Blogging als didaktisches Mittel

26.06.2012, Text: Adrian Zagler, Online-Redaktion
Revolutionieren soziale Medien die Lehre? Anhand des Bloggings lassen sich einige Beispiele für Anwendungen in der Erwachsenenbildung aufzeigen. (Serie: Blogs in der Erwachsenenbildung, 2)
Der ehemalige Lehrer und e-Learning-Experte Will Richardson glaubt, dass die sozialen Medien und das interaktive Web eine Reihe von Veränderungen für die Lehr-Lern-Situation mit sich gebracht haben. Lehrinhalte sind nun nicht länger nur in Büchern zu finden, sondern jedermann und jederfrau im Internet frei zugänglich, überall und jederzeit. Wissen wird verstärkt gemeinsam, interaktiv und kooperativ geformt, die Rollen als LehrendeR und LernendeR weichen sich auf und können wechseln. Ein Beispiel dafür sind Lernblogs: Die Lernenden haben die Möglichkeit über Kommentare und andere Mittel auf den Lernprozess ebenso wie auf den Lerninhalt und die Lernweise Einfluss zu üben. Im Sinne des learning-by-doing sind sie selbst dazu angehalten, etwas beizutragen, ob per Blogkommentar, Foto, Podcast oder Verlinkung. Das soziale Web selbst kann als Portfolio dienen, in dem die Lernenden ihre Lernergebnisse dokumentieren, anwenden und überprüfen können. Nicht nur im Unterricht, sondern auch in der Erwachsenenbildung kann Bloggen als Lehr- und Lernmethode eingesetzt werden, solange einige Dinge dabei beachtet werden.

Bloggen motiviert
In Taiwan wurden im Vorjahr 70 erwachsene BloggerInnen zum Zusammenhang zwischen Lernen und Bloggen befragt. Positive Auswirkungen hatte das Bloggen laut dieser Studie vor allem als Mittel des - oft unbewussten - learning-by-doing, aber auch als Reflexionsmittel. Für die Befragten war das Bloggen außerdem eine Alternative zum institutionalisierten Lernen, und ermöglichte ihnen selbstbestimmt, praxis- und situationsbezogen zu lernen. Die ForscherInnen kamen zu dem Fazit, dass Bloggen neue, positive Lernräume eröffnen kann, und zudem von den Lernenden auch noch als motivierend empfunden wird. Laut Bildungsforscherin Anne Thillosen befriedigt "das freiwillige Führen eines Wissens-Blogs verschiedene psychologische Grundbedürfnisse", nämlich das Bedürfnis nach Kompetenzerfahrung, nach sozialer Anerkennung und nach Autonomieerleben. Dieser intrinsischen Motivation wird auch noch eine extrinsische beigestellt, wenn der Blog anfangs fixer Bestandteil des Unterrichts ist.

Einsatzmöglichkeiten in Kursen
Lehrende können Blogs zu einer Vielzahl von Zwecken einsetzen. Einer der häufigsten ist das Erstellen eines Lernportfolios. Der Blog wird so zum Reflexionsmedium der Lernenden, anhand dessen sie selbst ihren Lernfortschritt messen können. Daneben lassen sich auch Projekte über Blogs organisieren und entwickeln. Besonders in der Erwachsenenbildung finden die TeilnehmerInnen oft durch Berufstätigkeit und andere Verpflichtungen nur schwer Zeit, sich für Gruppenarbeiten zu treffen. Projektblogs dagegen können rund um die Uhr von zuhause aus oder unterwegs bearbeitet werden. Bloggen kann auch einfach nur dazu dienen, dass die KursteilnehmerInnen sich über die Kontaktstunden hinaus mit dem Gelernten beschäftigen, indem sie selbst recherchieren, Einträge schreiben oder die Beiträge anderer kommentieren. Die Rolle des Feedbacks - sowohl von Seiten der Lehrenden als auch der Mit-Lernenden - wird damit aufgewertet. Die kurze Zeitspanne, die idealerweise zwischen Beitrag und Kommentar liegt, wirkt sich den BildungsforscherInnen Bull und Kajder zufolge zusätzlich motivierend auf die BloggerInnen aus.

