Umsetzung der barrierefreien Erwachsenenbildung im deutschsprachigen Raum

Wie unter Geschichte der inklusiven Bildung nachgezeichnet wurde, ist die Geschichte der barrierefreien Erwachsenenbildung (in Österreich) noch recht jung. Gute Beispiele der Umsetzung sind daher rar. Nachfolgend werden ein paar Beispiele vorgestellt. Sie sollen als Inspiration dienen und einen Eindruck vermitteln, wie man die Umsetzung der barrierefreien Erwachsenenbildung angehen kann. Wie immer erhebt die Darstellung der Beispiele keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
 

Beispiele für barrierefreie Angebote in Österreich

Es gibt das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Netzwerk "D.I.E. - Denkwerkstatt Inklusive Erwachsenenbildung". Dieses Netzwerk existiert seit 2003. Der dezidierte Auftrag des Netzwerkes ist der Austausch und die Vernetzung im gesamten österreichischen Bundesgebiet. Im Netzwerk sind aus allen österreichischen Bundesländern VertreterInnen von Erwachsenenbildungseinrichtungen und/oder Behindertenvertretungsorganisationen vertreten. Gemeinsam wird daran gearbeitet, Informationen zur Barrierefreiheit in der Erwachsenenbildung zu sammeln und auszutauschen und sich gegenseitig über neue Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten. Die nachfolgenden Beispiele sind jene, die in diesem Netzwerk als Best Practice Beispiele aus Österreich gesammelt wurden.

Bildungshaus Schloss Retzhof - das erste barrierefreie Bildungshaus Österreichs

Mit dem Bildungshaus Schloss Retzhof hat die Steiermark das erste barrierefreie Bildungshaus Österreichs. Schon auf der Startseite der Webseite von Schloss Retzhof wird die Barrierefreiheit zum Thema gemacht, es gibt eine Erläuterung dazu, wie die Piktogramme im Bildungsprogramm zu lesen und zu verstehen sind. Die Webseite ist generell übersichtlich gestaltet und man kann sich darin gut zurechtfinden. Es gibt eine gut auffindbare und verständliche Wegbeschreibung, wie man zum Bildungshaus kommt. Viele wichtige Informationen werden auf der Webseite auch als Gebärdensprach-Videos zur Verfügung gestellt. Im Seminarprogramm macht eine Markierung mit Piktogrammen deutlich, für welche Zielgruppen der jeweilige Kurs offensteht.

 

Schloss Retzhof muss in diesem Sinne als österreichisches Best-Practice-Beispiel bezeichnet werden. Es empfiehlt sich, sich bei der Auseinandersetzung mit der Barrierefreiheit in der eigenen Bildungseinrichtung an dem Bildungshaus zu orientieren und ggf. Kontakt aufzunehmen.

Bildungsnetzwerk Steiermark

Das Bildungsnetzwerk Steiermark hat in den vergangenen Jahren zwei Mal Lehrgänge zum Thema "Barrierefreiheit in der Erwachsenenbildung" durchgeführt. Die Lehrgänge waren in Form eines inklusiven Angebots offen für Menschen mit und ohne Behinderungen und wurden vom Land Steiermark gefördert. Zusätzlich wurde ein Lehrgang "Bildungsberatung für ein aktives Altern" angeboten. Im Herbst wird ein neuer Lehrgang mit dem Thema "Vielfalt.Training" angeboten. Darüber hinaus wird die Steirische Weiterbildungsdatenbank neu entwickelt. Es wird noch daran gearbeitet, ob und wie einzelne Veranstaltungen als barrierefrei gekennzeichnet werden können.

biv - die Akadamie für integrative Bildung

Im biv werden einerseits Kurse für Menschen mit Behinderungen angeboten. Andererseits erfüllt das biv eine wichtige Vernetzungsfunktion zwischen Einrichtungen der Erwachsenenbildung und Behindertenvertretungsorganisationen. In den letzten Jahren sind verschiedene Broschüren entstanden, die EB-Einrichtungen dabei unterstützen sollen, Barrieren abzubauen. Alle diese Broschüren sind auch unter Informationsmaterial und Broschüren verlinkt.

