"Es geht darum, Zusammenhänge zu erkennen und Standpunkte zu vertreten"

19.12.2011, Text: Christian Ocenasek, bifeb
Sabine Letz, Geschäftsführerin des Verbandes Österreichischer Gewerkschaftlicher Bildung (VÖGB), spricht über Bildung für gewerkschaftliche Interessen. (KEBÖ-Serie, Teil 6)
Der VÖGB ist ein Tochterverein des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, sein Ziel ist die Bildung eines gewerkschaftlichen Bewusstseins zur Vertretung von ArbeitnehmerInneninteressen. Die Programmpalette reicht von der klassischen Betriebsratsausbildung bis hin zu gesamtgesellschaftlicher politischer Bildungs- und Kulturarbeit. Bei einer derart eindeutigen Ausrichtung eines Bildungsvereins möchte ich als erstes fragen, ob Bildung zum Klassenkampf noch Thema im VÖGB ist?

Ein Blick in die betrieblichen Welten zeigt, dass wir bei der gewerkschaftlichen Arbeit mit der ganzen Bandbreite zu tun haben. Einerseits mit äußerst kooperativen Unternehmen, die im besten sozialpartnerschaftlichen Sinn um gute Lösungen mit ihren MitarbeiterInnen bemüht sind. Aber es gibt nach wie vor noch Betriebe, die z.B. keinen 13. und 14. Lohn zahlen oder nur 2 Wochen Urlaub geben. Hier geht es auch ums Kämpfen. Für uns als Bildungseinrichtung um die bestmögliche Ausbildung und Unterstützung von BetriebsrätInnen.

Was müssen BetriebsrätInnen lernen?

BetriebsrätInnen müssen so viel drauf haben. Auf das Wesentliche reduziert müssen Sie Zusammenhänge erkennen und gut nachfragen können, wenn es ums Detail geht. Und kommunikativ sind Sie gefordert. Sie müssen zuhören, aber auch Standpunkte vertreten können. Als Kompetenzen beschrieben ziehen sich die drei Säulen durch alle unsere Bildungsangebote: Sachkompetenz, wie Arbeitsrecht, Bilanz lesen etc. - soziale Kompetenz wie verhandeln, argumentieren - und gewerkschaftliche Kompetenz, der Transfer in die betriebliche Realität.

Betriebsratsschulungen sind sicher der innerste Kern der gewerkschaftlichen Bildung. Die Zielgruppe ist damit aber viel zu kurz gegriffen. Wie werden die anderen erreicht?

Ja wir richten unser Angebot an alle ArbeitnehmerInnen und wenn ich an Kultur und Internationales denke auch darüber hinaus. Wir haben auch nichts dagegen, wenn sich Unternehmen unsere Skripten z.B. zum Arbeitsrecht besorgen, sie sind ja für alle zum Download auf unserer Website verfügbar.
Wenn´s ums Lernen geht, dann fällt uns auf, dass zuerst oft negative Erfahrungen aus der Schulzeit überwunden werden müssen. Das ist die große Herausforderung, wie die Hemmschwellen des Lernens überwunden werden können und sichtbar wird, dass Erwachsenenbildung auch Spaß machen kann. Wenn das gelingt, kommen die Leute immer wieder.

Gerade, wenn ich an unsere Branche denke, so arbeiten sehr viele TrainerInnen als sogenannte neue Selbstständige und das oft unter prekären Bedingungen. Sollten diese UnternehmerInnen nicht auch gewerkschaftlich betreut werden?

Ja, die Gesellschaft ist im Wandel und auch die Gewerkschaft muss dem Rechnung tragen. Im Fall der TrainerInnen ist gerade die GPA mit der Interessensgemeinschaft work@education sehr aktiv, um geregeltere Arbeitsverhältnisse zu unterstützen.

