Was Tablets und Brillen gemeinsam haben

14.01.2016, Text: Thomas Tröbinger, atempo, Redaktion: Birgit Aschemann, Redaktion/CONEDU
Für Menschen mit Behinderungen oder Lernschwierigkeiten werden durch mobile Computer ganz neue Wege der digitalen Lernbeteiligung möglich. (Serie: Digitale Ressourcen und Technologien)
Instruktion am Tablet-PC | Foto: atempo
Niedrigere Hürden beim Lernen mit dem Tablet-PC
Foto: atempo
Ende 2015 wurde die atempo Bildung für das Projekt "Inklusive Bildung mit Tablets" mit dem Erasmus+ Award der Nationalagenturen Lebenslanges Lernen und Jugend in Aktion ausgezeichnet. Der Preisträger Thomas Tröbinger berichtet, warum diese Arbeit wichtig ist und wie sie gelingt.

Was mobile Computer für alle tun können
Menschen mit Lernschwierigkeiten haben oft Schwierigkeiten beim Aufnehmen von Informationen, der Informationsverarbeitung, der Organisation von Gedanken, der Merkfähigkeit und der Kommunikation. Das sind Fähigkeiten, die alle Menschen in der modernen Informationsgesellschaft brauchen. In einer globalisierten und vernetzten Welt müssen wir unsere Gedanken gut organisieren, Informationen entsprechend finden, mit Menschen weltweit kommunizieren können und unsere Beziehungen auch unter Nutzung der Kommunikationsmedien pflegen können. Dafür tragen mehr als die Hälfte aller EuropäerInnen ein Helferlein mit sich, nämlich ihr Smartphone - einen leistungsfähigen Taschencomputer.

Behinderung als soziale Angelegenheit
Behinderung wird in der heutigen Diskussion weniger als individuelles Problem verstanden, sondern als eine Sache sozialer Verantwortung und als Auftrag, Hindernisse auszuräumen. Eine Person mit einer Sehschwäche wird ihre Disposition nur dann als Behinderung erleben, wenn sie keinen Zugang zu einer Brille hat. Das Hilfsmittel, hier also die Brille, macht den entscheidenden Unterschied. Mobile Computer wie Tablets oder Smartphones können - richtig eingesetzt - für Menschen mit Lernschwierigkeiten so eine "Brille" sein.


Speziell iPads haben sich als Geräte mit einem hohen "Brillenpotential" für Menschen mit Lernschwierigkeiten erwiesen: sie erleichtern Kommunikation, Mobilität, Selbstmanagement, individuelles Lernen in der Basisbildung, den multimedialen Ausdruck und vieles mehr - und zwar dann, wenn ihre Bedienung ganz einfach ist. Integrierte Funktionen des iPad bieten diese Möglichkeiten - in wenigen Sekunden und ohne eine zusätzliche Installation.

Überzeugende Praxisbeispiele
Beispielsweise vermag der Safari Reader mit einem einzigen Antippen alle Websites von ablenkenden Elementen zu bereinigen und macht jede Internetseite zum reinen Textvergnügen. Ein einfaches Streichen mit zwei Fingern aktiviert die Vorlesefunktion des iPads, die es ermöglicht, sich jeglichen Bildschirminhalt vorlesen zu lassen, und das in verschiedenen Sprachen. Und mit der "Voice Over"- Funktion haben auch blinde Personen die Möglichkeit, die Benutzeroberfläche hörend zu erfassen und mit Hilfe von Gesten den Computer zu steuern.


So wird es nicht nur möglich, leichter lesen und schreiben zu lernen, sondern auch, Informationen zu suchen, zu kommunizieren und sich zu organisieren, falls Lesen und Schreiben weiterhin schwierig sind. Das ist bestechend, da diese digitalen Funktionen mittlerweile wesentlich leichter anzuwenden sind als unsere klassischen Kulturtechniken - ein Tippen oder Wischen genügt. Support sollte verfügbar sein, wird aber im Regelfall selten benötigt.

ExpertInnen für Inklusion durch digitale Medien
Entwickelt und erprobt wurde diese iPad-Verwendung von einer gemeinnützigen Bildungseinrichtung namens atempo mit Sitz in Graz. Atempo arbeitet für die Basisbildung, berufliche Qualifizierung und Vermittlung von jungen Erwachsenen in den ersten Arbeitsmarkt. Das bisher erworbene Know-How zum Einsatz von Tablets in der inklusiven Bildung gibt atempo in einwöchigen Fortbildungen an Bildungseinrichtungen und deren MitarbeiterInnen weiter.

Serie: Digitale Technologien und Ressourcen für die Erwachsenenbildung
In einer Serie von praxisnahen Beiträgen berichtet erwachsenenbildung.at über digitale Möglichkeiten für das Lernen und Lehren von und mit Erwachsenen. Damit sind bislang nicht ausgenützte Chancen verbunden, was Öffnung, Kommunikation und Austausch, aber auch Arbeitserleichterung und Effizienz betrifft. Die Serie soll dazu ermutigen, die technischen Möglichkeiten zu erproben und sich diese letztlich (individuell und als Bildungssektor) zu eigen zu machen. Alle bisher erschienenen Beiträge der Serie finden Sie hier.

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