Policy coherence: Hand in Hand arbeiten für mehr Wirkung
Die Erwachsenenbildung lebt und entwickelt sich, aber nicht unbedingt hin zur Übersichtlichkeit. Das Feld ist hochgradig segmentiert, zersplittert, teilweise verwoben. Erwachsene lernen an immer mehr Orten und in immer unterschiedlicheren Formen.
Zugleich zeigen aktuelle Studien wie PIAAC oder BeLL immer deutlicher, wie weit die Benefits der Erwachsenenbildung über Lernergebnisse hinausreichen und Politikfelder wie sozialen Zusammenhalt, Arbeitsmarkt oder Gesundheit betreffen. "Lebensbegleitendes Lernen erfordert ein Zusammenwirken verschiedener Politikfelder, wie Wissenschaft, Arbeitsmarkt und Sozialpolitik", ließ die österreichische Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek kürzlich in einer Aussendung verlauten.
Fehlende Absprachen mit fatalen Folgen
In vielen europäischen Staaten sind mehrere Ministerien für Agenden der Erwachsenenbildung zuständig. Neue Governance-Formen entstehen und entwickeln sich weiter. Den Stakeholdern fehlen jedoch manchmal Informationen über die Auswirkungen ihrer Policies auf Lernende, Anbieter, Regionen oder angrenzende Politikfelder. In der Folge bleiben viele Leistungen der Erwachsenenbildung unerkannt.
Andere Folgen können noch gefährlicher sein, wenn beispielsweise eine Policy die andere konterkarieren würde, ein Programm mit dem anderen konkurriert oder eine Strategie unbeabsichtigte Wirkungen auf andere Bereiche entfaltet. Dass nationale Programme der Erwachsenenbildung nicht jeden Regierungswechsel überstehen, gehört zur leidvollen Erfahrung einer Reihe von europäischen Staaten. Je knapper die Ressourcen und je segmentierter und randständiger ein Politikbereich, desto wesentlicher ist sein koordiniertes, schlüssiges Handeln.
"Policy Coherence" als Strategieempfehlung
Mit dem Konzept der "Policy Coherence" beschreiben ExpertInnen ein koordiniertes Vorgehen, das auf gegenseitige Absprachen setzt. Programme und Initiativen der Bildungspolitik und angrenzender Felder sollen akkordiert werden, einander unterstützen und nachhaltig wirken können. Konkret kann politische Kohärenz beispielsweise bedeuten, Gelungenes über Politikzyklen hinweg abzusichern, oder die Balance und das Ergänzende zwischen den Teilsegmenten der Erwachsenenbildung zu wahren. Wenn mehrere Ministerien gemeinsam eine nationale LLL-Strategie tragen - wie in Österreich - dann ist das im Sinne der Kohärenz.
Kohärenz hat viele Gesichter...
Die britischen Bildungsforscher David Mallows und JD Carpentieri machen auf die vielen Gesichter der Kohärenz aufmerksam. Sie fordern sowohl ein horizontales als auch eine vertikales Koordinieren bildungspolitischer Aktivitäten: horizontale Kohärenz auf LernerInnen-Ebene bedeutet, dass Lernende in allen Lebensphasen lückenlose Angebote finden. Auf politischer Ebene bedeutet horizontale Kohärenz, dass die Ministerien, die an den Agenden der Erwachsenenbildung arbeiten, ihr Vorgehen koordinieren.
Vertikale Kohärenz meint die durchgängige Schlüssigkeit von Regierungsprogrammen bis zur Umsetzung in den Regionen. Sie zeigt sich auch darin, was von einer Programmplanung bei den Lernenden ankommt. Strategien in diesem Sinne garantieren, dass ein unübersichtliches Feld wie die Erwachsenenbildung überhaupt "funktionieren" kann.
... und sie geht uns alle an!
Regina Barth, Leiterin der Abteilung Erwachsenenbildung des österreichischen Bundesministeriums für Bildung und Frauen, schildert die Tätigkeit ihrer Abteilung in einem aktuellen Interview ganz diesem Gedanken entsprechend: "Unsere Hauptaufgabe und unsere Rolle sind Kooperation, Kommunikation und Koordination."
In der Praxis ist die Kommunikation mit vielen Schnittstellen aufwändig und nicht immer einfach. Kohärenz ist nur möglich bei gutem Willen und ausreichenden Ressourcen. Aber sie ist nicht nur eine Aufgabe für "KoordinatorInnen", sondern ein Aufruf für die Erwachsenenbildung insgesamt! Wir alle sind als ErwachsenenbildnerInnen gefragt, uns auszutauschen, unsere Interessen abzustimmen und nach einem gemeinsamen Nenner zu suchen.
- David Mallows und JD Carpentieri über "Policy Coherence"
- Abschlussberichte zur BeLL-Studie ("Benefits of Lifelong learning")
- Zwischenbericht zur LLL2020-Strategie in Österreich vorgelegt
Nachricht vom 03.07.2015 - Regina Barth im Interview | Magazin erwachsenenbildung.at
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