Neuauflage: Web 2.0-Wissen in 30 Minuten

06.08.2012, Text: Adrian Zagler, Online-Redaktion
In 30 Minuten Lesezeit verrät Ewald Wessling, wie EinwohnerInnen von "Analogistan" zu BürgerInnen von "Digital Resident" werden können.
Das Büchlein "30 Minuten: Lernen von Google & Co" ist heuer bereits in der dritten Auflage erschienen. Auf nur 96 Seiten verrät der Autor und Hochschuldozent Ewald Wessling, was das Web 2.0 vom Internet der 1990er unterscheidet, und welche Auswirkungen der technische Fortschritt auf unsere Gesellschaft hat. Seine These: "Der digitale Umbruch trifft jeden. Die Frage ist nur, wann, wie stark und mit welchen Konsequenzen. Darauf sollte sich jeder Einzelne genauso einstellen wie alle Unternehmen und gesellschaftlichen oder staatlichen Institutionen". Das Schöne dabei: Jede und jeder kann mitmachen - digitale Basiskompetenzen vorausgesetzt.

"Was lange gut ging, muss nicht so bleiben"
Wessling beginnt mit einer kleinen Geschichte des Web 1.0 und des Web 2.0, und schließt daran mit einigen Theorien zum sozialen und technologischen Wandel an. Eine dieser Theorien ist z.B. das "Kleine-Welt-Phänomen", nachdem alle Menschen mit einander über sechs Ecken verbunden sind. Daraus schließt Wessling auf die Bedeutsamkeit von sozialen Netzwerken im Web 2.0, wie Facebook und Co. - schnell und einfach ließen sich beispielsweise grundlegende Informationen zu Charakter und Reputation zukünftiger GeschäftspartnerInnen oder MitarbeiterInnen einholen. Somit führe das Web 2.0 "zu neuen Formen der Selbstorganisation, die alle Institutionen des modernen Lebens umkrempeln und unseren Alltag nachhaltig verändern werden. Die soziale Erfolgsstrategie, die sich aus der digitalen Revolution ergibt, heißt in einem Wort: Integrität".

Von "Analogistan" nach "Digitalien"
In seinem Buch beleuchtet Wessling auch die für Außenseiter oft seltsame Spezies der "Digital Natives". Dabei handelt es sich um Personen, die bereits mit den digitalen Kommunikationstechnologien aufgewachsen sind und diese wie selbstverständlich verwenden. Wessling ist selbst kein Digital Native, sondern jemand, der sich diese erst als Erwachsener erarbeiten musste. "Doch jeder kann sich entscheiden, zum Einwohner von 'Digitalien' zu werden, auch wenn man in 'Analogistan' aufgewachsen ist", macht Wessling Mut. Neugierde und Bereitschaft zur Neuorientierung vorausgesetzt. Die Digital Natives charakterisiert er als eine Generation, die ungebunden ist, kritisch hinterfragt, nach Unterhaltung strebt und Kollaboration groß schreibt.

Klug durch Computer
Das Netzwerken ist laut Wessling nur einer der Vorteile, die das Web 2.0 bietet. Andere Vorteile sind u.a. das sogenannte "Schwarmwissen" bzw. die "Weisheit der Vielen", die Verbreitung und Demokratisierung von kollaborativ erzeugtem Wissen, erhöhte Transparenz, aber auch eine Verbesserung des Kooperationsverhaltens. Letzteres ist Wessling zufolge besonders bei ZockerInnen von Online-Rollenspielen à la "World of Warcraft" festzustellen. Eine weitere überraschende Erkenntnis: Tetris vermehrt die grauen Zellen und die Dicke der Hirnrinde. Dies wird damit begründet, dass Computerspiele stetig die Problemlösungskompetenz trainieren.

Daten als Rohstoff
Wesslings ökonomische Erfolgsformel ist einfach: NutzerInnen stehen an erster Stelle, denn KundInnenorientierung führt zum Erfolg. Aus der Multiplikation von KundInneninteressen und -daten bestimmt sich der Erfolg eines Unternehmens. Dabei gilt das Aal-Prinzip: die NutzerInnen arbeiten zu lassen und ihnen damit gleichzeitig auch ein Selbstbestimmungsrecht über das Angebot einzuräumen. Spaß, Unterhaltung und ansprechendes Design haben Google, Apple und Co. zu ihrem Erfolg verholfen. Andere Unternehmen können davon lernen und die Erfolgsstrategie adaptieren.

KundInnen vor Unternehmen
Schließlich stellt Wessling auch die Frage, welche Erkenntnisse Web 2.0-NutzerInnen aus den bisherigen Beobachtungen ziehen können. Er spricht dabei die viel-zitierte Souveränität über die eigenen Daten an, sowie die Notwendigkeit, in Punkto Medienkompetenz stets auf dem Stand der Technik zu bleiben. Für Unternehmen hingegen ist es wichtig, KundInnen stärker in die Kommunikation mit einzubeziehen und Kontrolle über das Angebot an sie abzugeben: "Unternehmen müssen ihre Aktivitäten kompromisslos auf ihre Kunden ausrichten, mit ihnen in Dialog treten, systematisch Daten organisieren und jungen Menschen Chancen eröffnen". Und für den individuellen beruflichen Erfolg schlägt er vor, mehr Vertrauen in die eigenen Stärken zu setzen und Netzwerke zu bilden, noch bevor diese gebraucht werden.

30 Minuten Wissen
Das kleine Büchlein hält, was es verspricht, nämlich einen Überblick über den persönlichen Nutzen des Web 2.0 innerhalb von 30 Minuten. Anhand von Leitfragen zu Beginn jedes Kapitels lassen sich rasch weniger interessante Themen überblättern. Trotz seines starren Inhalts ermöglicht es die Gliederung mithilfe eines grafischen und farblichen Leitsystems, den Text wie einen Hypertext in Auszügen und nicht-chronologisch zu lesen, ohne dabei den größeren Zusammenhang aus dem Blick zu verlieren. Das Buch gleicht damit selbst - zumindest in einem Teilaspekt -  dem Web 2.0: die LeserInnen bestimmen selbst, was für sie bedeutend ist, und was nicht. Der Text ist ansprechend und zugänglich geschrieben und richtet sich an verschiedene Zielgruppen: Unternehmen mit dem Ziel, ins Web 2.0-Geschäft einzusteigen, aber auch neugierige Individuen mit wenig konkreten Plänen. Wesslings Buch ist eine geeignete Einstiegslektüre für all jene, die noch wenig mit dem Web 2.0 zu tun hatten, und diese fremde neue Welt langsam entdecken wollen.

Ewald Wessling lehrt als Professor für Kommunikation im digitalen Wandel an mehreren Hochschulen. Daneben berät er Unternehmen zur Erschließung des digitalen Marktes und coacht leitende Angestellte. Er verfügt über jahrelange Praxiserfahrung als Konzernmanager und Geschäftsführer eines mittelständischen Verlages.

Ewald Wessling (2012): 30 Minuten Lernen von Google & Co. 3., überarbeitete Auflage. Offenbach: Gabal. 96 S., € 8,90. ISBN 978-3-86936-375-2.
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