Intergenerationell Lernen im Wiener Gemeindebau

18.12.2012, Text: Bianca Friesenbichler, Redaktion/CONEDU
Projekt der Wiener Volkshochschulen mit Österreichischem Staatspreis für Erwachsenenbildung ausgezeichnet.
Unter dem Motto "Gemeinsam schlau im Gemeindebau" bilden die Wiener Volkshochschulen seit dem Vorjahr Ältere zu LernbegleiterInnen im Gemeindebau aus. Das Projekt wurde Anfang Dezember 2012 mit dem Österreichischen Staatspreis für Erwachsenenbildung 2012 in der Kategorie "Themenschwerpunkt 2012: Intergenerationelles Lernen" ausgezeichnet.

Lernbegleitung als ehrenamtliche Nachbarschaftshilfe
In Wiener Gemeindebauten leben rund 500.000 Menschen, unter ihnen viele Kinder und Jugendliche mit Lernschwierigkeiten. Der Bedarf an Lernbegleitung könne aber durch die von den Wiener Volkshochschulen bereits angebotenen Kurse nicht gedeckt werden, so die Projektverantwortliche Elisabeth Brugger. Zudem sei ein Volkshochschulkurs für viele Gemeindebau-BewohnerInnen nicht leistbar. Gleichzeitig gäbe es viele ältere BewohnerInnen, die Ressourcen und gleichzeitig Freude daran haben, sich diesem Bedarf anzunehmen. Daher hat die Wiener Volkshochschulen GmbH gemeinsam mit dem Wiener Nachbarschaftsservice Wohnpartner ein System der "Nachbarschaftshilfe" entwickelt. Im Projekt "Gemeinsam schlau im Gemeindebau. Ausbildung von älteren LernbegleiterInnen im Gemeindebau" werden ältere BewohnerInnen zu ehrenamtlichen LernbegleiterInnen ausgebildet.

Intergenerationelles Lernen: mehr als SeniorInnenbildung
Jurymitglied Michael Tölle hob im Rahmen der Preisverleihung besonders hervor, dass in diesem Projekt der Ansatz des intergenerationellen Lernens tatsächlich gelebt werde. Während viele Maßnahmen in erster Linie auf die Bildung von SeniorInnen abzielen, gehe es hier um das Lernen aller beteiligten Generationen. Elisabeth Brugger bestätigt dies: "Das Projekt setzt an der Förderung von Lernpotenzialen quer über alle Altersgruppen an." Durch die Ausbildung würden die Lernpotenziale von älteren Menschen gefördert, die dann ihrerseits die Lernpotenziale von Kindern und Jugendlichen unterstützen.

Haltung gegenüber Lernen positiv beeinflusst
Nicht nur die LernbegleiterInnen und die unterstützten Kinder und Jugendlichen setzen sich durch die Maßnahme verstärkt mit Lernen auseinander. Durch Gespräche zwischen den LernbegleiterInnen und Eltern werde eine positive Haltung zum Lernen geschaffen, so Brugger. Auch die Rückmeldungen der LehrgangsteilnehmerInnen zeigen dies. So freute sich Brugger zufolge beispielsweise ein/e LehrgangsteilnehmerIn darüber, dass einige Eltern bei den LernbegleiterInnen noch Informationen einholten, wie sie die Kinder weiterhin unterstützen könnten.

Erfahrungsbasierte Auseinandersetzung im Lehrgang
Elisabeth Brugger resümiert die ersten beiden, bereits abgeschlossenen Lehrgänge positiv: "Es gab eine spannende, von allen TeilnehmerInnen aktiv und teilweise kontroversiell geführte Auseinandersetzung über die Möglichkeiten und die praktische Umsetzung einer zeitgemäßen Lernbegleitung in den Gemeindebauten." Die vorhandenen Erfahrungen der TeilnehmerInnen aus ihrem Umfeld führten Brugger zufolge zu einer differenzierten Bewertung der realen Möglichkeiten und Umsetzungsstrategien für Lernbegleitung als Nachbarschaftshilfe. Diese Auseinandersetzung mache den Lehrgang zu einem wechselseitigen Lernprozess für alle Beteiligten.

"Von einem zeitgemäßen Lernbegriff ausgehen"
Für Brugger ist besonders wichtig, dass die LernbegleiterInnen von einem "zeitgemäßen" Begriff von Lernen ausgehen würden. Darunter versteht sie das Fördern von Potenzialen, Motivation, angstfreie Kommunikation und eigenständige Wissensaneignung - Lernen als selbstgesteuerten Prozess. Dies erfordere eine Auseinandersetzung der LehrgangsteilnehmerInnen mit der eigenen Lernbiografie, in der Lernen vielfach darauf abzielte, ein von außen vorgegebenes Pensum zu erfüllen.

Ein Ausblick in die Zukunft
Zwei Lehrgänge wurden bereits abgeschlossen, ein weiterer sei geplant. Im Moment gehe es darum, geeignete Strukturen für die Lernbegleitung im Gemeindebau aufzubauen, so Brugger. Nach dem geplanten dritten Lehrgang müsse man neu über die weitere Vorgehensweise nachdenken. Brugger ist sich jedenfalls sicher, dass geeignete Unterstützung Perspektiven ermögliche, die im Verlauf des Lebens umgesetzt werden können.
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