12. Radiopreis: „Wer nichts weiß, muss alles glauben“

02.02.2010, Text: Daniela Savel, Österr. Volkshochschularchiv
Am 26. Jänner wurden die 12. Radiopreise der Erwachsenenbildung in Wien überreicht. Die Preisverleihung wurde auch genützt, um auf die prekäre Lage der Freien Radios in Österreich Bezug zu nehmen.
Qualitätsjournalismus vermittelt Orientierungswissen
Martin Bernhofer, Leiter der Hauptabteilung „Wissenschaft, Bildung, Gesellschaft“ im ORF Hörfunk, sprach über die Aufgabe des Qualitätsjournalismus für die Gesellschaft: „Vermittlung von Bildung als Orientierungswissen, kritisches Hinterfragen von Entwicklungen und das Liefern von Denkanstößen zeichnen den Qualitätsjournalismus aus.“ Alles andere würde „Fließbandproduktion“ bedeuten. Mit dem Radiopreis würde die große gesellschaftliche Bedeutung des Qualitätsjournalismus unterstrichen.

Bildung ermöglichen durch öffentlichen Bildungsauftrag
Der diesjährige Preisredner Peter Rosei spannte seinen gedanklichen Bogen von Guatemala nach Österreich. In Guatemala sei schon der Besuch der Elementarschule nicht selbstverständlich. Doch die Möglichkeit, sich zu bilden, sollte allen offen stehen. Auch in Österreich sollten bildungspolitische Reformen und der öffentliche Bildungsauftrag seitens des ORF, Bildung für alle ermöglichen beziehungsweise vertiefen.

Die PreisträgerInnen
Die eingereichten Sendungen wurden nach Inhalt und Gestaltung der Radiosendungen beurteilt. Sieben Radioproduktionen erhielten die Auszeichnung.

In der Sparte Kultur wurde der Preis an die Ö1-Radiokolleg-Reihe „Verbotene Musik: Mbira, Rai, Singen im Iran“ (Maria Reininger) verliehen. Die in Herrschaftssystemen – in Algerien, Simbabwe und im Iran – unterdrückten Menschen machen rebellische Musik, in der Alltagsfrust, sexuelle Erfahrungen und Arbeitslosigkeit in kurzen, aneinandergereihten Assoziationen verarbeitet werden.

In der Sparte Information erging der Preis an die Perspektiven-Sendung auf Radio Stephansdom „Hilfe aus der Verschuldung“ (Stefan Hauser). Die Botschaft der Sendung – „es gibt Hilfe“. Sowohl SchuldnerInnen als auch HelferInnen kommen zu Wort und lassen die RadiohörerInnen zum Beispiel erfahren, dass jeder Schuldner/ jede Schuldnerin durchschnittlich 45.000€ Schulden hat, die bei einem Nettoeinkommen von 700-1200€ nur schwer getilgt werden können.

In der Sparte Bildung/Wissenschaft (Eduard Ploier-Preis) erhielt die Ö1-Diagonal-Sendung „Slums – Wo die Armen Städte bauen“ (Peter Waldenberger) den Preis. Sind Slums ein Problem der sogenannten Megacities oder stellen sie vielmehr eine Lösung für das Wohnungsproblem dar? Wie organisieren Landflüchtlinge ihr Leben? Dass SlumbewohnerInnen für ihre Wohnfläche Miete zahlen müssen, ist eine Information, die unter anderen aufhorchen lässt.

Erstmals seit 2006 wurde wieder in der Sparte Experimentelles/Interaktives ein Preis verliehen. Er erging an das Kinderradio Squirrelkids on Air des Freien Rundfunks Salzburg an die „Let´s talk about science“-Sendung „40 Jahre Mondlandung“ (Eva Karl und Jürgen Lichtmanneger und die Schüler Marcus Dusch, Lorenz Hummer und Peter Penninger). Kinder machen Radio. Mit der Unterstützung von zwei Erwachsenen werden wissenschaftliche Themen allgemeinverständlich aufbereitet, mittels Experimenten ergründet und hinterfragt. So ist zum Beispiel zu erfahren, dass es beim Raketenstart eine Analogie in der Natur gibt.

In der Sparte Sendereihen/Themenschwerpunkte wurde „Hörbilder“ auf Ö1 (Eva Roither) ausgezeichnet. Mit Worten, Geräuschen und Tönen werden Bilder vor dem geistigen Auge erzeugt. Hör- und Sehsinn werden gleichzeitig aktiviert, beispielsweise beim Porträt der Stadt Istanbul, des Vereins zur Verwertung von Gedankenüberschüssen oder beim Thema Tierschutz. Weiters erhielt in dieser Sparte die Sendereihe „Zeit-Ton“ auf Ö1 (Ursula Strubinsky und Susanne Niedermayr) den Preis. Abseits des Musik-Mainstreams wird Zeitgenössische Musik den ZuhörerInnen auf dichte Weise nähergebracht. Porträts, Gespräche und Hörbeispiele werden eingebettet in das Thema Musikproduktion (Platten-Labels) und die Musikdarbietung auf Festivals und Symposien.

In der Sparte Kurzsendungen erhielt „Betrifft Geschichte“ auf Ö1 (Martin Adel und Robert Weichinger) die Auszeichnung. In der täglichen 5 Minuten-Sendung (thematisch wöchentlich wechselnd) wird vermittelt, wie facettenreich Geschichte ist. So wurde unter anderem die wissenschaftlich fundierte Sozialreportage „Die Arbeitslosen von Marienthal“ in 5 mal 5 Minuten zum Thema gemacht.

In der Dankesrede erinnerte der Geschäftsführer des Freien Radios Salzburg, Alf Altendorf, daran, dass sich die finanzielle Situation der Freien Radios in Österreich auch 2009 nicht gebessert hat. In Salzburg gibt es nach wie vor keine Subvention aus der Landesmedienförderung, eine Finanzierung über Projekte ist notwendig. Aus dem österreichischen Rundfunkfonds, der jährlich mit einer Million € ausgestattet ist, werden dreizehn Freie Radio- und ein Freier Fernsehsender subventioniert.

Hintergrund
Für den Radiopreis wurden 66 Sendungen von 10 Radiosendern eingereicht. Daraus wurden 16 Sendungen von 5 Sendern von der Jury, bestehend aus Vertretern von 4 Erwachsenenbildungsverbänden – ARGE Bildungshäuser Österreich, Büchereiverband Österreichs, Verband Österreichischer Volkshochschulen und WIFI Österreich – und JournalistInnen nominiert.
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