeitig in die Zukunft. Sie ist ein klares Statement in einer Wegwerfgesellschaft.
Die Objekte der Kunstausstellungen im Haus finden sich nun auch an einem zusätzlichen Ort, im Eingangsbereich. Gäste werden neugierig, fragen nach und verweilen bei den Bildern. Die gezeigte Kunst thematisiert Lebensfragen oder baut einfach nur auf.
Die MitarbeiterInnen haben durch die logische Anordnung von Lagern und Nebenräumen eine Erleichterung ihrer Arbeit erfahren. Das zeigt sich im täglichen Tun, wenn Wege kürzer und Flächen übersichtlicher geworden sind.
Viele Gespräche mit den Gästen haben gezeigt, wie positiv überrascht sie vom neuen Erscheinungsbild sind. Die Kundenbindung steigt dadurch zusätzlich, was in zahlreichen Folgebuchungen seinen Niederschlag findet. Ohne viele Worte vermittelt schon der erste Eindruck durch die Architektur Veranstaltenden, Gästen und Mitarbeitenden, dass sie willkommen sind. Ein Jahr nach dem Umbau sind die Menschen in den neuen Räumlichkeiten angekommen.
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