Was hat das gute Leben mit Erwachsenenbildung zu tun?

31.10.2015, Text: Michaela Habetseder, Salzburger Bildungswerk/Ring ÖBW
Diese Frage wurde im Rahmen der diesjährigen Tagung des Rings Österreichischer Bildungswerke diskutiert.
Foto: (C) Ring/Robert Krigovsky
TagungsteilnehmerInnen am Diskutieren und Arbeiten
Was ist ein gutes Leben, und wie kann Erwachsenenbildung zur Lebensqualität in den Gemeinden beitragen? Diese (und weitere) Fragen standen im Mittelpunkt der diesjährigen Tagung des Rings Österreichischer Bildungswerke, die im Rahmen der Feier des 60-jährigen Bestehens dieser Institution der österreichischen Erwachsenenbildung in Wien stattgefunden hat. Ehren- und hauptamtliche MitarbeiterInnen aller Ring-Einrichtungen aus ganz Österreich machten sich einen Tag lang unter dem Motto "Lebendige Bildung ist Lebensqualität" Gedanken über die künftigen Herausforderungen, aber auch über die Stärken der Erwachsenenbildung.

 

Die Frage nach dem guten Leben
Was ist Lebensqualität und wie wird sie gemessen? Antworten darauf lieferte der Politologe Markus Pausch vom Zentrum für Zukunftsstudien der FH Salzburg. "Unterschiedliche Kulturen und Epochen finden hier unterschiedliche Ansätze": Markus Pausch machte gleich zu Beginn seiner Ausführungen deutlich, dass es die Antwort schlechthin hier nicht geben kann. Gleichzeitig ist die Frage nach dem guten Leben aber eine Konstante in der Menschheitsgeschichte. Ist Lebensqualität Glück? Zufriedenheit? Abwesenheit von Leid? Gerade im Alltag werde Lebensqualität meist mit Glück gleichgesetzt, weiß Markus Pausch, die Wissenschaft sehe das naturgemäß differenzierter. "Lebensqualität braucht in jedem Fall Einkommen zum Auskommen", ist Pausch überzeugt, "Einkommen im Übermaß macht aber nicht übermäßig glücklich". 

Ein Blick in die Geschichte
Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass das Thema lange Zeit von Philosophie und Theologie besetzt war, spätestens ab dem 20. Jahrhundert interessieren sich auch andere Disziplinen dafür. Nach dem 2. Weltkrieg, vor allem seit den 1960er Jahren, etablierte sich eine (inter-)disziplinäre Lebensqualitätsforschung, die Aspekte aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen einbezieht und viel mit Umfragen und Analysen arbeitet. Die wenig überraschende Schlussfolgerung: Lebensqualität ist die Kombination aus subjektivem Wohlbefinden und objektiven Faktoren.

Lebensqualität ist nicht mess-, aber erforschbar
"Lebensqualität kann man nicht im strengen Sinne messen, aber man kann sie erforschen". Dies ist eine der Grundannahmen, von denen sich Markus Pausch in seiner Forschungsarbeit leiten lässt. Repräsentative, bereichsspezifische, qualitative Umfragen, Tagebücher, Messungen von Hormonen und Hirnarealen: Das sind nur einige der möglichen Methoden, um zu Antworten auf die Frage nach der Lebenszufriedenheit zu kommen. Großes Interesse wird - gerade von Seiten der Politik - dem Better-Life-Index der OECD entgegengebracht, der die Lebensqualität in verschiedenen Ländern vergleicht. Zufrieden sind hier die Österreicherinnen und Österreicher beispielsweise in den Bereichen Arbeit (Rang 6 unter 36 Ländern), Einkommen, Zusammenhalt in der Gesellschaft und Sicherheit (jeweils Rang 9), weniger zufrieden sind sie in den Bereichen Gesundheit (Rang 19), Bildung (Rang 23) und Work-Life-Balance (Rang 25).

Vergleich beeinflusst die Lebensqualität
"Der Vergleich beeinflusst die Lebensqualität ganz wesentlich", zeigte sich Markus Pausch am Ende seiner Ausführungen überzeugt, die man folgendermaßen auf den Punkt bringen kann: Die Lebensqualität ist in wohlhabenden Staaten mit starken Sozialsystem und geringer Ungleichheit am höchsten. Der Kapitalismus macht die Menschen nicht automatisch glücklicher, die besten Ergebnisse bringt die Soziale Marktwirtschaft hervor. Chancengleichheit macht glücklicher als Ungleichheit. Menschen in Demokratien sind glücklicher. Und in der Regel erhöht Bildung die Chancen auf ein gutes Leben.

Ergebnisse der BeLL-Studie präsentiert
Bildung erhöht die Chancen auf ein gutes Leben: Diese bildungsrelevante These wurde bei der Ring-Tagung auch im Rahmen der Präsentation der BeLL-Studie bestätigt. Durchgeführt in 10 europäischen Ländern und koordiniert vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung, stand dabei die Annahme im Mittelpunkt, dass Bildung und Erziehung einen positiven Nutzen haben und wesentlich zum individuellen und gesellschaftlichen Wohlergehen beitragen.

 

Nach dreijähriger Forschungstätigkeit kann man - kurz zusammengefasst - Folgendes feststellen: Lernende, die Angebote der Erwachsenenbildung nutzen, nehmen an sich eine Reihe von positiven Auswirkungen (Benefits) wahr, die auch Aspekte von "Lebensqualität" abdecken. Professionell ausgestaltete Rahmenbedingungen fördern die Entwicklung dieser Benefits. Aber: Die Teilnahme an Angeboten der Erwachsenenbildung ist kein "Selbstläufer", d.h., der Wirkmechanismus scheint davon abhängig zu sein, wie sich Lernende das Angebot aneignen.


Als zentrale Aspekte für die Entwicklung der Benefits gelten die soziale Interaktion und die sozialen Beziehungen von Lernenden, fachlich versierte und professionelle Lehrende, ein repressionsfreies Lernklima, die Anwendung erwachsenengerechter Methoden sowie die Freiwilligkeit der Teilnahme.

Was heißt das für die Erwachsenenbildung?
Und was heißt das jetzt alles für die Erwachsenenbildung in den österreichischen Gemeinden? Im Rahmen einer Podiumsdiskussion mit ehrenamtlichen Expertinnen und Experten aus ausgewählten Gemeinden und im Rahmen mehrerer Workshops wurde bei der Ring-Tagung engagiert fachgesimpelt.


Drei Aussagen bei der Podiumsdiskussion sind der Verfasserin besonders in Erinnerung geblieben: 1) Die Angebote sollen die TeilnehmerInnen persönlich stärken, damit sie für die Gemeinschaft stark sein können. 2) Angebote der Erwachsenenbildung sollen nicht nur ein Gewinn für die individuelle Lebensqualität darstellen, sondern auch einen Beitrag zum gesellschaftlichen Wohlergehen leisten. 3) Wenn BesucherInnen von Angeboten der Erwachsenenbildung nach der Veranstaltung den 4 "G"s - gescheiter, glücklicher, gesünder und gemeinschaftsfähiger - gerecht werden, dann hat das Angebot einen Sinn gehabt.

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