Erika Horn: Gerontologin der ersten Stunde

20.07.2011, Text: Solveig Haring, Redaktion: Katharina Lierzer, Online-Redaktion
Erika Horn, österreichische Pionierin zum Thema Alter/n und Bildung im Porträt.
Dr. Erika Horn ist mit 92 Jahren eine bedeutende Persönlichkeit der Alter(n)sbildung. Durch ihre wissenschaftliche Tätigkeit sowie ihre erwachsenenbildnerische Praxis hat Horn die Alter(n)sbildung in Österreich aufgebaut und geprägt. Solveig Haring, Gerontologin und Biografieforscherin, zeigt im Porträt über Horn deren persönliches Alterserleben - im Zusammenhang mit Bildung.

ErwachsenbildnerInnen müssen sich einfühlen
Ihr Interesse an der Erwachsenenbildung entdeckte Horn erst spät. So beginnt sie zunächst eine Lehrerinnenausbildung und absolviert anschließend ein Geschichtsstudium. Erst das Altern und auch der Tod ihrer Eltern sind ausschlaggebend für ihr Interesse an der Gerontologie: mit Mitte 50 erschafft Horn sich neu, als Alter(n)sforscherin, als Lehrerin, als Erwachsenenbildnerin. So hat sie u.a. am Bundesinstitut für Erwachsenenbildung (bifeb) in Strobl die geragogische Weiterbildung von ErwachsenenbildnerInnen wesentlich mitbestimmt und mitgetragen. Im Hinblick auf die Alter(n)sbildung betont sie, dass sich ErwachsenenbildnerInnen in das Altern einfühlen müssen. Sie rät dabei davon ab, von eigenen Bildern und Vorstellungen über das Alterns auszugehen: das besondere Körpergefühl könne nicht nachvollzogen, bestimmte Schwächen nicht gespürt werden. ErwachsenenbildnerInnen müssen sich mit dem eigenen Altern auseinandersetzen: einfühlen, zuhören, zuschauen und vorurteilsfrei aufnehmen sind aus diesem Grund ihre wichtigsten Werkzeuge, so Horn.

Das eigene Altern: üben, arbeiten, kämpfen
In den letzten zehn Jahren hat Horn Bekanntschaft mit ihrer persönlichen Hochaltrigkeit gemacht. Weder die körperlichen Veränderungen noch die infrastrukturellen Umständlichkeiten zeichnet sie dabei schön: "Um 85 begann ich zunehmend zu erfahren, was Morbidität im Alter bedeutet: also Mehrfacherkrankung. Bei mir war das mit Eingriffen mit langen Behandlungen, mit Krankenhausaufenthalten verbunden." Sie berichtet weiters von Stürzen: "Gleich vier in einem Jahr, dabei zwei schwere Operationen, lange Remobilisationen, dann endlich die Erkenntnis der Ärzte einer 100%igen Sturzneigung, die mir streng das Gehen mit vier Füssen oder/und einem Rollator, und alle Lebensveränderungsfolgen daraus vorschreibt." Die Herausforderungen, die der individuelle Abbau mit sich bringt, stehen in Horns Alterserleben im Vordergrund: wenn Fähigkeiten, die sie früher besessen hat, nachlassen. Für sie ist Hochaltrigkeit bis zu einem gewissen Grad ein Kampf und bedeutet Verluste, bewegt sich zwischen Gesundheit oder Krankheit. Obwohl der Alltag manchmal mühsam ist, hält sie es trotzdem für wichtig, bis zuletzt zu üben, zu arbeiten und zu kämpfen.

Intergenerationeller Austausch korrigiert Vorurteile
Heute kann Horn ihre professionellen Erfahrungen im Bereich der Alter(n)sbildung mit ihrem eigenen biografischen Erleben abgleichen. Vor allem den intergenerationellen Austausch empfindet sie dabei als Bereicherung: "An-teil-nehmen zu können, das Wort ist mir immer wichtiger geworden, es steht für Mitleben und Mitdenken mit jüngeren Menschen - und ihren Problemen - mit Hochachtung zu sehen, was sie zu bewältigen haben - das korrigiert eigene Vorurteile und vor allem lenkt es ab von den Schwierigkeiten". Aus ihrer eigenen Generation sind weitestgehend keine FreundInnen mehr da. Andere Frauen aus ihrer Generation, die es gewagt haben zu publizieren, kennt sie nicht - das schreibt sie der Frauensozialisation zu. Horn stellt selbst fest, wie selten es für eine Frau ihrer Generation ist, mit Leistungen wie wissenschaftlicher Publikations- und Vortragstätigkeit hochaltrig zu werden.

Leben und Wirkungsbereich
1918 in Klagenfurt geboren, verbringt Horn ihre Kindheit in Spittal an der Drau. In den 30er-Jahren siedelt die Familie in die Steiermark, wo Horn nach einer Lehrerinnenausbildung Geschichte an der Universität Graz studiert. 1964 publiziert sie unter dem Titel "Du sollst ein Segen sein" ihr erstes Buch über das Altern. Ab 1972 arbeitet sie im pädagogischen Bereich des Bildungshauses Mariatrost - 25 Jahre davon im Leitungsteam - und beschäftigt sich vor allem mit lebensbegleitender Bildung und Sozialpädagogik. Sie ist weiters in der steirischen Hospizbewegung tätig, lehrt ehrenamtlich in der Erwachsenenbildung und entwickelte ein Ausbildungskonzept für AltenhelferInnen. Horn lebt in Graz und ist nach wie vor als Alter(n)swissenschaftlerin und Praktikerin der Alter(n)sbildung aktiv. 

Magazin "Erwachsenenbildung als Faktor aktiven Alterns"
Mehr als ein Fünftel der österreichischen Bevölkerung ist über sechzig Jahre alt. Der Anteil der älteren Menschen wird in den nächsten Jahren noch ansteigen, vor allem jener der über 75-jährigen. Teilhabe an der gesellschaftlichen Entwicklung, Bewältigung von Veränderungen, Erhaltung der Eigenständigkeit und Weiterentwicklung der Persönlichkeit sind für die Realisierung von Lebensqualität von fortwährender Bedeutung. Dazu kann Erwachsenenbildung beitragen. Wo liegen die Möglichkeiten und Grenzen dieses Beitrages? Die kürzlich erschienene Ausgabe des Magazin erwachsenenbildung.at stellt Fragen nach einem angemessenen Alter(n)sbild, nach sozialen Einschränkungen und individuellen Ressourcen für das Lernen Älterer und nach einer geeigneten Lehr-Lernkultur. Theoretische Reflexionen und didaktische Konzepte werden durch eine Reihe praktischer Beispiele ergänzt.
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