Bundesinstitut für Erwachsenenbildung (bifeb) St. Wolfgang

Am bifeb in Strobl wird bereits seit einigen Jahren intensiv daran gearbeitet, alle Kurse und auch die Kursräumlichkeiten für alle Menschen zugänglich zu machen. Das bifeb umfasst eine große Fläche in Hanglage, insofern ist die Herstellung der baulichen Barrierefreiheit nicht ganz einfach zu umzusetzen. So weit als möglich, wurde die Zugänglichkeit zu den Räumlichkeiten aber bereits mittels Rampen und einem Treppenlift realisiert. Seit zehn Jahren werden im Bundesinstitut für Erwachsenenbildung "Kreative Bildungstage" angeboten. Im Rahmen dieser viertägigen Veranstaltung können sieben Workshops von Menschen mit und ohne Behinderung besucht werden.

VHS Meidling

In Wien bietet die Volkshochschule Meidling (in Kooperation mit der biv - Akademie für integrative Bildung) Kurse für Menschen mit und ohne Behinderungen an. Dafür wurde ein eigenes leicht verständliches Bildungsprogramm geschaffen. Die KursleiterInnen für diese Kurse sind speziell geschult und haben mittlerweile eine langjährige Erfahrung bei der Umsetzung von inklusiven Bildungsangeboten. Das allgemeine Kursangebot der VHS Meidling kann, so gewünscht, mit Lernassistenz besucht werden. Auf der Webseite der Volkshochschulen Wiens erleichtert ein Farbleitsystem zu den verschiedenen Kursinhalten das Verständnis und die Orientierung.

VHS Salzburg

In der Volkshochschule Salzburg wurde im vergangenen Jahr in Kooperation mit der Diakonie ein Sensibilisierungslehrgang für KursleiterInnen durchgeführt. In Zukunft sollen in Kooperation mit der Lebenshilfe Salzburg inklusive Kurse angeboten werden. In Kooperation mit SIS werden Deutschkurse für hörbehinderte oder gehörlose AsylwerberInnen durchgeführt.

Wissensturm in Linz

In Linz ist vor allem die VHS-Bibliothek, genannt der "Wissensturm", bestrebt, Angebote inklusiv anzubieten, und auf persönliche Bedürfnisse einzugehen. Das passiert u.a. durch die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen (z.B. der Diakonie). Es gibt vor Ort ein Blindenleitsystem und diverse Schalterbereiche sind mit induktiven Höranlagen ausgestattet. Durch die verschiedenen Themenbereiche der Bibliothek führt ein Farbleitsystem, es gibt Kopierstationen, die auf eine niedrige Höhe herabgesetzt sind, so dass sie für kleine Menschen und Menschen im Rollstuhl selbstständig zu bedienen sind. Das Lernzentrum LeWis im Wissensturm bietet Unterstützung für Menschen mit Lernschwierigkeiten durch eigens ausgebildete Lerncoaches. Die Webseite informiert auf einer Seite zu Barrierefreiheit über die Rahmenbedingungen vor Ort.

Beispiele für barrierefreie Angebote in Deutschland

ieser Abschnitt gibt einen Überblick über Beispiele aus dem deutschsprachigen Raum. Auch diese Auswahl wurde vom österreichweiten Netzwerk "D.I.E. - Denkwerkstatt Inklusive Erwachsenenbildung" getroffen. Mit einigen der angeführten Organisationen und Institutionen wurde im Rahmen von grenzübergreifenden Projekten schon zusammengearbeitet.

Deutscher Volkshochschul-Verband (DVV)

Der Deutsche Volkshochschul-Verband (DVV) hat für alle seine Mitglieder Empfehlungen zur Umsetzung der Zugänglichkeit von VHS herausgegeben. In diesem achtseitigen Dokument finden sich viele wertvolle Hinweise zum Abbau von Barrieren in Volkshochschulen. Die Herausgabe dieses Dokuments ist insofern bemerkenswert, als es nicht alltäglich ist, dass Verbände für ihre Mitglieder derart praxisnahe Tipps ausarbeiten und damit auf die Umsetzung der Barrierefreiheit und der UN-Behindertenrechtskonvention drängen. Die nachfolgenden Beispiele verschiedener VHS in Deutschland zeigen, dass diese Empfehlung eine Wirkung in der Praxis hat.

