Durchwachsene Bilanz für Weltdekade der Alphabetisierung

12.12.2012, Text: Adrian Zagler, Online-Redaktion
"Bildung für alle" forderte die heuer endende Alphabetisierungsdekade. Österreich konnte vergleichsweise gute Erfolge erzielen, andernorts herrscht Unzufriedenheit.
Vor zehn Jahren, mit dem 1.1.2003, rief die UNO die „Weltalphabetisierungsdekade“ aus. Bis Ende 2012 sollte die Zahl der AnalphabetInnen weltweit halbiert werden, so der ehrgeizige Plan. Doch bereits die Zwischenberichte der UNESCO zeigten, dass dieses Ziel wohl zu hoch gesteckt war. Nun, nach Ablauf der Dekade, offenbaren sich die Versäumnisse und verpassten Chancen der internationalen Bildungsarbeit. Dennoch gibt es auch einige positive Entwicklungen zu verzeichnen.

„Bildung für alle“
Bereits 1990 gab die UNO die Parole „Bildung für alle“ (education for all/EFA) aus. Zehn Jahre später, in Dakar 2000,  formulierten die UNO-Mitgliedsländer sechs Bildungsziele auf diesem Weg. Die Essenz des „Dakar Framework for Action“ war es, Bildungsangebote für alle Menschen herzustellen und zugänglich zu machen, und Beschränkungen nach Alter, Geschlecht oder Milieu abzubauen. Die UNESCO rief daraufhin für den Zeitraum 2003–2012 die Weltalphabetisierungsdekade aus, um diese Ziele umzusetzen. Obwohl das Hauptaugenmerk natürlich auf afrikanischen und asiatischen Staaten lag, sollten auch die EU-Länder ihre Analphabetismusraten senken (die UNESCO schätzte diese auf 10–30 Prozent der Gesamtbevölkerung).

Nach der Euphorie die Ernüchterung
Wer auf weitreichende Verbesserungen im Bildungsbereich hoffte, wurde enttäuscht. Bereits die UNESCO-Zwischenberichte von 2009 und 2011 machten klar, dass die Dakar-Ziele nicht erreicht werden würden. „Bewaffneter Konflikt ist ein Haupthindernis der EFA-Ziele“, hieß es dort. Ulrike Hanemann, UNESCO-Beauftragte in Hamburg, findet aber auch andere Erklärungen für das Scheitern. Es habe keine Führungspersonen auf internationaler Ebene gegeben, um das EFA-Programm zu pushen. Und das anfängliche Engagement sei bald versandet, da es keine gut ausgearbeiteten Aktionspläne gegeben habe. Die durchgeführten Aktionen und Programme seien daher mittel- bis langfristig eher wirkungslos geblieben. Auch die 2009 gesteckten Kernziele – mehr Engagement, mehr Angebot, neue Ressourcen in allen Bildungsbereichen – wurden laut UNESCO nicht zufriedenstellend erreicht.

Gute Ergebnisse in Österreich
Eine durchwegs positive Bilanz lässt sich dagegen für Österreich ziehen. Hatte es 2003 noch wenige Basisbildungskurse in Wien, Graz, Linz und Salzburg gegeben, ist das Angebot zehn Jahre später fast flächendeckend vorhanden. Auch die Teilnehmerzahlen sind enorm gestiegen; es gibt sogar Wartelisten. Dank der Finanzierung durch Bund und Länder (Stichwort: Initiative Erwachsenenbildung) können die Kurse kostenlos angeboten werden. Sonja Muckenhuber (VHS Linz und Verantwortliche für www.alphabetisierung.at) war anfangs skeptisch, vor allem was die Kontinuität der Förderschiene betraf. Mittlerweile geht sie davon aus, dass die Finanzierung weitergehen wird, da die Programme sehr gut angenommen würden. Die verschiedenen Anbieter seien auch bestrebt, die Qualität des Angebots noch weiter zu erhöhen. Verbesserungspotential sieht Muckenhuber vor allem in der überregionalen Zusammenarbeit unter den verschiedenen Anbietern, konkret im Projekt „Alfatelefon“.

Stichwort „Nachhaltigkeit“
Was bleibt langfristig von der Weltalphabetisierungsdekade? Als besonders effektiv hat sich die UNESCO-Initiative LIFE (Literacy Initiative for Empowerment) erwiesen. LIFE hat die internationale Kooperation und den Wissensaustausch in Bezug auf Bildungsprogramme verbessert sowie das Bewusstsein für Defizite im Bildungsangebot geschärft; zahlreiche übernationale, nationale und regionale Aktionsbündnisse sind entstanden. Für Österreich bedeutsam sind die Initiativen „In.Bewegung“, „learn forever“ und „MIKA“. Ein weiterer wichtiger Schritt wurde auf kognitiver Ebene erzielt: die UNESCO-Statistik versteht Alphabetisierung nunmehr als stufenweisen Prozess und nicht mehr als Ja/Nein-Kategorie. In Österreich wird Bildung nun verstärkt unter dem Fokus der Ermächtigung und Kompetenzorientierung gesehen, so Muckenhubers Einschätzung. TrainerInnen würden nun reflektierter arbeiten und das wirke sich wohl langfristig auch auf die Schulen aus. Nichtzuletzt sei das Thema „Basisbildung“ in den letzten 10 Jahren verstärkt in die Öffentlichkeit geraten. Der Welttag der Alphabetisierung am 8. September soll weiterhin jährlich das Bewusstsein für das UNESCO-Bestreben schärfen. Das Recht auf Bildung ist zwar in Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) verbrieft, muss aber oft – Stichwort Pakistan – immer wieder aufs Neue erkämpft werden.
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