Wie ÖsterreicherInnen lernen, sich im eigenen Lebensumfeld zu engagieren

06.09.2013, Text: Wilfried Hackl (seit 2016: Wilfried Frei), Redaktion/CONEDU
Community Education will zur Mitgestaltung animieren und bei der Umsetzung niemanden im Stich lassen.
Foto: (C) iStockphoto.com/Silvia Jansen
Aktuell: Magazin über Gemeinwesenarbeit und Erwachsenenbildung
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Der als Finanzrebell titulierte Waldviertler Unternehmer Heini Staudinger brachte in den vergangenen Monaten mit seiner Forderung nach einer allgemeinen Freiheit der direkten Kreditgewährung Bewegung in die Politik. Staudingers Waldviertler Werkstätten sind aber nicht nur ein Beispiel für eine finanzmarktkritische Haltung. Was wenige wissen: Das Unternehmen ging in seiner ursprünglichen Form aus Initiativen zur Gemeinwesenarbeit und Regionalentwicklung hervor. Anfänglich von den MitarbeiterInnen selbst verwaltet war es einer von vielen Lösungsansätzen für die Probleme einer an Arbeitsplätzen armen Region. Warum ist das jetzt wieder von Bedeutung? Wenn sich BürgerInnen für das eigene Lebensumfeld engagieren, um die Umstände zu verbessern und lebenswerter zu machen, spricht man heutzutage von Community Development und Community Education, zu Deutsch: Gemeinwesenarbeit. Die Online-Fachzeitschrift "Magazin erwachsenenbildung.at" (kurz: Meb) hat das Thema kürzlich aufgerollt. Sie zeigt, welches Potenzial sich entfaltet, wenn Menschen die Umstände nicht nur fraglos hinnehmen, sondern aktiv gestalten. Das Meb steht in seiner 19. Ausgabe kostenlos unter www.erwachsenenbildung.at/magazin zum Download bereit.

 

Die Bedürfnisse der Leute ernstnehmen

Als Österreichs einflussreichster Vordenker in Sachen Community Education, Anton Rohrmoser, Ende der Siebzigerjahre zum ersten Mal die Ergebnisse einer Bevölkerungsbefragung präsentierte, waren "Politik und Interessenvertretung teilweise sehr erzürnt". Und das, obwohl die Erkenntnisse über entwicklungshemmende Faktoren in der regionalen Entwicklung ja von den Menschen in der Region stammten. So erzählt Rohrmoser, der früher Entwicklungshelfer in Brasilien war und sich seither einen weitreichenden Ruf als Regionalentwickler und Gemeinwesenarbeiter erwarb, in der aktuellen Ausgabe des Meb. Auch Staudinger beruft sich auf seiner Website auf die Bedürfnisse der Leute in der Region: "Wir wollen nicht im Ausland billiger produzieren, sondern hier Arbeit haben." Der Erfolg der Waldviertler Werkstätten, die in den letzten zehn Jahren rund hundert neue Arbeitsplätze in einer wirtschaftlich schwachen Gegend schufen, scheint dem Ansatz recht zu geben.

 

Mehr mitdenken, mitentscheiden und mitverantworten

Community Education und Community Development heißt: lernen, das eigene Lebensumfeld aktiv zu gestalten; die Lebensumstände durch Hilfe zur Selbsthilfe zu verbessern; Verantwortung zu übernehmen und sich zu Wort zu melden - in der Nachbarschaft, in lokalen Gruppen oder anderen Gemeinwesen. Man könnte meinen, dass ein derart demokratisches und lebenspraktisches Tun für weite Teile der Bevölkerung von großem Interesse sein müsste. Allerdings wirkt Community Education häufig wie ein Projekt weniger engagierter Bürgerinitiativen, LokalpolitikerInnen und Bildungseinrichtungen. Dabei lautet doch ihr Anspruch: Mitdenken, Mitentscheiden, Mitverantworten zu fördern.

 

Österreich bekennt sich zur Community Education

Geht es nach der österreichischen Strategie zum lebensbegleitenden Lernen, die von der Republik Österreich nunmehr schon im dritten Jahr und noch bis 2020 verfolgt wird, dann soll dies anders werden. Vier Ministerien, von Bildung über Wissenschaft bis hin zu Arbeit und Wirtschaft, haben sich darin zur Förderung von Community Education bekannt. Menschen aller Altersgruppen sollen demnach dabei unterstützt werden, ihr Leben und das ihrer Nachbarschaft, Gemeinde oder Region kompetent und aktiv zu gestalten. Überall dort, wo wir im Alltag auf Herausforderungen stoßen, soll sinnvolles und nachhaltiges Lernen angeregt werden. Doch wie geht das?

 

Nachbarschaftshilfe im Wiener Grätzel

Die akutelle Ausgabe des Meb beschreibt die Praxis: Rohrmoser hatte von Brasilien kommend eine Welle von Entwicklungen losgetreten, Initiativen gegründet und rundum politisiert - vor allem im Waldviertel. Im Kern ging es immer darum, die Leute zur Mitwirkung zu animieren und sie bei der Umsetzung von Anliegen nicht im Stich zu lassen. Das gemeinsame Lernen gehört bei Community Education ebenso dazu wie die Kommunikation zwischen den Beteiligten und der Aufbau von Ressourcen. Wie etwa bei den "Grätzeleltern", einem Nachbarschaftsprojekt der Caritas Wien und der Gebietsbetreuung Stadterneuerung: Interessierte BewohnerInnen aus dem 6. und 15. Wiener Gemeindebezirk werden hier zu MultiplikatorInnen ausgebildet. Sie helfen in der Nachbarschaft mit, die Wohnsituation durch die Initiierung kleiner Maßnahmen wie Energiesparen, Mülltrennung oder richtiges Lüften zu verbessern. "Die Grätzeleltern bilden das Missing Link zwischen professionellen Beratungsangeboten und betroffenen Haushalten", berichtet Katharina Kirsch-Soriano da Silva von der Caritas in ihrem Beitrag zum Meb.

 

Die Grätzeleltern sind nur eines von vielen Beispielen im aktuellen Magazin erwachsenenbildung.at - Meb. Da Meb ist das Fachmedium für Forschung, Praxis und Diskurs der österreichischen Erwachsenenbildung. Es wird vom Bundesinstitut für Erwachsenenbildung gemeinsam mit dem BMUKK dreimal jährlich herausgegeben und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des BMUKK gefördert. Alle eingereichten Artikel durchlaufen ein Review von ExpertInnen. Das Magazin erscheint parallel zur kostenlosen Online-Ausgabe auf www.erwachsenenbildung.at/magazin auch im BoD-Verlag und ist als Druckausgabe zum Selbstkostenpreis erhältlich. 

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