Arbeitsweltbasiertes Lernen und Basisbildung: Ansätze aus Österreich

18.01.2016, Text: Birgit Aschemann, Redaktion/CONEDU
In der Wissensgesellschaft sind viele Arbeitsplätze DIE Orte des Lernens schlechthin - informell, non-formal und sogar formal. Dieses Potenzial wird nun auch für die Basisbildung erschlossen.
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Lernort Arbeitsplatz
Foto: CC by cogdogblog (flickr.com)
Lernen am Arbeitsplatz wird das Schwepunktthema der neuen Arbeitsgruppe zur Erwachsenenbildung im Rahmen der europäischen ET2020 Strategie, die im Februar 2016 ihre Arbeit in Brüssel aufnehmen wird. Wo stehen wir bei diesem Thema in Österreich?

 

Ein breites Konzept
Das Konzept des arbeitsweltbasierten Lernens umfasst alle Formen des handlungsbasierten oder reflektierenden Lernens im Kontext von beruflicher Beschäftigung oder Ausbildung. Dazu gehört also nicht nur das Lernen in Betrieben, sondern auch das Lernen in der Berufsausbildung (Praktika, Lehre) oder das Lernen arbeitsloser Personen mit Blick auf den Job. Von diesen Angeboten sollen Lernende und Betriebe gleichermaßen profitieren.

Arbeitsweltbasiertes Lernen in Österreich
Die nationalen Programme hierfür sind sehr unterschiedlich. In den meisten Ländern findet arbeitsweltbasiertes Lernen direkt am Arbeitsplatz statt und ist eng an den Bedarfen und Interessen der Arbeitgeber orientiert, manchmal auch von diesen finanziert oder während der Arbeitszeit abgehalten.

In einigen Ländern wie Österreich hat arbeitsweltbasiertes Lernen eine lange Tradition im Rahmen der dualen Berufsausbildung (Lehre). Auch im Rahmen der Fachhochschulen nimmt in Österreich die arbeitsweltbasierte Bildung zu. Außerdem gibt es in Österreich gegenwärtig rund 950 Übungsfirmen, die für unterschiedliche Ausbildungen auf ISCED Level 3 und ISCED Level 5 verpflichtend zu besuchen sind. Laut Statistik Austria (2012) rangiert Österreich traditionell unter den europäischen Ländern mit den weiterbildungsaktivsten Unternehmen, und laut der Studie "Weiterbildung 2015" bleiben die Weiterbildungsbudgets auch weiter konstant.

Die Zuständigkeiten für arbeitsweltbasiertes Lernen sind in Österreich über mehrere Ministerien verteilt. Das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft unterstützt die betriebliche Weiterbildung. Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz unterstützt über das Arbeitsmarktservice die Bildungsangebote für arbeitslose Personen - unter anderem mit Fördermodellen wie Teilzeitkarenz oder Qualifizierungsförderungen. Und das Bundesministerium für Bildung und Frauen unterstützt die berufsbildenden Schulen (duale Ausbildungen) und die arbeitsweltbasierte Erwachsenenbildung in Form diverser Projekte.

Der Arbeitplatz als Lernort für Basisbildung
Weniger als 1% der Personen mit geringen Grundkompetenzen nehmen an Kursen zu Lesen, Schreiben, Alltagsmathematik oder IKT teil. Einem Kursbesuch stehen oft finanzielle, berufliche, soziale und zeitliche Barrieren entgegen, und auch der Bedarf wird oft nicht gesehen. Bekannt ist aber auch, dass ein großer Prozentsatz der gering Qualifizierten berufstätig ist. Erreicht man sie mit Lernangeboten am Arbeitsplatz, entfallen viele dieser Barrieren, und der erste wesentliche Schritt  - gleichsam die Einstiegshürde - wird den Lernenden abgenommen. Insofern kann der Arbeitsplatz gerade für die Basisbildung ein idealer Lernort sein.