Didaktisches Bloggen
Bei näherem Hinsehen offenbaren sich die zahlreichen Vorteile, die das Bloggen als methodisch-didaktisches Mittel bietet. Lernen findet nicht nur im Klassenzimmer statt, sondern wird in den Alltag integriert und damit aufgewertet. Lehrende und Lernende bleiben auch außerhalb des Klassenzimmers in  Verbindung um sich auszutauschen oder über die Lehrinhalte zu diskutieren und zu reflektieren. Vor allem für Sprachkurse bietet das Bloggen den Vorteil, die Teilnehmenden zum Schreiben zu bringen. Aber Bloggen ist nicht nur rein textbasiert, sondern funktioniert ebenso über Grafiken, Audio- und Videofiles, sodass alle Lerntypen dadurch angesprochen werden können - die notwendige Medienkompetenz vorausgesetzt. Durch den technischen Fortschritt ist es für die BlognutzerInnen einfach, sich selbst an der Wissens(re)produktion zu beteiligen. Damit wird Faktenwissen in Anwendungswissen verwandelt. Durch die Kommentarfunktion verbinden Blogs außerdem individuelles mit kollektivem Lernen in einer personalisierten Lernumgebung. Und nicht zuletzt dadurch kann das Bloggen auch jenen Lernenden eine Stimme geben, die im Unterricht selbst aus diversen Gründen nicht zu Wort kommen.

Fallstricke
Grundsätzlich gilt: Lehrende, die selbst nicht bloggen können oder wollen, sollten dies auch nicht in ihren Unterricht integrieren. Damit machen sie sich höchstens unglaubwürdig, und vermutlich werden ihre SchülerInnen das Bloggen mit dem Ende des Unterrichts auch wieder aufgeben, glaubt Richardson. Aber auch wenn die Lehrenden selbst motiviert sind, garantiert das alleine noch nicht den Erfolg des Projekts. Viele Lehrende, die Bloggen in den unterschiedlichsten Kontexten angewandt haben, berichten von negativen Erfahrungen: wenig oder nur das Mindestmaß an Einsatz und Mitarbeit der Lernenden, qualitativ minderwertige Beiträge und kaum Interaktion. Laut den ProfessorInnen Divitini, Haugalokken und Morken ist dieses Versagen meist auf Unsicherheiten auf Seiten der Lernenden zurückzuführen, die mit den genauen Regeln des Bloggens nicht immer vertraut sind und auch dessen Sinnhaftigkeit nicht erfassen.

Besser machen
Es gilt also eine Reihe von Regeln zu beachten, um das Bloggen in den Unterricht zu integrieren. Die wichtigste davon: mit gutem Beispiel voran gehen. Barbara Ganley, eine Lehrerin, die selbst mit Weblogs gearbeitet hat: "Wie wir alle wissen, färbt es auch auf die widerwilligsten Schüler ab, wenn Lehrer daran glauben, was sie tun, und auf ihre Lehrmittel vertrauen". Für die Arbeit mit erwachsenen Lernenden dürfte dies nicht anders sein. Zweitens ist gute Planung im Vorfeld wichtig, und dafür sollten einige Fragen geklärt werden: Wofür wird der Blog verwendet, von wem, wie, wann und warum? Je nach Aufgabe des Blogs sollte sich auch das Design richten. Zum Beispiel ist eine chronologische Struktur alleine recht unübersichtlich und sollte mit anderen Ordnungsprinzipien kombiniert werden.  Weiters ist die Lehrperson als ModeratorIn gefragt und muss den Blog überwachen, auf rasches Feedback achten, Anregungen geben und vor allem positive Leistungen hervorstreichen. Gutes Bloggen kann z.B. durch lobende Kommentare, aber auch durch Verlinkungen auf andere Seiten belohnt werden. Das hebt die Motivation der Lern-Blogger, wie zum Beispiel die taiwanesische Studie beweist. Richardson gibt dazu in seinem Buch "Wikis, Blogs und Podcasts" wertvolle Schritt-für-Schritt-Anweisungen, von der Planung über die Erstellung eines Blogs bis zur Führung und Wartung.
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Serie: Blogs in der Erwachsenenbildung