VHS Bamberg

Die Volkshochschule Bamberg wird seit Herbst 2014 durch das von der Aktion Mensch und von der Oberfrankenstiftung geförderte Projekt "Inklusion in Weiterbildung und Kultur" bei der Umsetzung ihres barrierefreien Bildungsangebotes unterstützt. Das macht sich auf vielen Ebenen bemerkbar. Sowohl das Bildungsprogramm als auch die Webseite werden durch ein Farbleitsystem für die verschiedenen Arten von Kursen leichter verständlich. Die Webseite beinhaltet die Seite Inklusive Volkshochschule Bamberg, in der Menschen mit Behinderungen direkt als KundInnen angesprochen werden. In der VHS Bamberg gibt es für Menschen mit Behinderungen Unterstützung bei der Auswahl von Lernangeboten und bei der Anmeldung. Das Anmeldeformular bietet die Möglichkeit anzukreuzen, wenn man Unterstützung benötigt, z.B. eine induktive Höranlage, barrierefreie Zugänge oder GebärdensprachdolmetscherInnen. Es gibt eine Ansprechpartnerin für alle auftauchenden Fragen (rund um die Barrierefreiheit). Es empfiehlt sich, sich bei der Umsetzung eigener Projekte an dieser Volkshochschule zu orientieren und ggf. Kontakt aufzunehmen.

VHS Berlin

Die Berliner Volkshochschulen bieten auf ihrer Webseite unter VHS inklusiv Informationen zu ihren Kursen bzw. Informationen in Leichter Sprache. Es gibt ein außerordentlich gut und übersichtlich gestaltetes Kursprogramm in Leichter Sprache. Neben einem einschlägigen Kursangebot für Menschen mit Behinderungen wird auch versucht, das allgemeine Kursprogramm für alle Menschen gleichermaßen zugänglich zu machen. Auf der Webseite gibt es den ausdrücklichen Hinweis, dass man sich melden soll, wenn man Unterstützung beim Kursbesuch braucht.

VHS Freiburg

Die Volkshochschule Freiburg hat eine übersichtliche und leicht verständliche Webseite. Ein Farbleitsystem führt durch die verschiedenen Arten von Kursen. Unter Menschen mit Behinderungen und Lernschwierigkeiten wird aktiv darauf hingewiesen, dass das gesamte Kursangebot auch für Menschen mit Behinderungen offensteht. Die potenziellen TeilnehmerInnen werden eingeladen, sich zu melden, wenn sie Unterstützungsbedarf haben. Es werden namentlich Ansprechpersonen genannt, an die man sich wenden kann.

VHS München

Die Volkshochschule München hat auf ihrer Website unter Barrierefrei lernen ihr barrierefreies Angebot zusammengefasst. Unter diesem findet man nicht nur Kurse für Menschen mit (und ohne) Behinderungen sowie das Programmheft, sondern z.B. auch ein Informations-Video, wie man als RollstuhlfahrerIn zur VHS kommt und wo sich der entsprechende Eingang befindet. Solche Maßnahmen machen deutlich, dass man sich in der VHS bereits intensiv mit dem Thema beschäftigt hat. Durch solche Hinweise und Informationen werden behinderte Menschen aktiv als potenzielle KursteilnehmerInnen angesprochen.

VHS Nürnberg

Die Volkshochschule Nürnberg/Bildungszentrum Nürnberg hat mittlerweile schon lange ein integratives Kursangebot. Wie es das Wunschziel der inklusiven Bildung ist, werden Kurse nicht mehr extra als für behinderte Menschen zugänglich ausgeschildert, sondern es gibt einen allgemeinen Hinweis dazu, dass das Kursprgramm grundsätzlich für alle Menschen offensteht und man sich im Bedarfsfall jedenfalls mit den VeranstalterInnen in Verbindung setzen soll. Darüber hinaus gibt es einen genauen Lageplan, in dem die verschiedenen Veranstaltungsorte eingezeichnet sind. Jene, die rollstuhlgerecht sind, sind entsprechend markiert, jene, wo eine induktive Höranlage vorhanden ist, ebenfalls. Es gibt eine TeilnehmerInnen-Vertretung, an die man sich mit allen Anliegen wenden kann und die die Interessen der TeilnehmerInnen vertritt. Aktueller Schwerpunkt ist lt. Webseite die "barrierefreie Teilnahme" an Kursen. Die Webseite ist übersichtlich gestaltet und ermöglicht eine einfache Orientierung und Navigation. Das Bildungsprogramm macht hinsichtlich der Gestaltung und der Formulierungen deutlich, dass das Thema Barrierefreiheit in der Bildungseinrichtung angekommen ist. Verbesserungsmöglichkeiten gibt es immer, aber die Webseite und/oder das Bildunsgprgramm der VHS Nürnberg sind gute Beispiele dafür, wie man es angehen könnte.