Inhaltlich umfasst Basisbildung auch am Arbeitsplatz gesprochene und geschriebene Sprache, Rechnen und Problemlösungsstrategien. Diese Fähigkeiten müssen in der Arbeit kontextualisiert eingesetzt werden, und zwar oft in Kombination. Zum Beispiel müssen Lesen, Schreiben und Rechnen kombiniert werden, wenn man einem Teamleiter zuhört, der Änderungen in einer Bestellung kommuniziert. Aber auch, wenn man eine Anleitung liest, die Text und Zahlen enthält. Oder wenn es darum geht, Gewichts- Zahlen- oder Temperaturangaben zu verarbeiten die eine Kollegin mitteilt.
Daher ist es für arbeitsbezogene Lernangebote besonders wichtig, Fähigkeiten integriert zu vermitteln und mit realen - authentischen - Materialien und Aufgaben zu lernen. Sorgfalt und Zeit sind hierfür nötig, wenngleich andere Prioritäten am Arbeitsplatz das formalisierte Lernen bedrohen. Dass die Betriebe dafür Arbeitszeit zur Verfügung stellen, hat sich als Erfolgsfaktor erwiesen.

Praxis-Pilotprojekte zur arbeitsweltbasierten Basisbildung in Österreich
In Österreich gibt es in diesem Bereich eine Reihe von Praxisprojekten, oft in Form von Pilotierungen. Derartige Projekte sind oft keine umfassenden, allgemeinbildenden Angebote. Gleichwohl findet hier Lernen statt, das den arbeitsplatzbezogenen Bedürfnissen der Lernenden sehr entgegenkommt.

  • Von abz*Austria wurde bis 2014 mit dem Projekt KeCK ein kostenloses und maßgeschneidertes  Qualifizierungsprogramm für Unternehmen und bildungsbenachteiligte berufstätige Frauen angeboten.
  • Die Spar Akademie arbeitete mit der VHS Wien Meidling zusammen, um Lehrlinge mit Deutschproblemen auf Pflichtschulniveau zu heben.
  • Gewerkschaftliche BildungslotsInnen nehmen eine Brückenfunktion zwischen den BetriebsrätInnen und der Bildungslandschaft ein und versuchen, besonders Lernende mit Basisbildungsbedarf zu erreichen.
  • Arbeitsplatzbezogene Basisbildung wird auch für Transitarbeitskräfte in Gemeinnützigen Beschäftigungsprojekten angeboten, so etwa vom BHW Niederösterreich seit über 7 Jahren.
  • Eine spezifische Ausbildung für ErwachsenenbildnerInnen in der arbeitsweltbasierten Basisbildung wird derzeit vom bfi Oberösterreich entwickelt und bald auch durchgeführt.


Transnationale Kooperationen sind richtungsweisend
Basisbildung am Arbeitsplatz braucht wegen ihrer Besonderheiten auch Orientierungshilfen wie Kompetenzrahmen, Umsetzungshandbücher oder Good-Practice-Sammlungen, um die nationale Implementierung zu erleichtern. Mehrere solcher Tools sind in den letzten Jahren in transnationalen Kooperationen entstanden und wurden 2015 abgeschlossen:

  • Im Projekt lit.voc (literacy and vocation - Basisbildung und Beruf) hat das bfi Oberösterreich gemeinsam mit der Zukunftsbau GmbH Berlin und vier anderen Partnern Kompetenzlevels zur beruflich orientierten Lese- und Schreibfähigkeit von Erwachsenen definiert. Die ProjektpartnerInnen entwickelten auch ein Instrument zur Leistungsevaluierung (E-Assessment), mit dem die Schreib-Lese/rechnerische/Medienfähigkeit in beruflichen Ausbildungsprogrammen geprüft werden kann.
  • Mit dem Transferprojekt Literacy@work (Basisbildung am Arbeitsplatz) wurden praxiserprobte Richtlinien für die arbeitsplatzbezogene Basisbildung aus Neuseeland nach Europa transferiert -konkret nach Frankreich, Deutschland und Österreich.
  • Im Projekt "A&O - Arbeitsplatzorientierte Grundbildung für Geringqualifizierte" entwickelte das Interkulturelle Zentrum (IZ) in Wien mit PartnerInnen aus Luxemburg, Schweiz und Deutschland unter anderem ein Handbuch für die Umsetzung in Betrieben und einen Projektfilm mit Good Practice Beispielen.
Weitere Informationen:

 

Quelle: EPALE E-Plattform für Erwachsenenbildung in Europa

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