Der gesellschaftliche Wandel bekommt ja noch einmal eine andere Dimension, wenn wir ihn global betrachten. Es muss ja auch die Tatsache beschäftigen, dass immer mehr Arbeit in Länder der "Dritten Welt" verlagert wird, weil dort die Arbeit billiger und ausbeuterisch organisiert wird.

Der Blick über die Grenzen ist ganz wichtig. Auch hier gilt: es geht darum, Zusammenhänge zu erkennen. Und wir brauchen nicht einmal in die Entwicklungsländer zu schauen. Wir haben gerade das Plastikmeer in Almeria diskutiert. (Anm.: Treibhausgemüse für den europäischen Markt zu billigsten Produktionskosten) Da findet mitten in Europa eine sagenhafte Ausbeutung statt. Das ist so erschreckend. Wir haben die Aufgabe zu sensibilisieren. Und was dagegen zu tun. Und als Gewerkschaft ist ein Zauberwort dazu "Organisieren".

Wir engagieren uns ja auch mit dem Lehrgang "weltumspannend arbeiten", der sich genau dieser Thematik annimmt und auch Vernetzung zur internationalen Solidarisierung ermöglicht. Man sieht hier, dass über der gewerkschaftlichen Bildung die politische Bildung steht. Es braucht einen gesellschaftspolitischen Diskurs.

Ein Diskurs, in dem du in kleinerer Dimension in der  Erwachsenenbildungslandschaft eingebunden bist. Ich denke an die Konferenz der Erwachsenenbildung in Österreich (KEBÖ). Welche Bedeutung hat die Zusammenarbeit in der KEBÖ?

Das Schöne an der Zusammenarbeit ist, dass wir trotz unterschiedlicher Interessen das gleiche Ziel in der Bildung haben. Wir wollen alle die Erwachsenenbildung in Österreich positionieren und wir können immer wieder gemeinsame Aktionen durchführen. Da gehört als Beispiel das Stark machen für das kostenlose Nachholen des Hauptschulabschlusses dazu. Wir haben auch gemeinsam, dass uns die politische Bildung wichtig ist, dass Bildung mehr ist als Abschlüsse zu bekommen, die verwertbar sind.

Kannst du uns noch etwas zu deiner Person sagen

Ich habe Pädagogik und Publizistik studiert. Familiär gibt es durch meine Oma und meinen Vater eine Nähe zur gewerkschaftlichen Arbeit, das konkrete Angebot im VÖGB zu arbeiten kam aber zufällig. Ganz wichtig in der Bildungsarbeit ist mir das Erleben. Das Erleben gibt Anstoß für Änderungen. Man muss es einmal erfahren haben, ich denke an ein Seminar, wo wir als GewerkschafterInnen aus 10 verschiedenen Ländern an einer gemeinsamen Zielsetzung arbeiteten. Das Erkennen, wie wichtig das grenzüberschreitende Miteinander ist, führte in der Bildungsarbeit dann zur Einrichtung eines eigenen EU-Projektbüros.

Was macht dich fit für den Job?

Es ist die Lust an der Auseinandersetzung mit vielen anderen Menschen und der Austausch, das Bereichernde an anderen Sichtweisen, … und zu schauen, wie sich dadurch meine Ziele weiterentwickeln lassen.

Wovon würdest du dir mehr wünschen? Wo siehst du Lernbedarf?

Ich wünsche mir mehr Zeit, mich in inhaltliche Themen vertiefen zu können. Das bleibt durch die Managementaufgaben auf der Strecke. Lernbedarf wäre es, wie ich mich so organisieren kann, dass mir die Zeit bleibt.

Danke für das Gespräch.

Mag.a Sabine Letz;
Jg. 1968. Studium der Pädagogik und Publizistik an der Universität Wien. Seit 1993 in der gewerksachftlichen Erwachsenenbildung tätig. Seit 2003 Geschäftsführerin des VÖGB und Leiterin des ÖGB-Referats für Bildung, Freizeit, Kultur. Vortragende und Trainerin in der Erwachsenenbildung.
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