Buch: Lernberatung und Diagnostik

20.12.2013, Text: Adrian Zagler, Online-Redaktion
Dreizehn AutorInnen zeigen, wie sich Diagnostik und Lernberatung in der Grundbildung und Alphabetisierung ergänzen.
Ludwig präsentiert Lernberatung und Diagnostik als pädagogische Instrumen
Cover: (C) W. Bertelsmann Verlag
Pädagogisches Geschick ist zwar überall in der Erwachsenenbildung gefragt, aber ganz besonders im Bereich der Grundbildung und Alphabetisierung. Hier geht es weniger darum zu fordern, als zu fördern. Was TrainerInnen und BeraterInnen beachten müssen, damit das gelingt, hat Joachim Ludwig zusammengefasst. Das von ihm herausgegebene Buch Lernberatung und Diagnostik. Modelle und Handlungsempfehlungen für Grundbildung und Alphabetisierung ist zwar schon 2012 im Bertelsmann-Verlag erschienen, hat aber nichts an Aktualität eingebüßt. Dreizehn AutorInnen präsentieren Praxiskonzepte, die im Rahmen des Programms „Alphabund“ des deutschen Bildungsministeriums entwickelt wurden.

 

Lernen und Beratung

Vieles hängt von Definitionen und Anschauungen ab. Bevor Lernberatung ansetzt, muss erst einmal eine Definition des Lernens gefunden werden, erklärt Ludwig eingangs. Und je nachdem, wie Lernen verstanden werde – als Informationsverarbeitungsprozess, Persönlichkeitseigenschaft, kognitive Operation oder soziales Handeln –, sei Lernberatung überhaupt sinnvoll oder nicht.

 

Schriftsprachenerwerb

Am Beispiel Schriftsprachenerwerb zeigen Rüdiger-Philipp Rackwitz und KollegInnen, dass Lernen als (re-)konstruktiver Prozess ablaufen kann. Dieser Prozess lässt sich in verschiedene Phasen einteilen, „in denen jeweils bestimmte Einsichten gewonnen und bestimmte Strategien angewendet werden“. Phasen und Strategien können einander aber auch überschneiden. „Ziel einer jeden Förderdiagnostik muss sein, zu verstehen, warum bestimmte Fehler gemacht werden, um herauszufinden welche Strategie bzw. Einsicht letztendlich Grundlage dafür ist.

 

Kompetenzen erkennen mit "lea."

Diagnostik und Lernberatung müssen einander nicht ausschließen. Als zentrales Werkzeug für eine adäquate Form der Lernberatung mittels Diagnostik präsentieren Diana Zimper und Yvonne Dessinger die lea.-Förderdiagnostik. Es handelt sich dabei um ein Modell zur Diagnostik und Lernbegleitung bei Grundbildungsdefiziten. Mittels lea werden Kompetenzen der Lernenden ermittelt, und zwar in den Bereichen Schreiben, Lesen, Sprachempfinden und Mathematisches Grundwissen. So werden individuelle Anfangsschwierigkeiten sichtbar, und Lehrende können mit gezielter Förderung ansetzen.

 

Langsames Lernen

Analphabetismus ist immer noch sozial stigmatisiert. Für Betroffene ist Lernen mit Angst, Druck und Überforderung besetzt. Die Aufgabe der TrainerInnen und BeraterInnen ist es, ihnen diese Angst zu nehmen. Langsames Lernen ist für Ute Jaehn-Niesert ein Schlüssel dazu, da es den Erfolgsdruck reduziert und den Lernprozess planbarer und kontrollierbarer macht. Gleichzeitig müssten Lehrende auf die individuelle Situation der KursteilnehmerInnen eingehen, damit der Lernerfolg sich auch tatsächlich einstellen könne.

 

Lernberatung durch VIVA

Abschließend stellt Ludwig ein Lernberatungskonzept vor, das seiner Meinung nach den identifizierten Anforderungen gerecht wird. Entsprechend seinem Namen „VIVA“ besteht es aus vier Schritten:

 

  • Verstehen durch die Beratenden
  • Impulse setzen und Gegenhorizonte eröffnen
  • Verstehen durch die Ratsuchenden
  • Alternative Handlungsmöglichkeiten schaffen

 

Die einzelnen Schritte müssen nicht starr abgearbeitet werden. Manchmal kann es hilfreicher sein, einen oder zwei Schritte zurück zu gehen, um später wieder einen Schritt vorwärts zu machen. Ludwig legt besonderes Augenmerk auf den  Prozess des Verstehens in Schritt 1 und 3 als Basis eines soliden Erfolges.

 

Aus zwei mach eins

Das Buch ist grob in zwei Teile gegliedert: Förderdiagnostik und Lernberatung. Tatsächlich weisen diese Bereiche aber Überschneidungen auf, wie bei der Lektüre klar wird. Praxisnahe Konzepte und Beispiele zeigen, wie beide Bereiche zusammengeführt werden können. Alle AutorInnen schreiben in einfach gehaltener, persönlicher und zugänglicher Sprache, die LeserInnen in einem stillen Dialog inkludiert. Auch die grafische Gestaltung trägt zur Qualität des Buches bei: Wichtige Definitionen werden in eigenen Kästchen hervorgehoben, und diverse Checklisten bieten Anreize zur Selbstreflexion sowie Hilfsmittel, die eigene Arbeitsweise positiv zu verändern.

 

Ludwig, Joachim (Hg.) (2012): Lernberatung und Diagnostik. Modelle und Handlungsempfehlungen für Grundbildung und Alphabetisierung. W. Bertelsmann Verlag. 196 Seiten, ISBN 978-3-7639-5065-2, EUR 19,90.

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