Nachlese zur Konferenz "Mit Bildung ist zu rechnen"

18.01.2013, Text: Daniela Savel, Österr. Volkshochschularchiv
Auf internationaler Konferenz über Bildung und Ökonomie plädierte Stephan Schulmeister für mehr zivilgesellschaftliches Engagement in wirtschaftlichen Belangen.
Mit Ökonomie war und ist die Erwachsenenbildung in vielfältiger Weise befasst. Zum einen sind die Institutionen der Erwachsenenbildung mit ihrer Bildungstätigkeit in die bestehenden wirtschaftlichen Strukturen eingebunden. Zum anderen ist die Beschäftigung mit der Vermittlung ökonomischen Wissens auch Thema der Erwachsenenbildung. Mit diesen zwei Aspekten befasste sich eine internationale Konferenz, organisiert vom Österreichischen Volkshochschularchiv und Verband Österreichischer Volkshochschulen, die am 8. und 9. November 2012 in Wien stattfand.

Lernresistente Eliten
Nach den Eröffnungsworten von Michael Ludwig (Verband Österreichischer Volkshochschulen, (VÖV) u. VHS Wien), Martin Netzer (BMUKK) und Gerhard Bisovsky (VÖV) hielt Stephan Schulmeister (WIFO) den pointierten Eröffnungsvortrag. Er nahm auf die seit zirka 30 Jahren entwickelnde Finanzwirtschaft – im Gegensatz zur Realwirtschaft – Bezug und sprach von der Problematik, dass politische Eliten und Wirtschaftsökonomen auch in Krisen beharrlich ihre Doktrinen vertreten würden. So sei die Maxime „zu sparen“ in einer wirtschaftlichen Krise ungeeignet einen Weg aus der Krise zu finden, da zwar der Staat spart, sich aber die Wirtschaft nicht erhole („Sparparadox“). Nur aus der Zivilgesellschaft heraus könne, so Schulmeister, eine Änderung im ökonomischen Handeln erwirkt werden. Doch dies setze Zivilcourage gepaart mit Wissen über die ökonomischen Sachverhalte und Zusammenhänge voraus. Institutionen der Erwachsenenbildung, respektive die Volkshochschulen, sind wohl als Bildungseinrichtungen dazu prädestiniert, dieses notwendige Wissen zu vermitteln.

Gabriele Michalitsch (Universität Wien) nahm ebenfalls auf die gesellschaftlichen Eliten Bezug. Zunehmend würden mit einer mangelnden demokratischen Kontrolle intransparente wirtschaftspolitische Entscheidungen der politischen und ökonomischen (zumeist männlichen) Eliten getroffen werden. Dies würde die Demokratie aushöhlen und zu postdemokratischen Verhältnissen führen.

Aus feministischer Perspektive wies Brigitte Young (Universität Münster) in ihrem Vortrag auf geschlechtsspezifische (zum Beispiel: Besetzung von Dienstposten), strukturelle und diskursive Machtfaktoren hin, die unter anderem in international tätigen Organisationen zu erkennen sind. Angesichts der Weltwirtschaftskrise wurde die Frage aufgeworfen, ob es zu anderen, positiven wirtschaftlichen Entwicklungen gekommen wäre, wenn mehr Frauen in Führungspositionen tätig wären. Um dies zu beantworten, wäre entsprechendes Datenmaterial zu untersuchen.

Vermittlung von ökonomischem Wissen
Der Begründer des Österreichischen Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseums, Otto Neurath, wählte einen sehr anschaulichen Weg bei der Aufbereitung wirtschaftlicher Themen. Günther Sandner (Universität Wien) brachte auf der Konferenz einen biografischen Abriss und gab einen bis dato weitgehend unbekannten Einblick in Filme, in denen die von Neurath in Zusammenarbeit mit Gerd Arntz entworfene „Bildsprache“ – ISOTYPE (International System of Typographic Picture Education) – verwendet wurde.

Thomas Dostal (Österreichisches Volkshochschularchiv) thematisierte in seinem Vortrag die bildungspolitischen Schwerpunktsetzungen zu Ende der 1920er und Anfang der 1930er Jahre. Das bundesstaatliche Volksbildungsamt wurde als Steuerungsinstanz gegründet und finanzierte die freie Volksbildung, aber auch das 1929 eingerichtete bundesstaatliche Volksbildungsheim Hubertendorf. In den Erwachsenenbildungseinrichtungen sah man sich in Folge der Weltwirtschaftskrise 1929 damit konfrontiert, für die neu entstandene Zielgruppe der Arbeitslosen, deren Zahl stark angestiegen war, ein adäquates Bildungsprogramm zu erstellen.

Ökonomische Anpassungserfordernisse
Die in den 1980er Jahren begonnene wirtschaftsliberale Wende mit der zunehmenden „Ökonomisierung“, auch von Bildung, brachte auch in den Volkshochschulen tiefgehende Einschnitte mit sich. Hannelore Bastian schilderte beispielhaft, als ehemalige Programmplanerin der Volkshochschule Hamburg, die Situation ihrer Bildungseinrichtung. 2004 wurde mittels eines radikalen Sparprogramms der Stadt Hamburg die spezifische, historisch gewachsene Identität – ja Existenz – der Volkshochschule vollkommen in Frage gestellt. Nach betriebswirtschaftlichen Erfordernissen sollte das Bildungsangebot verschlankt und nach dem Gesichtspunkt der Verwertbarkeit auf dem freien Markt erstellt werden. Nur durch Bezugnahme auf die erforderlichen betriebswirtschaftlichen Schritte konnte mittels konkret festgelegten Zielen und überprüfbaren Ergebnissen die Existenz der Volkshochschule gesichert werden.

Über die nationalen politischen Regulierungen hinaus, kommt der EU als Steuerungsinstanz eine bedeutende Rolle zu. In welcher Weise auf die Bildungspolitik Deutschlands Einfluss genommen wurde, beleuchtete Martin Dust vom Verband der Volkshochschulen des Saarlandes. Die ausschließliche Hoheit über die Bildungsagenden in Deutschland lag bisher bei den einzelnen Bundesländern. Mit der europäischen Integration kam die Regulierungsinstanz EU hinzu, die ihren Einfluss auf die nationalen Bildungssysteme auch geltend macht(e). Die Frage, die sich in diesem Kontext stellt, ist, ob „Bildung“ als weitere Grundfreiheit behandelt, EU-Reglementierungen unterzogen werden darf beziehungsweise soll.

Wilhelm Filla (ehemaliger Generalsekretär des VÖV) bezog sich in seinem Vortrag darauf, dass sich Einrichtungen der Erwachsenenbildung fast zwingend zertifizieren müssten. Nur auf Basis von Zertifizierungsnachweisen werden Subventionen von bundesstaatlicher Stelle beziehungsweise von EU-Seite an die Bildungsinstitutionen ausbezahlt. Die erforderlichen Zertifizierungen können aber weiters im Sinne einer qualitätsvollen Dienstleistung zu einem Professionalisierungsschub und zu einer Vergleichbarkeit von angebotenen Bildungsmaßnahmen beitragen.

Dieser und weitere Konferenzbeiträge werden in einem Dokumentationsband nachzulesen sein.
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