Gallup-Studie zu Fremdsprachenkenntnissen

22.04.2009, Text: Britta Kleinfercher, WIFI Österreich, Redaktion: Tamara Prock, WIFI Österreich
Österreicher/innen sind unverändert Fremdsprachen-Muffel. Die Wirtschaft leidet darunter.
Für acht von zehn österreichischen Unternehmen spielen Fremdsprachen-kenntnisse bei der Personalrekrutierung eine Rolle. 52 % davon messen den Fremdsprachen eine sehr hohe bis hohe Bedeutung zu. Den größten Fremdsprachenbedarf sehen Unternehmen zwischen 101 und 200 Mitarbeiter/innen. 91 % davon finden, dass Fremdsprachen Bedeutung haben. Zu diesen Ergebnissen kommt eine im Auftrag des WIFI Österreich im März 2009 durchgeführte Studie des Gallup-Instituts, bei der Personalverantwortliche in österreichischen Unternehmen befragt wurden.

Grafik WIFI/OGS-Grafik
Jedes fünfte Unternehmen beklagt negative Auswirkungen

73 % der Unternehmen testen beim Einstellungsgespräch die sprachlichen Fähigkeiten der Bewerber/innen. Fast die Hälfte der Personalverantwortlichen tut dies mündlich, 41 % lassen sich einen schriftlichen Erfolgsnachweis erbringen und 13 % testen die Kenntnisse schriftlich ab. "Bedenklich stimmt mich, dass von den Unternehmen, in denen Fremdsprachen eine hohe bis sehr hohe Rolle spielt, jeder Zehnte die Bewerber/innen diesbezüglich nicht überprüft", meint Dr. Michael P. Walter, Kurator des WIFI Österreich. "Dies schlägt sich doch auch auf den Unternehmenserfolg nieder und das belegen auch die Studienergebnisse: Jedes fünfte Unternehmen beklagt aufgrund der mangelnden Fremdsprachenkenntnisse ihrer Mitarbeiter/innen negative Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg. Diese reichen von Beschwerden, Zusatzkosten, Kontaktproblemen und Informationsdefiziten bis hin zu Auftragsverlusten!" In Ostösterreich (Wien, NÖ und Burgenland) ist sogar fast jedes dritte Unternehmen davon betroffen. Dies bestätigen auch die Ergebnisse einer von der europäischen Kommission im Vorjahr veröffentlichten Studie, die aufzeigt, dass 11 % der Unternehmen aufgrund mangelnder Sprachkompetenz ihrer Mitarbeiter/innen Aufträge verlieren. Interessant ist auch, dass Fremdsprachen nicht nur auf der Führungsebene oder im Verkauf gebraucht werden, sondern mehr oder weniger quer durch alle Ebenen im Betrieb. "Gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise, wenn wirklich jeder einzelne Auftrag zählt, wirkt sich das besonders nachteilig aus."

Ostsprachen auf dem Vormarsch
Mit 81 % führt Englisch die Rangliste der wichtigsten Fremdsprachen an. Platz 2 teilen sich Italienisch und andere Sprachen mit jeweils 21 %, dicht gefolgt von Französisch mit 20 %. Dahinter rangieren Russisch (18 %) und Spanisch (15 %). In Unternehmen, bei denen Fremdsprachen eine sehr hohe bzw. hohe Bedeutung haben, teilt sich Russisch mit Französisch bereits Platz 2, und die Ostsprachen sind für ein Viertel der Befragten wichtig. "Das Ranking der wichtigsten Sprachen spiegelt sich übrigens in der Nachfrage nach WIFI-Ausbildungen wider: Auch bei uns im Haus sind Kurse für Englisch am meisten gefragt, gefolgt von Italienisch, Französisch, Spanisch. Aber Russisch und Deutsch als Fremdsprache nehmen am stärksten zu", so Dr. Walter.

Nur 5 % der Bewerber/innen sehr gut
Bei der Frage wie gut die Fremdsprachenkenntnisse der Bewerber/innen seien, stellen die Befragten keine guten Zeugnisse aus. Nur 5 % der Bewerber/innen erhalten die Note "sehr gut". 50% sind "eher gut" bis "weniger gut". Wobei die Jobanwärter im Osten Österreichs mit nur 3 % "sehr gut" sowie 44 % "eher gut" am schlechtesten abschneiden.

Frauen besser als Männer
18 % der Studienteilnehmer/innen sind der Meinung, dass es Unterschiede zwischen Mann und Frau gibt. Von denen, die diese Ansicht teilen, sagen 94 %, dass Frauen besser seien.

Sprachliche Weiterbildung im Berufsleben essentiell
Rund die Hälfte der Befragten bemerkt einen Unterschied zwischen Berufseinsteigern und Bewerber/innen mit Berufserfahrung. Davon sind nahezu zwei Drittel (72 %) der Meinung, dass Berufseinsteiger bessere Fremdsprachenkenntnisse haben. "Dieses Ergebnis spiegelt genau unsere Erfahrungen wider. Sprache lebt davon, dass sie angewandt wird. Meistens haben Schul- und Uniabgänger zwar sehr gute Kenntnisse, jedoch bauen sie mit der Zeit ab, wenn sie die Sprache im Alltag nicht einsetzen. Daher ist es von enormer Bedeutung, dass sich Berufstätige, wie in anderen Bereichen, auch im sprachlichen Umfeld kontinuierlich weiterbilden", betont Dr. Walter.

Keine Weiterbildung für Generation 50+
Bei der sprachlichen Weiterbildung werden junge Mitarbeiter/innen bevorzugt: Der Großteil, nämlich 45 % der Unternehmen, lässt mehrheitlich Mitarbeiter/innen zwischen 20 und 30 Jahren sprachlich schulen. Bei 34 % der Betriebe liegt der Schwerpunkt der Ausbildungen auf Mitarbeiter/innen zwischen 31 und 49 Jahren. Lediglich 2 % der Unternehmen investieren mehrheitlich in die sprachliche Ausbildung der Generation 50+. "Auch hier widersprechen sich Erwartungshaltung und Praxis. Einerseits erwarten die Unternehmen, dass ihre Mitarbeiter/innen Fremdsprachen beherrschen und sind auch der Meinung, dass Berufseinsteiger besser sind als ältere. Trotzdem investieren sie lieber genau in diese Gruppe und lassen die Älteren außen vor", zeigt der WIFI-Kurator die Problematik auf. Experten betonen, dass die Lernleistung beim Sprachenlernen bis ins hohe Alter erhalten bleibt, d.h. Fremdsprachen kann man ohne Leistungsabfall "lebenslang" lernen.

Sprachliche Aus- und Weiterbildung
Das WIFI bietet mit jährlich über 3.600 Sprachkursen im offenen Bereich (Kursteilnehmer/innen finanzieren Sprachkurse vielfach privat und besuchen nahezu ausschließlich diese Weiterbildung in der Freizeit) und fast 700 Unternehmenstrainings in 20 Sprachen – von Arabisch bis Ungarisch – eine Vielzahl an Weiterbildungsmöglichkeiten für Sprachbegeisterte. Sprachtrainings werden in den WIFIs vielfältig angeboten: von Einzelcoachings für Führungskräfte über Kleingruppentrainings bis hin zu Blended-Learning-Seminaren (Kombination aus eLearning und Präsenzlernen).