Zielgruppe Jugendliche: zunehmend wichtig für die Erwachsenenbildung
Die Ausgangslage
Vor mehr als zwei Jahrzehnten zeichnete sich in Österreich eine Lehrstellenkrise ab. Sie betraf nicht die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen, sondern die Betriebe, die nicht mehr ausreichend Lehrlinge ausbildeten. Laut Lehrlingsstatistik der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) ging die Zahl der Lehrbetriebe in den letzten 20 Jahren um ein Viertel zurück. Im gleichen Zeitraum sank die Zahl der Lehrlinge um 18 %. Für die Berufsausbildung der Jugendlichen waren Lösungen nötig. Ein Teil wählte statt der dualen Ausbildung den schulischen Weg einer Berufsausbildung, für die Übrigen musste eine Alternative gefunden werden.
Das Auffangnetz
Mit dem "Auffangnetz für Jugendliche" wollte die Bundesregierung die Lücke zwischen Lehrstellensuchenden und betrieblichen Ausbildungsplätzen schließen. Ab 1998 bildeten Erwachsenenbildungseinrichtungen wie das BFI in Lehrgängen Jugendliche mit dem Ziel aus, sie auf eine Lehrstelle in einem Betrieb zu vermitteln. Das Gesamtkontingent war damals auf maximal 4 000 Plätze ausgelegt und als Übergangslösung konzipiert.
Die Ausbildungsgarantie
Da sich in den folgenden Jahren keine Besserung abzeichnete und alle eine Chance auf eine Berufsausbildung erhalten sollten, gab die österreichische Bundesregierung eine Ausbildungsgarantie für Jugendliche ab. 2008 wurden die Berufslehrgänge auf gesetzlicher Basis als eine gleichwertige überbetriebliche Lehrausbildung (ÜBA) etabliert. Die Absicht bestand zum einen weiterhin darin, dass Betriebe Jugendliche über den Weg von Praktika aufnehmen und (zu Ende) ausbilden würden. Zum anderen wurde aber auch die Möglichkeit geschaffen, Jugendliche zur Gänze bis zum Lehrabschluss in einer Lehrwerkstätte einer Erwachsenenbildungseinrichtung auszubilden. Die Zuweisung und Abwicklung erfolgte mittels Vergabeverfahren durch das Arbeitsmarktservice (AMS).
Die überbetriebliche Lehrausbildung
Die ÜBA wird von sogenannten Trägereinrichtungen im Auftrag des AMS durchgeführt. Die Einrichtungen mit den meisten Ausbildungsplätzen sind neben dem BFI das Wirtschaftsförderungsinstitut (WIFI), das Ländliche Fortbildungsinstitut (LFI), Jugend am Werk (JaW), ibis acam und Weidinger & Partner. Es existieren zwei Varianten der ÜBA: solche mit einem Ausbildungsvertrag über die gesamte Lehrzeit (ÜBA 1) und solche mit kürzerer Dauer und dem Ziel der Vermittlung auf einen betrieblichen Lehrplatz (ÜBA 2). Mit Ausnahme von Wien, wo der Lehrstellenmangel am größten ist, überwiegt das Modell der ÜBA 2. Am BFI werden beide Modelle erfolgreich umgesetzt. Bei der ÜBA 1 liegen die Schwerpunkte auf Metall- und Elektrotechnik, Maschinenbau, IT, Mediendesign und -technik sowie Bau- und Baunebengewerbe.
Der Anteil der ÜBA
Die Lehrlingsstatistik der WKO zeigt, dass in den letzten zehn Jahren im Durchschnitt 8 % aller Lehrlinge eine ÜBA absolvierten und dieser Anteil seit 2010 weitgehend stabil geblieben ist. 2018 nahmen von insgesamt rund 108 000 Lehrlingen über 8 300 Jugendliche an einer ÜBA teil. Allein am BFI waren es von 2009 bis 2018 zwischen 4 000 und 5 000 – ein Anteil von 50 %. Damit ist das BFI der mit Abstand größte Lehrlingsausbilder in Österreich. Zum Vergleich: bei SPAR sind es rund 2 300, bei den ÖBB 1 900 und bei REWE 1 800.
Der Mehrwert der ÜBA
Abgesehen davon, dass die ÜBA die Jugendarbeitslosigkeit und den Fachkräftemangel generell verringert, kann das BFI mit seinen technischen Ausbildungszentren und neuesten Technologien im Unterschied zu vielen kleineren bzw. spezialisierten Betrieben die jeweiligen Berufsbilder der Lehrberufe zur Gänze abdecken. Damit werden die Lehrlinge für die Anforderungen der Arbeitswelt bestmöglich qualifiziert. Die ÜBA hat aber auch sonst noch zahlreiche Vorteile. Denn die Investitionen der öffentlichen Hand bringen nicht nur individuell bessere Berufsverläufe und Einkommensentwicklungen, sondern rechnen sich auch volkswirtschaftlich. Zwei Studien belegen, dass sich die Kosten bereits in vier bis fünf Jahren amortisieren und mittelfristig zur Finanzierung des Sozialstaats beitragen.
Die Zukunftsperspektive
Es ist evident, dass Erwachsenenbildungsinstitute wie das BFI maßgeblich mithelfen, die berufliche Ausbildung von Jugendlichen in Österreich sicherzustellen. Ohne sie wäre der Mangel an betrieblichen Lehrstellen nicht auszugleichen. Insofern sind sie zu einem unverzichtbaren Bestandteil des heimischen Ausbildungssystems geworden. Im aktuellen Regierungsprogramm finden sich Anhaltspunkte für die Aufwertung der Lehre und Abdeckung des Fachkräftebedarfs. Dazu zählen etwa die ausreichende Finanzierung der ÜBA samt Unterstützung für Jugendliche mit besonderem Förderbedarf, die Weiterentwicklung der Lehre mit Matura und der Ausbau der höheren Berufsbildung – alles Vorhaben mit stärkerer Aufmerksamkeit auf der Zielgruppe Jugendliche in der Erwachsenenbildung.
- BFI Österreich
- Lehrlingsstatistik der Wirtschaftskammer
- Arbeitsmarktservice
- Erfolgsmodell ÜBA
- Weiterführender Artikel im Magazin erwachsenenbildung.at (pdf)
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