Weiterbildungsbeteiligung und -barrieren

Annette Sprung, 2013

Aufgrund weniger empirischer Studien und vorliegender Daten können über die Bildungsbeteiligung von Erwachsenen mit Migrationshintergrund nur eingeschränkte Aussagen getroffen werden. Die meisten Bildungsträger erfassen in ihren TeilnehmerInnen-Statistiken keine Kriterien wie Migrationshintergrund oder Staatsbürgerschaft. So lässt sich beispielsweise derzeit nicht österreichweit angeben, wie viele Menschen pro Jahr an einem Deutschkurs teilnehmen. Die vorhandenen Daten, etwa aus dem Adult Education Survey (2013), zeigen jedoch deutlich an, dass MigrantInnen in der Weiterbildung unterrepräsentiert sind.

 

Weiterbildungsbeteiligung 2011/12

Der Adult Education Survey (AES) analysiert die Lernaktivitäten der österreichischen Wohnbevölkerung innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten, dabei wurden 2011/12 Personen im Alter zwischen 25 und 64 Jahren und als junge Erwachsene die 18-24-Jährigen erfasst. Auf die ebenfalls untersuchte Teilnahme an formaler Bildung (z.B. Schule, Hochschule) wird hier nicht näher eingegangen, sondern auf die Beteiligung an non-formalen Bildungsaktivitäten.


Die Ergebnisse zeigen, dass 46,8% der befragten österreichischen StaatsbürgerInnen im Alter von 25 bis 64 Jahren an nicht-formalen Bildungsangeboten partizipierten, während die ausländischen Staatsangehörigen, die in Österreich leben, nur eine Beteiligung von 35,4% aufwiesen. Noch deutlicher fällt der Unterschied bei den 18-24-Jährigen aus: er liegt bei 44,7% (ÖsterreicherInnen) zu 29,2% (ausländische Staatsangehörige). Werden lediglich berufsbezogene Bildungsaktivitäten betrachtet, liegt der Unterschied bei Erwachsenen bei 32,6% gegenüber 22,7%.


Als Schwierigkeiten der Bildungsteilnahme wurden von nicht-österreichischen Befragten häufiger als von ÖsterreicherInnen z.B. fehlende Zulassungsvoraussetzungen oder Finanzierungsmöglichkeiten, familiäre Verpflichtungen und mangelnde Unterstützung der ArbeitgeberInnen angegeben. Informationen über Bildungsmöglichkeiten suchen sie stark im Internet, bei Beratungs- und Bildungseinrichtungen gesucht.

 

Barrieren der Weiterbildungsbeteiligung im Überblick

Die Ursachen einer geringen Weiterbildungsbeteiligung von MigrantInnen sind vielschichtig. Bekanntlich haben bestimmte sozio-ökonomische Faktoren wie Schul- und Ausbildung, Erwerbstätigkeit, Alter, Nationalität, Geschlecht, soziale Herkunft oder berufliche Stellung im Allgemeinen Einfluss auf die Partizipation an Weiterbildung. Einige der genannten Aspekte sind unter MigrantInnen besonders nachteilig ausgeprägt: So ist z.B. die Arbeitslosenrate der ausländischen Staatsangehörigen deutlich höher als jene der InländerInnen. Die Position auf dem Arbeitsmarkt ist insbesondere bei sogenannten Drittstaatsangehörigen oft von ungünstigen Bedingungen und/oder von Dequalifizierung gekennzeichnet. Benachteiligungen im Schulwesen haben Konsequenzen für den Zugang zu Weiterbildung.


Als weitere Barrieren gelten Informationsdefizite über Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, mangelnde Deutschkenntnisse oder die rechtlichen Rahmenbedingungen (Fremdenrecht). Die Anerkennung von Bildungsabschlüssen aus dem Ausland gestaltet sich häufig schwierig und aufwändig. MigrantInnen sind zuweilen durch negative Erfahrungen in Kursen entmutigt: Sie stehen aufgrund sprachlicher Einschränkungen stark unter Druck dem Unterricht zu folgen. Es gibt meist wenig Zeit und Ressourcen für Übersetzungen. In weiterer Folge haben MigrantInnen zuweilen weniger Gelegenheit ihre Kompetenzen adäquat einzubringen. Manche LernerInnen berichten von Diskriminierungen, die sowohl von anderen Teilnehmenden als auch Vortragenden ausgehen. Schließlich kann eine Ursache in einer mangelnden Offenheit der Bildungseinrichtungen für die Bedürfnisse von TeilnehmerInnen mit Migrationserfahrung liegen.


