Flexible Systeme für flexible Menschen

11.02.2013, Text: Adrian Zagler, Online-Redaktion
Wie durchlässig sind die europäischen Bildungssysteme schon? CEDEFOP kritisiert Starrheit der formalen Bildung.
Die europäischen Bildungssysteme sind in den letzten Jahren durchlässiger geworden. Doch noch immer stoßen Menschen auf große Hindernisse, sobald sie sich abseits der standardisierten Bildungswege bewegen.

Barrieren werden oft verstärkt
Der aktuelle Kurzbericht des Europäischen Zentrums für die Förderung der Berufsbildung (CEDEFOP) beleuchtet, wie durchlässig die europäischen Bildungssysteme tatsächlich sind, und wie gut bisherige Initiativen zur Verbesserung gegriffen haben. Das Ergebnis der Analyse ist gemischt: „Die europäischen Länder tun viel, um ihre Bildungssysteme flexibler zu gestalten, doch werden Barrieren durch intransparente Strukturen eher verstärkt statt beseitigt“, heißt es dazu im CEDEFOP-Kurzbericht. Immer noch sind vor allem die formalen Bildungssysteme starr. Dadurch ist ein flexibler Wechsel zwischen den Bildungssystemen nur mäßig möglich, und auch die Arbeitskräftemigration innerhalb der EU wird erschwert.

Bewegung im Getriebe
Die EU setzt in den letzten Jahren verstärkt darauf, dass auch informell erworbene Bildung anerkannt wird und erarbeitete dafür unter anderem die Strategie „Europa 2020“. Ziel ist es, den Übergang vom informellen oder non-formalen Bildungssystem in das formale Bildungssystem zu erleichtern. Auch das Recht zur Berufsausübung soll nicht mehr nur an formalen Bildungsabschlüssen festgemacht werden.

Der CEDEFOP-Kurzbericht listet einige Initiativen auf, welche die EU auf dem Weg zu einem durchlässigeren Bildungssystem gesetzt hat. So wurde die Validierung nicht formalen und informellen Lernens seit 2004 systematisch gefördert und die EU-Richtlinie Nr. 36/2005 zur automatischen Anerkennung von Berufsqualifikationen umgesetzt. Im Hochschulbereich wurde das Europäische System zur Übertragung von Studienleistungen (ECTS) durchgesetzt; dem entspricht auf der Ebene der Berufsbildung das Leistungspunktesystem ECVET. Auch Netzwerke zur Anerkennung von akademischen Abschlüssen wurden etabliert und gestärkt.

Qualifikationsrahmen soll Erleichterung bringen
Ein Projekt mit weitreichenden Folgen ist der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR). Er soll sämtliche Qualifikationsarten und –niveaus (allgemeine, berufliche und Hochschulbildung) umfassen. Ihm untergeordnet sind die jeweiligen nationalen Qualifikationsrahmen (NQR). Im EQR sind die einzelnen Qualifikationen in Niveaustufen eingeteilt und spezifiziert. Dadurch können spezifische Qualifikationen national und europaweit verglichen werden. Auch die Jobmobilität innerhalb der EU soll damit erleichtert werden.

Aufweichung oder Erstarrung?
Generell lässt sich feststellen: Die einst sehr starre Grenze zwischen Berufs- und Hochschulbildung ist durchlässiger geworden. Die derzeitige Tendenz geht dazu, dass verstärkt bereichsübergreifende Fähigkeiten und Kompetenzen vermittelt werden, wodurch der Umstieg zwischen den Berufs- oder Bildungsfeldern erleichtert wird. Besonders auf den höheren EQR-Niveaustufen (5-8) werden europaweit diesbezüglich neue Bildungsstrukturen entwickelt oder alte überarbeitet.

Doch der CEDEFOP-Kurzbericht zeigt auch klar Gefahren auf: „Validierung, Anerkennung, Anrechnung von Leistungspunkten und Qualifikationsrahmen etablieren sich nur langsam als feste Größen in der europäischen Bildungslandschaft. In vielen Fällen erfassen sie nur Teilbereiche und nicht das gesamte Bildungssystem, sodass sie paradoxerweise die segmentierten und hierarchischen Strukturen reproduzieren, die sie eigentlich überwinden sollten.“ Um dies zu verhindern, müssen nicht nur die Koordination der Staaten untereinander, sondern auch der nationale Austausch zwischen den Bildungssektoren sowie zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor verbessert werden, so das Urteil.
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