Kooperationspartner finden und Ressourcen nutzen: Finanzierungsmöglichkeiten

Seit das Bundes-Behinderten-Gleichstellungsgesetz in vollem Umfang in Kraft getreten ist, gibt es kaum noch Förderungen für die Umsetzung der Barrierefreiheit. Sie ist gesetzlich geboten und damit nur mehr bedingt förderungswürdig. In der Praxis hat sich gezeigt, dass der Förderung individueller TeilnehmerInnen oder auch einzelner Projekte eher stattgegeben wird.

(Bildungs-)Förderungen beantragen

Eine Möglichkeit, um Fördergelder zu generieren, ist die Kontaktaufnahme mit den Sozialabteilungen der jeweiligen Landesregierungen. Darüber lassen sich manchmal Förderungen für einzelne TeilnehmerInnen organisieren. Da diese Fälle aber Einzelfälle darstellen, sollte auch in andere Richtungen gedacht werden. Empfehlenswert sind Kurs- und Bildungsförderungen im Allgemeinen, wie beispielsweise die Bildungsförderung oder auch der AK-Bonus. Um solche Unterstützungen in Anspruch nehmen zu können, braucht es seitens der Bildungseinrichtung ein fundiertes Wissen über die Förderlandschaft des jeweiligen Bundeslandes.

Beteiligung an Ausschreibungen für Preise und Auszeichnungen

Eine weitere Möglichkeit liegt darin, nach Ausschreibungen für Preise und Auszeichnungen Ausschau zu halten. Das klingt banal, kann aber ein vielversprechender Weg sein, um an zusätzliche Gelder und auch Bewerbungskanäle zu kommen. Behindertenvertretungsorganisationen, wie beispielsweise die Lebenshilfe Österreich verleihen jährlich Preise wie den Inklusionspreis. Solche Ausschreibungen für Preise und Auszeichnungen gibt es immer wieder. Sie können neben einem möglicherweise zu generierenden Preisgeld u.a. auch die Aufmerksamkeit auf ein Projekt erhöhen, was möglicherweise die Teilnahme (weiterer) behinderter Menschen zur Folge hat. Es zahlt sich daher aus, zu Beginn eines neuen Vorhabens eine Recherche zu aktuellen Ausschreibungen anzustellen.

Kooperationen anstreben

Eine Möglichkeit, um kostenseitig zu sparen ist die Kooperation mit entsprechenden Firmen und Einrichtungen. Wenn beispielsweise für einen Kurs eine induktive Höranlage benötigt wird, ist es sinnvoll mit Firmen Kontakt aufzunehmen, die diese verleihen und Kooperationsmöglichkeiten auszuloten. Möglicherweise kann ein günstigerer Preis angeboten werden, wenn dafür das Logo der Firma in der Kursbroschüre abgedruckt wird. Ähnliche Möglichkeiten bieten sich auch für die Organisation anderer Hilfsmittel an. Wenn sichergestellt ist, dass eine bestimmte Zielgruppe den Kurs ohne Hindernisse besuchen kann, ist es in einem weiteren Schritt empfehlenswert, mit einschlägigen Vereinen und Organisationen Kontakt aufzunehmen. Um bei diesem Beispiel zu bleiben: wenn eine induktive Höranlage vor Ort ist und im Kurs verwendet wird, bietet es sich an, mit Vereinen und Organisationen Kontakt aufzunehmen, die hörbeeinträchtigte Menschen zur Zielgruppe haben. Das Angebot wird unter diesen Bedingungen sicher gerne unter der Zielgruppe verbreitet. Das wiederum erhöht die Chancen, dass weitere hörbeeinträchtigte Personen teilnehmen, wodurch a) die Kosten, die der Einsatz der induktiven Höranlage mit sich bringt, eher gerechtfertigt werden können, b) möglicherweise höhere Einnahmen über Teilnahmegebühren erzielt werden können und somit der Kosten-Nutzen-Faktor insgesamt verbessert wird.


Mit jeder erfolgreich durchgeführten Veranstaltung reduziert sich im weiteren Verlauf der Organisationsaufwand. Die Firmen und Einrichtungen kennen den Kursanbieter bereits und wissen, was sie erwarten können. Die Aushandlung von Kooperationsmöglichkeiten muss nicht jedes Mal neu stattfinden, man kann auf vergangene Erfahrungen zurückgreifen und darauf aufbauen, was den Prozess beschleunigt.


Kontakte zu entsprechenden Firmen und Organisationen finden Sie unter Kontakte und Informationen.