Demokratie, Bildung und Emanzipation

02.10.2015, Text: Bianca Friesenbichler, Redaktion/CONEDU
Wie eng die drei Begriffe miteinander verbunden sind, und wo kritisch-emanzipatorische Bildungsarbeit ansetzen kann, hat die KEBÖ-Jahrestagung am 21. September gezeigt,
Frauenrechtlerin Birge Krondorfer im Hauptvortrag
Foto: (C) VÖV/Zwielehner
"Um Ungleichheiten abzubauen, darf die Erwachsenenbildung nicht dem Markt überlassen werden. Es braucht eine Erhöhung der Fördermittel im Rahmen der Leistungsvereinbarungen mit dem Ministerium." Mit dieser Forderung eröffnete Gerhard Bisovsky, Generalsekretär des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen und derzeit Vorsitzender der Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs (KEBÖ) deren Jahrestagung 2015. Darüber hinaus verlangte er u.a. einen einheitlichen Rahmen für die Studienberechtigungsprüfung (derzeit in der Autonomie der einzelnen Universitäten) und das Pouvoir für Einrichtungen der Erwachsenenbildung, staatlich anerkannte Zertifikate zum Zweiten Bildungsweg zu vergeben.


Bildungs- und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek bestätigte in ihren Begrüßungsworten die Bedeutung der Forderungen von Bisovsky und versprach, die Erwachsenenbildung in Budgetverhandlungen weiterhin einzubringen.

 

Demokratie oder nur Schein?

Die Feministin und Gender-Forscherin Birge Krondorfer begann ihren Vortrag an einem historischen Punkt mit großer Symbolkraft: "Die moderne Demokratie beginnt mit der Köpfung einer Frau", so Krondorfer. In der "Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin" (1791) forderte die französische Frauenrechtlerin und Revolutionärin Olympe de Gouges die Anerkennung privater und politischer Bürgerinnenrechte in einer Verfassung, die von Männern gemacht wurde und Frauen systematisch ausschloss.


Der Ausschluss von Frauen habe sich in der Geschichte wiederholt und sei auch heute noch - wenn auch nicht mehr so systematisch - gegeben, so Krondorfer. Sie nannte in diesem Zusammenhang das späte Wahlrecht für Frauen oder den Ausschluss von Frauen aus wichtigen Ämtern. "Frauen haben die Funktion der Zubringerschaft innerhalb von Normen, die sie nicht selbst geschaffen haben", so Krondorfer. Scheinadaption und Scheingleichheit seien die Folge. Das Mitgemeint-Sein sei nicht ausreichend. So kam Krondorfer zu dem Schluss: "Eine Demokratie, die Geschlechterdifferenzen nicht wahr nimmt, ist keine Demokratie, sondern eine Androkratie". Unter "Androkratie" (häufiger als "Patriarchat" bezeichnet) versteht man eine Herrschaftsform, in der vorwiegend Männer die Herrschaft ausüben und Frauen in politischen Strukturen unterrepräsentiert sind.

 

"Demokratie braucht Bildung"

Laut Krondorfer bedürfen Demokratie und Bildung einander. "Demokratie braucht eine Bildung, die nicht neutral ist, die Konflikte provoziert, die nicht nivelliert, die nicht Konsens sucht, sondern Widerreden, Widersprechen und Widerhandeln übt", so Krondorfer. Bildung müsse ihren aufrufenden Charakter wieder finden und auf Ungleichheiten hinweisen. Und dazu bedürfe es nicht nur eines emanzipatorischen Angebots. Vielmehr sei auch eine kritische Selbstreflexion der Organisationen bzw. Bildungseinrichtungen vonnöten, so Kronderfer. Ganz im Sinne der von ihr genannten Trias "Erinnern, Erkennen und Ersinnen".

 

Demokratiepolitische Bildung: mehr als Spezialangebote

Wie kann emanzipatorische, demokratiepolitische Bildungsarbeit aussehen? Demokratiepolitische Bildung bzw. Erwachsenenbildung sollte Krondorfer zufolge nicht nur im Rahmen einzelner Angebote der politischen Bildung, sondern in jeder Weiterbildung enthalten sein. Beispielsweise könne in einem Computer-Kurs thematisiert und diskutiert werden, dass der Großteil der Hardware in Fabriken in Asien hergestellt werden, wo sehr fragwürdige Arbeitsbedingungen vorherrschen. Damit schloss sie den Kreis zu Bisovskys Eröffnungsworten, in denen er den Soziologen Oskar Negt zitierte: "Demokratie muss täglich gelernt werden."

 

Call for Papers: Demokratie Lernen

Demokratie, Emanzipation und Bildung sind auch Gegenstand einer der kommenden Ausgaben des Magazin erwachsenenbildung.at. Das Magazin macht sich darin auf die Suche nach Räumen für ein alltägliches Lernen im Gespräch, in der Diskussion und im Tun, die Beteiligung ermöglichen. Wieviel Demokratie braucht die Gesellschaft, und welches "Demokratie Lernen" ist dazu erforderlich? Noch bis 2. Februar 2016 können Artikel zu diesem Themenkreis eingereicht werden.

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