Was im Integrationsplan über Erwachsenenlernen steht

20.11.2015, Text: Wilfried Hackl (seit 2016: Wilfried Frei), Redaktion/CONEDU
Der 50 Punkte Integrationsplan, den ein ExpertInnenrat für das BMEIA erarbeitet hat, beinhaltet eine Reihe von Vorschlägen mit denkbaren Konsequenzen für die Erwachsenenbildung.
H. Faßmann, S. Kurz bei Pressekonferenz
Faßmann und BM Kurz bei der Pressekonferenz
Foto: Dragan Tatic/BMEIA
"Gab es 2013 rund 17.500 Asylanträge, so wuchs diese Zahl im Jahr 2014 bereits auf rund 28.000 Anträge an. Für das Jahr 2015 rechnet das Bundesministerium für Inneres (BM.I) mit ca. 95.000 Anträgen und – sollte sich der Trend weiter fortsetzen – werden für 2016 zwischen 100.000-130.000 Anträge prognostiziert." Mit dieser Faktenlage beginnt ein Papier, dass von Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz und ExpertInnen gestern in Wien präsentiert wurde.

 

Erarbeitet hat die 50 Vorschläge  zur Integration von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten in Österreich ein ExpertInnenrat unter Vorsitz von Heinz Faßmann, Professor für Angewandte Geographie, Raumforschung und Raumordnung an der Universität Wien.

 

Reihe von Vorschlägen betrifft Maßnahmen des Erwachsenenlernens

 

Die Liste der 50 Vorschläge gliedert sich in acht Handlungsfelder, denen Maßnahmen zugeordnet sind. Bei Durchsicht des 22 Seiten umfassenden Integrationsplans offenbart sich eine Fülle von Vorschlägen, mit denen Erwachsenenlernen direkt, aber auch mittelbar angesprochen ist.

 

Zwar rechnen die ExpertInnen nur die Maßnahmen 8 (Sprachförderung) und 9 (Förderung des Hochschulzugangs) der Erwachsenenbildung zu, doch reichen zahlreiche weitere eindeutig in den Kompetenzbereich von Erwachsenenbildung im Kontext des lebenslangen Lernens hinein - etwa, wenn man an Guidance und Kompetenzbilanzierung denkt, oder an berufsbildende Angebote von EB-Institutionen für junge Erwachsene. 

 

Zumindest 12 der 50 Maßnahmen stehen mit dem Lernen Erwachsener in Verbindung und dürften daher für eine Resonanz in der Erwachsenenbildungsszene sorgen. Ob alle davon Bildung meinen, soll und kann an dieser Stelle nicht näher erörtert werden. Hier eine kurze Übersicht ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

 

  • Punkt 2. Verstärkte Koppelung von verpflichtendem Kindergartenjahr und Sprachkursen für Mütter
  • Punkt 4. Umfassenderer Kompetenzerwerb für nicht mehr schulpflichtige Flüchtlinge
  • Punkt 8. Strukturierte Sprachförderung im Erwachsenenbereich 
  • Punkt 9. Förderung des Hochschulzugangs
  • Punkt 10. Gezielte Unterstützung der Freiwilligen im Bereich der Sprachförderung
  • Punkt 11. Flächendeckende Erhebung der vorhandenen Qualifikationen
  • Punkt 13. Berufsorientierung für junge Flüchtlinge
  • Punkt 14. Ausbau von berufsspezifischen Sprachkursen
  • Punkt 15. Ausbau der Unterstützung von Unternehmen, die den Deutscherwerb der MitarbeiterInnen fördern
  • Punkt 19. Orientierungs- und Wertekurse
  • Punkt 20. Sprachbildung als Wertebildung
  • Punkt 32. Informationen über Religionen in Österreich

 

Andere Vorschläge aus den Bereichen Sprache und Bildung, Arbeit und Beruf, Rechtsstaat und Werte oder auch dem Bereich Sport und Freizeit betreffen die Einrichtungen der Erwachsenenbildung dort oder da vermutlich auf mittelbare Weise oder sind Gegenstand von Community Education und Aktivitäten des Lebenslangen Lernens, in denen Erwachsenenbildung auch eine Rolle spielt.

 

Was wird die Erwachsenenbildung dazu sagen?

 

Die ersten politischen Reaktionen auf den Integrationsplan reichen von dankbarer Kenntnisnahme und Unterstützung bis hin zum Vorwurf, die präsentierten Maßnahmen seien schwarze Pädagogik und populistische Schikane. Abzuwarten bleibt, wie die Institutionen der Erwachsenenbildung - und nicht nur diese -  auf die vorgeschlagenen Maßnahmen reagieren.

 

Einige Vorschläge tragen reichlich Diskussionspotenzial in sich und werden die erwachsenenbildnerische Community in ihrem Selbstverständnis herausfordern - zum Beispiel wenn Schulungsteilnahmen durch Sanktionsdrohungen erzwungen werden sollen. Für andere wiederum hat der eine oder andere Anbieter die Lösungen vermutlich schon in der Schublade.

 

Eine Diskussion zum alten Thema einer Erwachsenenbildung zwischen Empowerment und gesellschaftlicher Reparaturwerkstatt scheint jedenfalls vorprogrammiert. Wieviel Energie man darauf verwendet, wird letztlich auch damit zusammenhängen, wieviel aus dem mit 75 Millionen Euro dotierten Sondertopf für Integrationsmaßnahmen für die Umsetzung solcher durch Einrichtungen der Erwachsenenbildung zur Verfügung stehen wird.

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