Kompetenzorientierung in der Basisbildung: Ein MIKA-Tagungsbericht

24.04.2014, Text: Angelika Hrubesch, VHS / lernraum.wien
Kompetenzerfassung soll Stärken sichtbar machen. Doch bei Migrant_innen kann das an sprachlichen und politischen Hürden scheitern.
MIKA Tagung Kompetenzorientung
Foto: (C) VHS Linz Wissensturm
Kompetenzorientierung ist in aller Erwachsenenbildner_innen Munde: die Rede ist von kompetenzbasierten Curricula, der Anerkennung informell erworbener Kompetenzen, von unterschiedlichen Kompetenzniveaus und deren möglicher Einbettung in den NQR. Was aber bedeutet und „bringt“ Kompetenzorientierung im Bereich der Basisbildung mit Migrant_innen? Das Netzwerk MIKA setzt sich in seinen Teilprojekten mit Kompetenzorientierung in der Basisbildung für Migrant_innen auf verschiedenen Ebenen auseinander und widmete dem Thema Ende des vergangenen Jahres eine Tagung.

 

Kompetenzorientierung - Durchbruch…?

Kompetenzorientierung wird häufig dargestellt als Alternative bzw. Modell, das es vor allem auch ermöglicht, informelle und non-formale Lernerfahrungen zu erfassen und sichtbar zu machen. Im Rahmen der Tagung des Projektnetzwerks MIKA „Kompetenzorientierung in der (Basis)Bildung. Durchbruch oder Sackgasse?“ wurden Chancen und Grenzen davon betrachtet. Peter Dehnbostel von der Deutschen Universität für Weiterbildung, der sich seit als vielen Jahren mit Komptenzentwicklung auseinander setzt, stellte in seinem Vortrag kompetenzorientierte Systeme als Chance für sozial Benachteiligte dar, mit deren Unterstützung deren reflektive Handlungskompetenz festgestellt und anerkannt werden könne.

 

Das Potenzial der Kompetenzerfassung als entwicklungsorientiertes Validierungsverfahren würde, so Dehnbostel, insbesondere in der Einschätzung individueller Kompetenzbestände im Hinblick auf Weiterbildung liegen. Im Rahmen von MIKA wurde ein Instrument zur Kompetenzfeststellung entwickelt, das speziell die Bedürfnisse von Migrant_innen berücksichtigen möchte, für die es oft schwierig ist, ihre vielfältigen Fähigkeiten und Kompetenzen darzustellen. Der Verein BILL Linz stellt Interessierten im Rahmen von Sensibilisierungs- und Informationsworkshops Instrument und Prozess vor.

 

… oder Sackgasse?

In Workshops und am Podium wurde im weiteren Verlauf der Tagung u.a. diskutiert, inwiefern Grenzen entstehen, wenn sich etwa schon die Kompetenzerfassung allein aufgrund sprachlicher Hindernisse als schwierig erweist. Die Zielgruppe des Netzwerks MIKA sind Migrant_innen, von denen viele auch erst die deutsche Sprache lernen müssen, was die Kommunikation darüber, was jemand kann, zunächst erschwert. Viele Kompetenzerfassungssysteme basieren auf schriftlichen Unterlagen und stellen dadurch für die, die in der Basisbildung damit arbeiten sollen, mehr Hürde als Stütze dar. Außerdem wurde das Konzept  nach seinem Potential, Prozesse der Reproduktion und der Festigung von sozioökonomischen Ungleichheiten zu unterbrechen, kritisch befragt: was also, wenn letztlich weder informell noch formal erworbene Kompetenzen und Qualifikationen von Migrant_innen offiziell anerkannt werden?

 

Kompetenzen von Basisbildner_innen

Im Zuge der Entwicklung des Berufsfelds ist auch die Frage nach notwendigen Kompetenzen von Erwachsenen- und Basisibildner_innen zentral. In einem Vortrag im Rahmen der Tagung rückte Birgit Aschemann (Verein Frauenservice) die Frage nach Kompetenzen von Basisbildner_innen mit Migrant_innen in den Vordergrund und nannte dabei auch die Schwierigkeit, die steigenden Anforderungen in Relation zu den vorherrschenden prekären Arbeitsbedingungen zu bringen. Sie stellte Professionalisierung und Professionalitätsentwicklung als zwei unterschiedliche Bereiche dar. Reflexivität von Basisbildner_innen nahm Aschemann in ihren Untersuchungen als klar erkennbaren Trend in Ausbildungen und Professionalitätskriterien wahr.

 

Das Frauenservice bietet 2014 im Rahmen von MIKA Ressourcenworkshops an und möchte damit Kursleiter_innen bei der Reflexion ihrer persönlichen Ressourcen und Kompetenzen unterstützen, um langfristig mit Freude in diesem Arbeitsfeld tätig sein zu können.  

 

Pädagogische Reflexivität – Ergänzung und/oder Alternative?

Ergänzend zu der Frage nach notwendigen Kompetenzen stellten Rubia Salgado, Jo Schmeiser und Christina Altenstrasser die Forderung nach pädagogischer Reflexivität von Basisbildner_innen. Diese ist nicht als individuelle Reflexion, sondern als professioneller reflexiver Habitus innerhalb eines reflexiven professionellen Felds zu verstehen und wurde im Vortrag als eine Möglichkeit einer professionellen Auseinandersetzung mit den Fragen nach dem Wissen der Lehrenden u?ber die lernenden Migrant_innen und nach den Auswirkungen dieses Wissens auf das pädagogische Handeln dargestellt. Im Frühjahr 2014 bietet der Verein maiz eine Reflexivitätswerkstatt zum Thema Mehrsprachigkeit an und werden Erwachsenenbildner_innen zur selbstständigen Durchführung von Werkstätten eingeschult.

 

Es ist davon auszugehen, dass die Diskussion über Kompetenzorientierung, -erfassung und -validierung so rege bleiben wird, wie sie auf der Tagung geführt wurde – begleitet von Ideen und Widersprüchen, die vor dem Hintergrund europäischer Bildungspolitik und deren Ausrichtung ebenso kritisch besprochen werden müssen wie im Sinne jener, die die Anerkennung erworbener Kompetenzen anstreben.

 

Projektnetzwerk MIKA

MIKA steht für „Migration — Kompetenz — Alphabetisierung“ und ist eine nationale Netzwerkpartnerschaft, gefördert aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Frauen. MIKA verfolgt das Ziel, das Feld Alphabetisierung, Basisbildung (Grundbildung) und Deutsch-als-Zweitsprache mit MigrantInnen österreichweit zu professionalisieren. Dafür werden Aus- und Weiterbildungen und neue Materialien für die Alphabetisierung und Basisbildung mit MigrantInnen entwickelt. Vernetzung und Qualitätsentwicklung sind weitere Bestandteile der Arbeit des Netzwerks.

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