Berufsakademie für mehr Durchlässigkeit im Bildungssystem
Berufsakademie: von der Lehre zum tertiären Abschluss
Die Zahl an Lehrlingen geht laut Wirtschaftskammer Österreich zurück. Einen Grund dafür sieht Michael Landertshammer, Institutsleiter des WIFI Österreich, in der mangelnden Durchlässigkeit der Lehre zu universitärer Bildung. Jugendlichen sollten nach dem Lehrabschluss alle Wege offen stehen - "auch und vor allem in den tertiären Bildungssektor", so Landertshammer in einer Pressekonferenz.
Um hier Durchlässigkeit zu schaffen, gründeten die Wirtschaftskammer Österreich und die Wirtschaftsförderungsinstitute in Kooperation mit der Fachhochschule der Wirtschaftskammer Wien 2014 die "Berufsakademien". Sie sind praxisbezogene und berufsbegleitende Weiterbildungsangebote, die es Menschen mit Lehrabschluss und Berufserfahrung - ohne Matura - ermöglichen, sich in maximal zwei Jahren zum Master of Science zu qualifizieren.
Zielgruppe gut erreicht
"Die Evaluierung ergab, dass die Berufsakademien ihre Zielgruppe gut erreichen", so Kurt Schmid gegenüber der Redaktion. Das zeigten Altersschnitt und berufliche Erfahrung der Befragten. "Denn die Berufsakademien waren ja nicht für BerufseinsteigerInnen gedacht, sondern für Menschen mit Lehrabschluss oder Fachschulabschluss und Berufserfahrung".
Hohe allgemeine Zufriedenheit mit den Lehrgängen der Berufsakademie
Allgemein seien die Studierenden sehr zufrieden mit den Lehrgängen der Berufsakademie, so die AutorInnen des Evaluationsberichts. Fast drei Viertel aller Befragten gaben an, dass sie sich wieder für die Berufsakademie entscheiden würden und über zwei Drittel würden sie auch weiterempfehlen. Die Mehrheit der befragten Studierenden habe derzeit vor, nach den beiden ersten Semestern den weiterführenden Master-Studiengang zu belegen.
TeilnehmerInnen erwarten sich neue berufliche Perspektiven
Die ibw-ForscherInnen fragten auch nach den persönlichen Zielen, die sich die TeilnehmerInnen der Lehrgänge der Berufsakademie gesetzt haben. Für fast drei Viertel der Befragten ist die Eröffnung neuer beruflicher Perspektiven demnach das wichtigste Ziel des Besuchs der Berufsakademie. Darauf folgen die Verbesserung der beruflichen Leistungsfähigkeit sowie eine bessere berufliche Position. Der Fokus liege dabei vor allem auf einer Verbesserung der Position innerhalb des derzeitigen Unternehmens, so Gruber, Schmid und Nowak in der Zusammenfassung des Evaluationsberichts.
Auch der Erlangung eines akademischen Abschlusses für die berufliche Tätigkeit maßen über die Hälfte der Befragten eine relevante Rolle bei. Für einen eher kleinen Teil der Studierenden (12%) sei auch die Vorbereitung auf die Selbstständigkeit ein wichtiges Ziel.
Auf die Frage, warum sich die Studierenden für die Berufsakademie entschieden haben, wurden in erster Linie folgende Kriterien genannt: die Option, nach den ersten zwei Lehrgangssemestern in weiteren zwei Semestern den Master anzuhängen, die Form des berufsbegleitenden Studiums und die überschaubare Gesamtdauer der Ausbildung. Darüber hinaus wurden auch die Verknüpfung einer wissenschaftlich fundierten Berufsbildung mit der Berufspraxis, die Orientierung an den Bedürfnissen der Branche, die zeitliche Unterrichtsgestaltung und die gute Erreichbarkeit als wichtige Kriterien genannt.
Erwartungen bislang großteils erfüllt
Für die Mehrheit der Studierenden haben sich die Erwartungen an die Berufsakademie sehr gut bis gut erfüllt, so die EvaluatorInnen. Besonders im Hinblick auf die fachliche Qualität und Aktualität der Studieninhalte, die eigene persönliche Entwicklung sowie die Vernetzung mit KollegInnen. Auch die Zusammensetzung der Lehrgänge mit unterschiedlichen Zielgruppen werde von den Befragten durchaus positiv wahrgenommen. 70% sehen die Unterschiede im persönlichen und beruflichen Hintergrund als interessant und lehrreich.
Verbesserungsoptionen im didaktischen Bereich
"Im Wesentlichen waren die Befragten sehr zufrieden mit dem Angebot", so Schmid. "Es gab nur einzelne Anregungen, keine grundlegende Kritik". So äußerten die Studierenden etwa den Vorschlag, die fachlichen Vertiefungsmöglichkeiten durch mehr Flexibilität im Lehrplan noch stärker im Unterricht zu verankern. Auch die Schaffung bzw. Ausweitung von Gruppenlernangeboten oder Lernplattformen wurde von einem Drittel der Befragten angeregt. Die Option des Blended Learning oder kleine Klassengrößen fanden deutlich weniger Zustimmung.
Berufsakademie als Beispiel gelungener Kooperation zwischen Hochschule und Erwachsenenbildung
Kurt Schmid betont den Mehrwert der Kooperation zwischen WIFI und Fachhochschule. "Diese Zielgruppe ist sehr weiterbildungsaktiv, die akademische Welt als soziale Lernumgebung ist für sie aber weit entfernt", so Schmid. Da könne das WIFI besser "andocken" als die klassische hochschulische Weiterbildung.
Um Kooperationen zwischen Hochschule und Erwachsenenbildung, wie sie im Rahmen der Berufsakademie stattfinden, geht es auch in der nächsten Ausgabe des Magazin erwachsenenbildung.at. Sie setzt sich mit dem vielfältigen Verhältnis zwischen Universität und Erwachsenenbildung auseinander - aus verschiedenen Perspektiven und illustriert durch unterschiedliche Beispiele. Die Ausgabe erscheint Ende Februar 2016.
- Berufsakademie
- Gruber/Schmid/Nowak: Evaluierung der Berufsakademie 2015
- Presseaussendng: Ein Jahr Berufsakademie: Best-practice-Beispiel für hochschulische Weiterbildung
Presseinformation der WKO vom 09.12.2015 - Magazin erwachsenenbildung.at
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