Erwachsenenbildung und Universitäten schaffen Wissen auf Augenhöhe
Fast ein Jahrhundert nach Einsteins Vortrag sind heute, im Zeitalter des lebenslangen Lernens, sowohl die Erwachsenenbildung als auch die Universitäten Räume des Weiterlernens. Sie bleiben dabei keineswegs für sich, sondern entwickeln gemeinsam Lehrgänge und Vortragsreihen oder forschen partizipativ an wissenschaftlichen Fragestellungen.
Trotz dieser gelingenden Kooperationen betrachten wir theoretisches Wissen immer noch als anderen Formen überlegen. Dabei brauchen Demokratie und Wirtschaft nicht nur das Wissen, sondern auch einen konstruktiven Umgang damit. Das Verhältnis zwischen Erwachsenenbildung und Universität bleibt also brisant. Die Ausgabe 27 des Magazin erwachsenenbildung.at (Meb) hat sich daher zur Aufgabe gemacht, dieses Verhältnis in seiner Komplexität zu beschreiben sowie Anforderungen gelingender Kooperationen aufzuzeigen.
Die AutorInnen tun dies anhand aktueller und langjährig etablierter Lehrgänge, Vortrags- und Veranstaltungsreihen und Forschungen. Die geschilderten Ansätze verbindet der Anspruch, historisch gewachsene Hierarchien zwischen Universität und Erwachsenenbildung aufheben zu wollen, das spannungsreiche Verhältnis dieser Bildungssektoren egalitär zu halten und damit eine Demokratisierung von Wissen und Wissenschaft voranzutreiben. Das Magazin steht ab sofort kostenlos zum Download bereit.
Wissenschaft in der Erwachsenenbildung hat eine lange Tradition
Erwachsenenbildung - damals Volksbildung - war vor mehr als 100 Jahren schon von einer hohen Wissenschaftsorientierung gekennzeichnet. Teilnehmende konnten aktiv das Programm mitgestalten und forschten gemeinsam mit ExpertInnen zu wissenschaftlichen Spezialfragen. Lehrende in der Volksbildung setzten sich intensiv mit der Frage auseinander, wie man Wissen vermittelt, und entwickelten ausgeprägte didaktische und methodische Fähigkeiten.
Im Gegensatz dazu war der Zugang zu akademischem Wissen über Jahrhunderte hinweg einer schmalen gesellschaftlichen Elite vorbehalten, wie Christian Stifter, Direktor des Österreichischen Volkshochschularchivs, in seinem Beitrag zum aktuellen Magazin erläutert. Neben der Wissensproduktion kam den Universitäten auch die Aufgabe zu, die gegenwärtigen Herrschaftsverhältnisse zu legitimieren und politische Gesinnungen zu kontrollieren. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts begann das traditionelle Hochschulwesen, sich langsam zu öffnen.
Auf erwachsenenbildnerischer Seite entstanden währenddessen - beeinflusst durch die Ideen der Aufklärung und der Französischen Revolution - Volks- und Arbeiterbildungsvereine sowie Volksbüchereien. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die ersten "Volkshochschulen" im heutigen Sinne gegründet. Die Erwachsenenbildung kann also auf eine langjährige Erfahrung mit verschiedensten Zielgruppen zurückgreifen. Die Universitäten können viel von ihr lernen, wenn es darum geht, sich einem breiteren Publikum zu öffnen.
Beispiele für populäre Wissenschaft
Aktuelle Modelle zeigen, wie Erwachsenenbildung und Universitäten in vielen Bereichen intensiv kooperieren und sich deren Angebotsformate einander annähern. Die Montagsakademie ist eine Vortragsreihe, die seit über zehn Jahren neueste wissenschaftliche Fragestellungen einem breiten Publikum zugänglich macht. Organisiert wird sie vom Zentrum für Weiterbildung der Karl-Franzens-Universität Graz. Zentrumsleiterin Andrea Waxenegger und Programmleiter Marcus Ludescher skizzieren in ihrem Beitrag zum Magazin außerdem noch die "MegaphonUni" für Frauen und Männer am Rande der Gesellschaft, und das Programm "Vita activa" für Menschen in der zweiten Lebenshälfte.
Im Projekt "University Meets Public" kooperieren vier Wiener Universitäten mit den Wiener Volkshochschulen und bringen der Öffentlichkeit aktuelles Wissen in Vorträgen und Workshops näher. Katharina Resch und Julia Fritz von der Universität Wien und Angelika Pointner von der VHS Wien beschreiben populäre Wissenschaft als Instrument, mit dem TeilnehmerInnen zur besseren Teilhabe an der Gesellschaft ermächtigt werden.
Gemeinsam Wissen schaffen durch partizipative Forschung
Nicht nur auf aktuelles Wissen zugreifen, sondern dieses aktiv mitgestalten, dafür steht der Ansatz der partizipativen Forschung. Wissenschaft hat den Anspruch, die Gesellschaft zu verändern, so formuliert es Bildungswissenschafterin Annette Sprung in ihrem Magazinbeitrag. Partizipative Forschung bringt WissenschafterInnen und AkteurInnen im Praxisfeld der Erwachsenenbildung miteinander in Verbindung und hebt Hierarchien zwischen Forschenden und Beforschten auf. In Tirol zum Beispiel erforschten AkteurInnen der Erwachsenenbildung gemeinsam mit BildungswissenschafterInnen den Status Quo der Tiroler Erwachsenenbildung.
Damit partizipative Forschung erfolgreich sein kann, muss das Fachpublikum die Erkenntnisse, die von LaienforscherInnen generiert wurden, auch anerkennen. Für WissenschafterInnen, die zunehmend unter dem Druck stehen, ihre Forschung in bestimmten Publikationsorganen zu veröffentlichen, ist dies nicht immer leicht. Wenn es gelingt, Praxiswissen und Erfahrungswissen mithilfe einer guten Kooperationskultur und genügend Zeit im partizipativen Prozess zugänglich zu machen, können akademische und nicht-akademische TeilnehmerInnen gleichermaßen profitieren.
Fachmedium und aktuelle Online-Information
Magazin erwachsenenbildung.at (Meb) ist das Fachmedium für Forschung, Praxis und Diskurs der österreichischen Erwachsenenbildung. Es wird vom Bundesministerium für Bildung und Frauen (BMBF) gemeinsam mit dem Bundesinstitut für Erwachsenenbildung (bifeb) und dem Verein CONEDU dreimal jährlich herausgegeben. Alle eingereichten Artikel durchlaufen ein Review von ExpertInnen. Das aktuelle Magazin erscheint parallel zur kostenlosen Online-Ausgabe auf www.erwachsenenbildung.at/magazin auch im BoD-Verlag und ist so als Druckausgabe zum Selbstkostenpreis von EUR 11,10 oder als E-Book für weniger als 1 Euro erhältlich.
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