Ein Blick in die Praxis zeigt, dass Bildungseinrichtungen in unterschiedlicher Intensität am Abbau von Barrieren arbeiten. Es gibt sowohl Institutionen, die kaum von MigrantInnen (so diese nicht ohnehin zu privilegierten Bevölkerungsgruppen zählen) in Anspruch genommen werden, als auch Einrichtungen, die sich auf allen Ebenen erfolgreich geöffnet haben.

Barriere: Bildungsinformation

Eine Ursache geringer Bildungsbeteiligung ist auch der Mangel an Informationen über Weiterbildungsmöglichkeiten bzw. insgesamt über die Struktur sowie die Anforderungen des Arbeitsmarktes im Migrationsland. Eine im Jahr 2003 in Deutschland durchgeführte Befragung zum Weiterbildungsverhalten (Schmidt/Tippelt 2006) bezog auch ProbandInnen mit ausländischer Staatsbürgerschaft in die Untersuchung ein. Hier gaben die RespondentInnen am häufigsten die mangelnde Orientierung auf dem Weiterbildungsmarkt als Barriere an (63% der AusländerInnen, hingegen nur 17% der Deutschen) sowie Ängste vor Prüfungsanforderungen (44%). Aus diesem Ergebnis lässt sich unter anderem die Forderung nach einer intensivierten Bildungsberatung ableiten. Auch im Rahmen eines österreichischen Projektes brachten die Interviewten ihren schlechten Informationsstand zum Ausdruck, so Reinprecht und Ates (2009). Mit den Daten des AES kann dieses Manko allerdings so nicht bestätigt werden, die Studien verwenden allerdings auch unterschiedliche Fragestellungen und sind somit nicht direkt vergleichbar.

Barriere: Anerkennung von Qualifikationen und Kompetenzen

Ausländische Bildungsabschlüsse und Berufserfahrungen können in Österreich mit Hilfe bestimmter Verfahren anerkannt werden (Nostrifikation, Nostrifizierung, Gleichhaltung, Anerkennung).

Menschen, die ihre Abschlüsse nicht in Österreich erworben haben, stehen bei der Arbeitssuche sowie beim Zugang zu weiterführender Bildung häufig vor Problemen. Eine formale Anerkennung ist, abgesehen von den Kosten, für viele MigrantInnen aufgrund der bürokratischen Hürden nicht realisierbar. So kann beispielsweise eine Person, die aufgrund politischer Verfolgung aus ihrem Heimatland flüchten musste, nur schwer die geforderten Bestätigungen der heimischen Behörden und Universitäten erhalten. Für einen Teil der EinwanderInnen ist - je nach Herkunftsland und Abschluss - eine Anerkennung aber auch relativ problemlos zu realisieren.

IntegrationsexpertInnen setzen sich für formale Erleichterungen sowie intensivere Beratungsangebote bezüglich der Anerkennungsmöglichkeiten ein. 2013 wurden in Österreich fünf Anlaufstellen für Personen mit im Ausland erworbenen Qualifikationen (AST) installiert, welche Beratungsleistungen anbieten.

 

Beispiele für aktuelle Forschungsprojekte

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Weitere Informationen

Weiterführende Links

Literatur

  • Philipp, Simone (2013): Lücken im Recht auf Bildung? Eine Studie zur Erreichbarkeit von Frauen und Mädchen mit Migrationsgeschichte durch Angebote und Maßnahmen zur Bildungs- und Berufsorientierung im Raum Steiermark. »Link
  • Pohn-Weidinger, Axel/Reinprecht, Christoph (2005): Migrantinnen und Migranten in Wiener Einrichtungen der Erwachsenenbildung. Ergebnisbericht. Wien. »Link
  • Biffl, Gudrun (2009): ENTER. Adult Education Development for Migrants and Ethnic Minorities. Final Research Report. Wien. »Link
  • Report. Zeitschrift für Weiterbildungsforschung (2012), Heft 4 (Bildung und Migration).
  • Salfinger-Pilz, Brigitte (2013): Erwachsenenbildung. Ergebnisse des Adult Education Survey (AES). Wien: Statistik Austria. »Link
  • Schmidt, Bernhard/Tippelt, Rudolf (2006): Bildungsberatung für Migrantinnen und Migranten. In: Report. Zeitschrift für Weiterbildungsforschung, Jg. 29, Heft 2, S. 32-42.
  • Sprung, Annette (2011): Zwischen Diskriminierung und Anerkennung. Weiterbildung in der Migrationsgesellschaft. Münster, New York, München, Berlin: Waxmann.

 

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